Sacrifice
Kritik

Sacrifice (2019) – Review

Mit Sacrifice entwirft Taku Tsuboi ein eindrucksvolles Regiedebüt um eine Gruppe von Teenager, die über ihren Platz in der Welt nachdenken, während mysteriöse Ereignisse ihr Leben für immer verändern. 

Originaltitel: Sakurifaisu
Land: Japan
Laufzeit: 77 Minuten
Regie: Taku Tsuboi
Drehbuch: Taku Tsuboi
Cast: Michiko Gomi, Miki Handa, Kosuke Fujita u.a.
VÖ: Läuft auf dem 22. Japan-Filmfest Hamburg ab 18.08.2021

Inhalt

Im März 2011 sah die Mittelschülerin Midori (Michiko Gomi) eine alles verschlingende Flut vorher, die zu einer nuklearen Katastrophe im Nordosten Japans führen und ganze Landstriche verwüsten sollte. Sieben Jahre später sehnt sich die jung Frau, inzwischen eine Studentin, noch immer vergeblich nach Normalität. Zwar konnte sie ihre Vergangenheit in einer neureligiösen Bewegung namens „The Sacred Tide“ hinter sich lassen, aber die quälenden Vorahnungen und bizarren Träume bleiben auch weiterhin Teil ihres Lebens. Zur gleichen Zeit sucht ihre Kommilitonin Toko (Miki Handa) Abwechslung zu ihrem tristen Alltag und hängt sich an die Fersen des intelligenten, aber introvertierten Okita (Yuzu Aoki). Sie ist überzeugt, dass er für eine grausame Serie ritualisierter Katzenmorde sowie den Tod ihrer Kommilitonin Sora (Hana Shimomura) verantwortlich ist, die offenbar ebenfalls ermittelte und der Wahrheit zu nahegekommen war. Die Situation spitzt sich zu, als Midoris Vorahnungen stärker werden und der Mörder ein weiteres Opfer fordert.

Kritik

Das große Tōhoku-Erdbeben im Nordosten Japans vom 11. März 2011 und die nachfolgenden katastrophalen Störfälle im küstennahen Kernkraftwerk Fukushima haben sich kollektiv in das japanische Gedächtnis eingebrannt. Auch zehn Jahre nach dem Vorfall scheinen die Wunden noch nicht verheilt, obwohl das Land schon längst mit dem Aufbau begonnen hat. Fukushima hat sich seitdem auf vielfältige Weise in der Popkultur manifestiert und jedes Jahr gibt es Filme und Serien, die sich mit den Folgen der Ereignisse befassen.

In seinem Regiedebüt verwebt Regisseur Taku Tsuboi die Auswirkungen des Fukushima-Zwischenfalls mit den Vorstellungen neureligiöser Bewegungen zu einem stimmungsvollen Mystery-Drama. So bezeichnen die Figuren während des gesamten Films das Ereignis einfach als 3/11, und ähnlich wie 9/11 in den Vereinigten Staaten stellt es eine Zäsur da, teilt die Zeit in ein Vorher und ein Nachher. Inspiriert wurde Tsuboi durch die Erzählungen des Schriftstellers Haruki Murakami, der sich sowohl mit dem Erdbeben von 1995 in Kobe als auch mit dem Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn durch die religiöse Bewegung Ōmu Shinrikyō im März desselben Jahres auseinandersetze. Wie Murakami in seinen Büchern, wollte Tsuboi das überwältigende Gefühl der Verzweiflung und Unsicherheit auf die Leinwand bringen.

Dabei bietet Sacrifice mit Midoris Vorhersage nicht nur direkte Bezüge zum Erdbeben 2011, sondern auch zu radikalen neureligiösen Bewegungen Die im Film besprochene Organisation „The Sacred Tide“ weist mit ihren Untergangsszenarien und dem universitären Setting starke Parallelen zu Ōmu Shinrikyō auf. Die Art und Weise, wie Tsuboi die religiös-militärische Bewegung inszeniert, gibt auch Aufschluss darüber, worin die Faszinationskraft solcher Gemeinschaften im Angesicht individueller Überforderung liegt. Sacrifice spiegelt die Stimmung einer ganzen Generation wider, die sich mit existenziellen Ängsten und Bedrohungen konfrontiert sieht.

Während die zurückhaltende Erzählung diverse Thriller- bzw. Krimielemente aufweist, vermeidet Tsuboi unnötige Bilder des Terrors und beschwört vielmehr schleichend Unbehagen und Desorientierung. Unterstützt wird dieses Gefühl durch wiederkehrende, eruptiv wirkende Einblendungen von kryptischen Bildern krachender Meereswellen und schreiender Menschen. Diese Momente verleihen der Erzählung eine anhaltende Spannung und steigern das Tempo in der sonst eher ruhigen Inszenierung.

Sacrifice

Der faszinierendste Aspekt des Films besteht aber nicht darin, den Mörder zu fassen oder die Motivation der neureligiösen Bewegung zu verstehen, die sich vielmehr als zu ungenau herausstellen, um wirklich überzeugend oder bedrohlich zu sein. Stattdessen ist es die Entwicklung der Beziehung zwischen drei zentralen Charakteren, deren Perspektiven die Handlung bestimmen. Zu sehen, wie diese junge Besetzung auf das düstere Szenario trifft, ist eine der Hauptstärken des Films, wobei Tsuboi ein Quartett aus leisen, aber ausdrucksstarken Schauspieler:innen zusammenstellt. Was man Tsuboi in diesem Zusammenhang vorwerfen könnte, wäre lediglich das fehlende Vertrauen in sein Publikum, die notwendigen Verbindung selbst herzustellen und die Emotionen zu erfühlen, was in einer Vielzahl von erklärenden Dialogen zwischen den Figuren mündet .

Fazit

Sacrifice ist ein eindringliches Spielfilmdebüt über eine ungewöhnliche Kriminalgeschichte in Verbindung mit melancholischen Überlegungen zu Japans jüngsten sozialen und gesellschaftlichen Traumata. Es ist eine geduldige, nachdenkliche Auseinandersetzung mit den Ängsten einer Generation, deren Leben von Katastrophen und Unsicherheiten überschattet wird, die sie nicht verstehen können. .

Bewertung

Grauen Rating: 1 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  Rating: 0 von 5
Unterhaltung  Rating: 4 von 5
Anspruch Rating: 4 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Bildquelle: Sacrifice @ Récolte & Co.

Horrorfilme… sind für mich eine Möglichkeit, Angstsituationen zu erleben, ohne die Kontrolle zu verlieren. Es ist eine positive Art der Angst, da sich ein Glücksgefühl einstellt, sobald man die Situation durchgestanden hat. Es ist nicht real – könnte es aber sein. Das ist furtchteinflößend und gleichzeitig faszinierend.

...und was meinst du?