Hunted
Kritik

Hunted (2020) – Review

Hunted verspricht einen grimmigen und märchenhaften Survival-Thriller und frischen Wind für das Rape-Revenge-Genre. Wir haben uns mit Rotkäppchen auf die Suche nach dem großen, bösen Wolf gemacht.

Originaltitel: Hunted
Land: Belgien/Frankreich/Irland
Laufzeit: 87 Minuten
Regie: Vincent Paronnaud
Drehbuch: Vincent Paronnaud, Léa Pernollet
Cast: Lucie Debay, Arieh Worthalter, Ciaran O’Brien u.a.
VÖ: Ab 21.05.2021 im Handel

Von Menschen und Wölfen

Vincent Paronnauds Survival-Thriller Hunted beginnt angenehm erfrischend mit einer Mutter und ihrem Sohn am Lagerfeuer, wo die Mutter die Legende vom Wolfsmädchen erzählt. Überaus kunstvoll animiert lernen wir, dass die Gesellschaft von Wölfen oftmals der von Menschen zu bevorzugen ist. Eine perfekte Einstimmung für einen mythisch angehauchten, märchenhaften Film.

Hier macht uns Paronnaud jedoch zunächst einen Strich durch die Rechnung, denn die verträumte Stimmung mitten im vom Feuer erhellten nächtlichen Wald weicht einem tristen Wohnbauprojekt, für das Eve (Lucie Debay) als Bauleiterin zuständig ist. Doch der Job ist stressig und der Freund zuhause nervt, weshalb sich Eve in einer Bar einen Drink zum Runterkommen genehmigt. Es dauert nicht lange und schon werden ihr unerwünscht Avancen gemacht – von dem Typ Mann, für den Nein grundsätzlich Ja bedeutet und dessen Interesse sehr schnell in offene Feindseligkeit umschlagen kann. Dies bleibt jedoch nicht unbeobachtet und so macht sich schon ein aufmerksamer Gast auf, um Eve von ihrem Belästiger zu befreien.
Für die junge Frau eine willkommene Gelegenheit für einen Flirt und einen ausgelassenen Abend, der ihr die  gewünschte Ablenkung von ihren alltäglichen Sorgen bringen soll. Wie wir schon zu Beginn gelernt haben, ist Menschen aber nicht zu trauen und ehe sie sich versieht, spürt Eve die Klauen der Bestie, mit der sie noch kurz zuvor geflirtet hat. Doch die Nacht ist noch jung und der Überlebenskampf der rotgewandeten Eve hat gerade erst begonnen …

Zwischen grimmig und märchenhaft

In diesen ersten Szenen wandelt Paronnaud auf den Pfaden von Rape-Revenge-Urgesteinen wie Ich spuck‘ auf dein Grab oder Das letzte Haus links und weiß dabei geschickt mit den Erwartungen des Publikums zu spielen, so wie die Jäger mit ihrer potentiellen Beute. Wenn über die Videokamera-Aufnahmen der Killer Folterszenen von einem früheren Opfer zu sehen sind, dann erinnert das zuweilen sogar an die Grimmigkeit eines Henry: Portrait of a Serial Killer oder den davon inspirierten August Underground – auch wenn die sadistischen Brutalitäten hier eher angedeutet werden, trägt dies doch sehr zur düsteren Terror-Atmosphäre bei.

Hunted

Während sich dies alles noch im urbanen Gebiet abspielt, schlägt Hunted plötzlich ganz andere Töne an, als sich die Hetzjagd in die tiefen Wälder verlagert. Und das ist dann leider schon der Moment, an dem das ganze Konstrukt ordentlich ins Wanken gerät. Denn Paronnaud reicht es nicht aus, einfach nur einen fiesen Rape-Revenge-Thriller zu präsentieren, sondern er ist bemüht diesen mit mythischen Verweisen zu veredeln. So bekommt der Wald ein märchenhaftes Eigenleben und nicht nur die Kamera ist plötzlich vermehrt an Fauna und Flora interessiert, sondern auch ein Potpourri an Waldtieren steht Rotkäppchen immer mal wieder helfend zur Seite – im Grunde fehlt nur noch, dass diese auch noch anfangen zu sprechen. Doch Eve fühlt sich offenbar so gar nicht märchenhaft und so scheint das zauberhafte Waldleben für sie eher wenig von Interesse zu sein. Dieser Eindruck mag aber auch deshalb entstehen, weil sich das Drehbuch so gar nicht um seine Heldin schert und sich stattdessen lieber seinem misogynen, pornosüchtigen Antagonisten hingibt. Der erinnert in seinen besten Momenten, insbesondere zu Beginn des Films, zwar durchaus an David Hess‘ Charakter aus Das letzte Haus links, wird aber im Laufe des Films derart überzeichnet, dass die Stimmung vermehrt ins Groteske zu kippen droht. Insbesondere einige Szenen zwischen ihm und seinem Handlanger sind geradezu cartoonartig absurd, was der düsteren Atmosphäre alles andere als zuträglich ist.

Hunted

Verwirrt und vom Weg abgekommen

So irrt Hunted vollkommen verwirrt und orientierungslos durch den düsteren Wald und lässt allen Ernstes einfach mal so eine Hand voll Paintball-Spieler:innen durchs Dickicht rennen, nur damit der Film seiner Heroine blaue Farbe ins Gesicht klatschen kann. Diese spielt im Film natürlich überhaupt keine Rolle, passte aber offenbar gut ins Poster- und Coverkonzept. Und das erscheint mir allgemein symptomatisch dafür, was bei Hunted nicht funktioniert. Paronnaud und Ko-Autorin Léa Pernollet scheinen nicht so richtig zu wissen, wo die Reise hin gehen soll, und so ergießen sich die Früchte des Brainstormings wahllos über den Film, mit hanebüchenen Begründungen für deren Existenz und ohne wirklich in das Worldbuilding eingebettet zu sein.

Das ist vor allem deswegen so enttäuschend, weil Hunted immer wieder Versprechungen macht, die er nicht im Stande ist zu halten. Schlussendlich bekommen wir nämlich weder einen grimmigen und räudigen Exploitationer, noch eine in märchenhafte Allegorien gekleidete Rape-Revenge-Adaption von Rotkäppchen. Wodurch schlussendlich trotz all der wunderschönen Einstellungen und packenden Szenen, doch nur der fahle Geschmack einer verpassten Chance bleibt.

 

Bewertung

Grauen Rating: 2 von 5
Spannung Rating: 2 von 5
Härte  Rating: 1 von 5
Unterhaltung  Rating: 1 von 5
Anspruch  Rating: 1 von 5
Gesamtwertung Rating: 2 von 5

Ab 21.05.2021 im Handel:

Bildquelle: Hunted © Pandastorm

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?