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Filmfestival,  Interview

Interview mit Regisseur Kevin Kopacka (HAGER, HADES)

Der Horrorfilm Dawn Breaks Behind The Eyes des österreichischen Regisseurs Kevin Kopacka wird beim diesjährigen Randfilmfest seine Deutschlandpremiere feiern. Wir haben dies zum Anlass genommen, um mit ihm über das europäische Genrekino, das Unbewusste als Inspirationsquelle und natürlich auch über seinen neuen Film zu sprechen. Viel Spaß!


Hallo Kevin. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst! Nachdem dich noch nicht alle unserer Leser:innen kennen werden, magst du dich kurz vorstellen?

Hallo, ich bin Kevin Kopacka, gebürtiger Österreicher, den es zum Studium der Freien Kunst 2006 nach Berlin verschlagen hat. Ich bin neben der Malerei seit 2014 hauptberuflich im Film als Regisseur & Editor tätig.

Zuerst ein paar auflockernde Fragen: Welcher ist dein liebster Horrorfilm der letzten fünf Jahre und warum?

Mir hat The Wailing sehr gut gefallen! Ein sehr spannendes Drehbuch, wo das Medium Film gut genutzt wird, um mit der Idee von Subjektivität zu spielen.

Was macht Horror für dich im Kern aus bzw. was ist es, was dich am Horrorgenre besonders fasziniert und welche(r) Film(e) bringt die Essenz davon für dich auf den Punkt?

Lustigerweise war ich wortwörtlich schon von Horror fasziniert, seitdem ich denken kann – ganz zur Beunruhigung meiner Eltern. Was ich an dem Genre so reizvoll finde, hat sich natürlich über die Zeit verändert, aber ich glaube ich mochte immer schon, dass Horror eine Grenzerfahrung bietet. Man wird emotional mit Situationen konfrontiert, die man im modernen Alltag nie erleben würde.

Für mich ist Horror am ehesten noch ein Gefühl oder eine Atmosphäre – ähnlich wie ein Alptraum – etwas nicht Greifbares. Ein guter Horrorfilm kann dieses Gefühl von der Leinwand auf die Betrachtenden übertragen.

Ich finde, dass das bei Über dem Jenseits von Lucio Fulci zum Beispiel sehr gut funktioniert.

Lucio Fulcis „Über dem Jenseits“ gilt noch heute als Paradebeispiel für atmosphärischen Euro-Horror. © XT-Video

Wenn man sich dein filmisches Schaffen ansieht, werden immer wieder Vergleiche zum italienischen Genre-Kino der 70er und 80er Jahre gezogen; Namen wie Mario Bava oder Dario Argento tauchen in Besprechungen deiner Filme häufig auf. Was sind darüber hinaus für dich die stärksten Einflüsse in deinem Schaffen?

Einflüsse gibt es recht viele – ich mag abseits von Horrorfilmen z.B. die Filme von Alain Resnais oder Luis Buñuel, die mit surrealen Situationen auf eine fast schon nüchterne Art umgehen. Zudem gibt es auch ein einige Autor:innen und freischaffende Künstler:innen, die ich sehr inspirierend finde und alles was mit Legenden/Mythen und dem Paranormalen zu tun hat sowieso!

Inwieweit versuchst du vielleicht auch, dich von den Einflüssen der genannten Altmeister zu emanzipieren?

Ich glaube, dass viele der Horrorfilme der 60er bis 70er so gut funktionieren, weil sie in dieser bestimmten Zeit mit den bestimmten Mitteln entstanden sind. Ich denke bei Dawn Breaks Behind the Eyes ist es der Versuch, die Aura dieser Filme einzufangen, diese aber in Verbindung mit meinen eigenen Gedanken und Konstruktionen von Realität und ihren Verschiebungen zu bringen.

Deine Soundtracks sind etwas ganz Besonderes. Wie wichtig ist dir die musikalische Untermalung bei einem Film?

Musik im Film ist mir sehr wichtig, weil sie die Stimmung setzt. Beim Schreiben erstelle ich meistens schon eine Playliste an Liedern, die ein bisschen die Atmosphäre des jeweiligen Films mitformen. Ich habe früher immer die Soundtracks meiner Filme selbst gemacht, stoße da aber doch immer wieder an meine musikalischen Grenzen, deswegen freut es mich, dass ich inzwischen ein paar sehr talentierte Musiker:innen kenne, die u.a. für den Film am Soundtrack mitgewirkt haben. Bei dem Film ist es zusätzlich das erste Mal, dass ich bereits bestehende Lieder lizensiert habe, was auch eine schöne, neue Erfahrung war.

Deine Filme haben immer auch eine surreale Atmosphäre inne, die oftmals multidimensionale Ausmaße annimmt, sodass sich deine Figuren durch mehrere Bewusstseins- oder Realitätsebenen kämpfen müssen. Rührt diese Art des Geschichtenerzählens von solch einer Weltsicht, die du eventuell selbst hast, oder eher von einem Interesse, die narrativen Möglichkeiten des Mediums zu erforschen?

Ich denke das entspricht schon sehr meiner Weltanschauung. Ich beschäftige mich viel mit metaphysischen Themen. Im Medium Film kann ich da ab und zu ein paar der Ideen verarbeiten.

Erinnert an die schauderhaften Bildräusche eines Dario Argento: Szene aus Kevin Kopackas Kurzfilm HADES.

Ist dieses Arbeiten mit surrealen (Alb-)Traumwelten die beste Herangehensweise an menschliche Ängste?

Für mich persönlich schon, weil es ja größtenteils um das Unbewusste geht – und es liegt schon in dessen Natur, nicht greifbar zu sein. Ich denke jede Person hat da aber eine andere Herangehensweise.

Die Titel deiner Trilogie HADES, TLMEA und HAGER bestehen allesamt aus fünf Buchstaben. Ist dir eine solche strenge Durchstilisierung wichtig oder ist es einfach nur Spielerei? Und inwieweit lässt sich das auf die Filme selbst übertragen?

Gut erkannt! Ja, ich habe eine seltsame Fixierung auf die Zahl 5. Jeder Film seit 2014 von mir hat einen Titel mit entweder fünf Buchstaben oder fünf Wörtern. Aber auch gewisse Uhrzeiten kommen immer wieder in meinen Filmen vor.

Du verweist in den Filmen stark auf die griechische Mythologie und auch Dante Alighieris „Göttliche Komödie“. Was reizt dich an genau diesen Stoffen?

Ich finde Mythologie aus vielen Gründen sehr spannend – auch, weil sie die Essenz vom Geschichtenerzählen enthält und die Moralvorstellungen einer Gesellschaft prägt. Bei Dante war es zusätzlich die Visualisierung der Hölle, die ich reizvoll finde. Die Idee und die Implikationen einer Hölle interessiert mich sehr.

Wie arbeitest du mit den Schauspielenden? Hast du eine konkrete Vision, die sie genau so umsetzen sollen oder lässt du eigene Interpretationen der Rollen und der Geschichte zu? Gibt es Improvisationen?

Ich mag v.a. den Castingprozess sehr gerne, weil ich bei den Figuren schon einen gewissen Typ im Kopf habe und ich mir dann (idealerweise) genau aussuchen kann, von wem diese verkörpert werden. Mit den Schauspieler:innen entwickle ich meistens eine Art Backstory zu den Figuren, um ein Verständnis zu bekommen, wie und warum ihre Charaktere in gewissen Momenten reagieren. Vor dem Dreh gibt es Proben, wo die einzelnen emotionalen Beats der jeweiligen Szenen durchgegangen werden.

Aber am Set bin ich sehr offen für Improvisation und finde es gut, wenn die Schauspielenden mit eigenen Ideen zu ihrer Rolle beitragen. Gerade mit Frederik (von Lüttichau) habe ich schon oft gedreht und es macht richtig Spaß, ihm viel Freiraum zu geben und zu sehen, was dabei entsteht.

Lass uns ein wenig über deinen neuen Film Dawn Breaks Behind The Eyes sprechen. Die Filme von Jean Rollin waren augenscheinlich die größte Inspirationsquelle für die erste halbe Stunde. Ohne zu viel vom Film vorwegzunehmen, woher kam die Idee für die zweite Hälfte?

Der zweite Teil ist fragmentweise von Filmen wie Psych Out (1968) oder An American Hippie in Israel (1972) beeinflusst. Sogar ein bisschen von Hair. In meinem Film ist es natürlich eine bewusst überspitzte Darstellung dieser Zeit.

In „Dawn Break Behind The Eyes“ erweckt Kevin Kopacka die poetischen Welten eines Jean Rollin zu neuem Leben.

Siehst du deinen neuen Film selbst als eine Weiterentwicklung der Motive, die du mit HADES, TLMEA und HAGER etabliert hast, oder siehst du ihn eher losgelöst von diesen?

Es gibt auf jeden Fall viele Motive, die wiederkehren – aber nicht unbedingt bewusst. Das sind Themen, die mich beschäftigen, wie das Konzept der Unendlichkeit oder die Idee von Bestrafung und freiem Willen.

In diesem Zusammenhang: Wieso genau dieser Titel und wie kamst du auf ihn?

Der Titel ist eine Zeile aus dem Gedicht „Light breaks where no sun shines“ von Dylan Thomas, das ich sehr gerne mag. Ich finde die Bilder spannend, die beim Lesen entstehen. Gerade die Zeile „Dawn Breaks Behind the Eyes“ ist mir immer hängen geblieben. Ich mag die Idee, dass alles, was wir wahrnehmen, eigentlich nur in unserem Kopf existiert bzw. von unseren Sinnen „übersetzt“ wird. Der Film kann auch als lose Adaption des Gedichts gelesen werden.

Eine der Hauptattraktionen ist sicherlich das verwunschene Schloss, in dem der gesamte Film spielt. Aus welchen Gründen hast du ausgerechnet dieses ausgesucht und wie einfach oder schwierig war es, eine Drehgenehmigung zu bekommen?

Das Schloss war tatsächlich der Grund, den Film überhaupt zu machen. Nach HAGER wollte ich einen Film drehen, der nur an einem Ort spielt und wollte das natürlich am liebsten in einem Schloss machen. Ich hatte über meine ehemalige Mitbewohnerin vor Jahren schon den Kontakt zum Schloss Herrenhaus Vogelsang in Mecklenburg-Vorpommern, von dem ich immer schon fasziniert war. Ich habe dann die Besitzer:innen des Schlosses kontaktiert, die super nett sind und es uns ermöglicht haben, drei Wochen dort zu drehen. Allerdings gab es nur einen einzigen möglichen Drehtermin, weil das Schloss danach saniert wurde. Dadurch entstand ein gewisser Zeitdruck.

Das Herrenhaus Vogelsang im Landkreis Rostock bietet das perfekte Setting für das schaurig-schöne Treiben in „Dawn Breaks Behind The Eyes“. © Oberlausitzerin64

Kannst du uns ein paar Einblicke in die Produktion von Dawn Breaks Behind The Eyes geben? Wie verliefen Finanzierung, Casting, Dreh etc. und wann genau kam dir die Idee für den Film? War das Schreiben des Drehbuchs eine Herausforderung?

Das Drehbuch und die Produktion habe ich zusammen mit meiner Partnerin Lili Villányi gemacht. Dadurch, dass es mit dem Termin im Schloss eine strikte Deadline gab, musste in sieben Monaten alles von Drehbuch, zu Casting, zu Produktion etc. passieren. Da wir nur zu zweit waren, war das eine ziemliche Herausforderung – am Ende hatten wir aber zum Glück dann eine super Crew und tolle Schauspieler:innen zusammen, sodass alles gut geklappt hat!

Wir hatten uns zwar bemüht, den Film irgendwie finanziert zu bekommen, aber aufgrund der Kurzfristigkeit und der Tatsache, dass es sich doch um einen etwas ungewöhnlichen Stoff handelt, hat das nicht geklappt. Dadurch musste ich den Film am Ende komplett aus eigener Tasche finanzieren.

Die Idee für den Film kam irgendwann als einzelnes Bild oder als Art Atmosphäre. Es ging um die Idee eines Pärchens, das die Ewigkeit in einem Schloss verbringt und wie ihr Alltag aussehen könnte. Diese Idee war auch Teil des Drehbuchs. Im Schnitt ist dann dieser Teil zu etwas ganz Anderem geworden und wird nur noch angedeutet. Der erste Schnitt war beispielsweise doppelt so lang.

Welche Szene war für dich die größte Herausforderung zu drehen?

Auf jeden Fall die Szene, bei der viel nackte Haut zu sehen ist.

Neben deiner Arbeit als Regisseur bist du auch als Maler tätig. In einer Szene des Films hängt eines deiner eigenen Gemälde an der Wand und ist kurz Gegenstand eines Monologs. Ist dies nur eine nette Spielerei oder ein bewusster Versuch, intermediale Grenzen zu überwinden? Falls ja, inwiefern steht diese Entscheidung vielleicht auch in der Programmatik des Films?

Ich mag es, bei meiner Malerei eine Geschichte zu implizieren. Wenn man das Bild sieht, weiß man nicht, was davor oder danach passiert, aber man bekommt einen Einblick in eine sehr subjektive Darstellung eines einzelnen Moments. Die Figuren im Bild sind sozusagen in dem Moment in dieser subjektiven Realität gefangen, wissen das aber nicht. So ähnlich geht es auch den Figuren in Dawn Breaks Behind the Eyes – nur, dass es anstatt eines Bildes eben ein Film ist, der von außen betrachtet wird.

Warum sollten sich unsere Leser:innen Dawn Breaks Behind The Eyes auf keinen Fall entgehen lassen?

Gerade für ein deutsches Publikum könnte er interessant sein, weil der Film auch deutsche Filmgeschichte zelebriert und daher nicht versucht sich von der Idee des „Deutschen Films“ zu distanzieren. Andererseits orientiert er sich auch nicht an zeitgenössischen deutschen Produktionen und ist möglicherweise etwas gewagter in der Erzählweise als das, was man gewohnt ist. Genre-Fans werden bestimmt ihren Spaß mit dem Film haben, aber ich hoffe, dass er auch Leute anspricht, die eigentlich nichts mit Horrorfilmen anfangen können.

Was kommt als nächstes?

Inzwischen habe ich viel dazugelernt, was das Schreiben angeht. Ich arbeite gerade parallel an zwei Drehbüchern, bei denen ich mich momentan schwer entscheiden kann, welches ich lieber als nächstes drehen will. Das kommt natürlich auch darauf an, welches von den beiden ich finanziert bekomme. Beide Filme sind Erweiterungen der Themen, die mich interessieren und haben natürlich auch Genreeinflüsse.

Vielen Dank für das spannende Gespräch und viel Erfolg mit deinem neuen Film Dawn Breaks Behind The Eyes!

Immer gerne, vielen Dank für die schönen Fragen!

Horrorfilme sind für mich die beste Möglichkeit, die Grenzen des Zumutbaren und des eigenen Sehvergnügens auszuloten und neu zu definieren. Außerdem gibt es kaum ein anderes Genre, das so viele verschiedene gute Ideen, Möglichkeiten und Geschichten hervorbringen kann, da, ähnlich wie im Science-Fiction, einfach alles möglich ist. Es ist faszinierend, wie stark einen gute Horrorfilme in ihren Bann ziehen können und dabei sowohl schockieren als auch unterhalten.

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