Kritik

Red Screening – Blutige Vorstellung (2020) – Review

Abgetrennte Gliedmaßen, Blutfontänen, blitzende Messer in einem charmanten Ambiente mitsamt Hommagen an Argento und Konsorten – das alles ist Red Screening oder zu Deutsch: Blutige Vorstellung.

Originaltitel: Al morir la matinée
Land: Uruguay
Laufzeit: 88 Minuten
Regie: Maximiliano Contenti
Drehbuch: Maximiliano Contenti, Manuel Facal
Cast: Luciana Grasso, Ricardo Islas, Julieta Spinelli u.a.
VÖ: Seit 23.04.2021 im Handel

Montevideo 1993: Die Nacht ist stürmisch, im Kino „Cine Opera“ läuft ein Horrorfilm. Ana, die Tochter des Filmvorführers, hat ausnahmsweise die Nachtschicht für ihren Vater übernommen. Eigentlich kein Job, der besonders aufregend ist, eher das Gegenteil. Doch in dieser Nacht kann von Ruhe und gediegener Langeweile nicht die Rede sein: Ein erbarmungsloser Killer hat für die Vorstellung ein Ticket gelöst! Im Schutz der Dunkelheit des Kinosaals lässt der blutrünstige Mörder seinem Drang freien Lauf und metzelt, was das Zeug hält. Schon bald muss Ana nicht nur um ihr Überleben kämpfen, sondern auch versuchen, möglichst vielen Besuchern einen grausamen Tod zu ersparen.

Das Kino lebt! Doch darin bald keiner mehr – das ist der Supense, der Red Screening – Blutige Vorstellung oder Al Morir la Matinée, wie der Film im Original heißt, ausmacht. Der Indie-Slasher lief im September 2020 auf dem HARD:LINE Film Festival in Regensburg und hat das Publikum schon damals von den heimischen Hockern gerissen. Dass das Festival damals zu großen Teilen daheim stattfinden musste, gab dem Film damals einen faden Beigeschmack. Denn mit dem Virus an der Backe kämpfte jetzt plötzlich das Kino selbst ums Überleben.

Klug und nostalgisch

Dennoch war das Festival ein voller Erfolg und Red Screening verlor nichts an seiner Wirkung – im Gegenteil: Regisseur Maximiliano Contenti kreiert eine einzigartige, wunderbar nostalgische Atmosphäre in einem ehrwürdigen Kinosaal, der die Sehnsucht nach den Lichtspielhäusern noch größer werden lässt.

Dem Drehbuchautor Manuel Facal gelingt es dabei, die große Bandbreite an Menschen, die man so im Kino treffen kann, abzubilden: das Pärchen, das mehr aufeinander fokussiert ist als auf den Film, das Kind, das eigentlich noch zu jung ist für den Film, sich aber irgendwie reingeschlichen hat, die Clique von Jugendlichen, die den Film entweder kaum beachtet oder ihn ständig kommentiert, und der komische Kauz, der sich den Film ganz alleine reinzieht, den jedes Geräusch stört und der sich den Film am liebsten alleine reinziehen würde.

Mit einer Hingabe zum Splatter und einer wundervollen Detailverliebtheit liefert der uruguayische Regisseur Contenti eine Vorstellung ab, die sich sehen lassen kann. Dass der Kinosaal im Film, in dem sich eine Handvoll unterschiedlichster Menschen einen Horrorfilm (es läuft der Independent-Streifen Frankenstein: Day of the Beast) ansehen, selbst zum Schauplatz des Verbrechens wird, ahnt zu Beginn noch keiner der Anwesenden.

Red Screening

Hommage an das Genre-Kino

Spätestens, wenn die panischen Kinogänger, verfolgt vom gesichtslosen Killer, am Poster von Dario Argentos Opera vorbei hetzen, sollte jedem Genre-Liebhaber das Herz aufgehen. Und dabei wirkt nichts aufgesetzt – alles ist so wie es sein soll: schlicht, aussagekräftig, charmant, intelligent, humorvoll und vor allem eine Verbeugung vor den ganz Großen des Genres.

Diese blutige Vorstellung ist ein Muss für jeden Horror-Fan, die nicht vor einem Low-Budget-Giallo zurückschrecken. Schon während der verheißungsvollen Eingangsszene, in der der Mörder ganz wunderbar eingeführt wird, etabliert Regisseur Contenti eine Atmosphärengemisch aus Suspense, Grauen und Heidenspaß.

Und das Beste und zugleich Schlimmste: Die Sehnsucht nach dem Kino wird geradezu ins Unermessliche gesteigert. Hoffen wir, dass die Pforten bald wieder öffnen und bis dahin lassen wir die Untaten dieses Killers sprechen, der zur Strecke gebracht werden und aus dem Lichtspielhaus vertrieben werden muss: Vorhang auf, Messer und Popcorn raus und – Film ab!

 

Bewertung

Grauen Rating: 1 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  Rating: 3 von 5
Unterhaltung  Rating: 4 von 5
Anspruch  Rating: 2 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Seit 23.04.2021 im Handel:

Red Screening

Bildquelle: Red Screening © Pierrot Le Fou

Horrorfilme…legen das Verborgene offen. Sie bieten dem Unbewussten, dem Verdrängten, der Angst und allem, was einem intuitiv zuwider scheint, eine Bühne und leisten dabei einzigartiges: Der Schrecken wird ansehnlich, das Böse wird schön und das Ungreifbare wird greifbar. Für mich ist der Horror ein wunderbares Genre, das in der Masse geradezu lächerlich unterschätzt wird.

...und was meinst du?