The Apartment
Kritik

The Apartment: Willkommen im Alptraum (2019) – Review

In The Apartment versucht eine schüchterne junge Frau, in einem scheinbar perfekten Apartmentkomplex ein neues Leben zu beginnen, und muss bald darauf feststellen, dass die anderen Bewohner:innen ein schockierendes Geheimnis hüten.

Originaltitel: 1BR
Land: USA
Laufzeit: 90 Minuten
Regie: David Marmor
Drehbuch: David Marmor
Cast: Nicole Brydon Bloom, Giles Matthey, Taylor Nichols u.a.
VÖ: Ab 15.10.2020 auf Blu-ray und DVD

Inhalt

Sarah (Nicole Brydon Bloom) entscheidet sich nach dem Tod ihrer Mutter für einen Neustart in Los Angeles, denn das Verhältnis zu ihrem Vater ist zerrüttet und in der florierenden Metropole glaubt sie ihre Träume verwirklichen zu können. Doch bekanntlich ist aller Anfang schwer und so sitzt Sarah erst einmal in einem billigen Hotelzimmer fest, während sie nebenbei in einer Anwaltskanzlei als Aushilfe arbeitet. Eine Freundin findet sie in ihrer aufgeweckten Kollegin Lisa (Celeste Sully), die sie in ihren Zukunftsplänen unterstützt. Schließlich ergattert sie unter zahlreichen Mitbewerben sogar ein bezahlbares Apartment in einem geschlossenen Wohnkomplex. Doch alles scheint zu schön, um wahr zu sein: großartige Lage, geräumige Zimmer und überfreundliche Nachbarn, die gemeinsame Unternehmungen organisieren. Nach anfänglicher Euphorie stellt sich alsbald Ernüchterung ein, denn penetrante nächtliche Geräusche rauben Sarah den Schlaf und bedrohliche Zettelbotschaften machen ihr Angst. Erst als es zu spät ist, stößt Sarah auf die schreckliche Wahrheit hinter der liebenswürdigen Fassade und muss schmerzhaft erkennen, dass die Gemeinschaft nicht so ideal ist, wie sie anfangs erschien.

Kritik

Der stetige Strom von Neuankömmlingen aus der ganzen Welt und die Weitläufigkeit verleihen Los Angeles seit jeher eine Atmosphäre von Anonymität und Isolation. In seinem Spielfilmdebüt ist es Regisseur David Marmor möglich, aus eigenen Erfahrungen zu schöpfen, da er ebenfalls als einer von vielen mit Anfang Zwanzig in die Metropole übersiedelte und in einem Gebäudekomplex lebte, ähnliche dem im Film. Diese persönliche Note verbindet Marmor mit der langen Tradition Kaliforniens als Brutstätte für Kulte, New-Age-Modeerscheinungen oder sektenähnlichen Selbsthilfeorganisationen zu einer Parabel über Gemeinschaft, Zugehörigkeit und die damit verbundenen Opfer. So ist ein Großteil der Geschichte von kommunalen (religiösen) Gemeinschaften inspiriert, insbesondere Synanon. Die in den 50ern gegründete Selbsthilfeorganisation für Drogenabhängige entwickelte sie sich in den 70er zu einer neu-religiösen Bewegung, die Anfang der 1990er ihr Ende nahm. Aber auch Anlehnungen an die Manson-Family sind zu spüren. Diese lose Verknüpfung mit der Realität bietet eine solide Grundlage für einen real-erfassbaren Schrecken.

The Apartment

Auf den ersten Blick sieht die Gemeinschaft innerhalb des Komplexes wie das aus, was Sarah vermisst: Alle achten aufeinander und verbringen freie Zeit zusammen. Die neuen Nachbarn überfluten die junge Frau zunächst geradezu aggressiv mit Hilfsangeboten und Einladungen zu Partys und Grillabenden, aber bereits diese frühen Sequenzen zeigen die Bedrohlichkeit dieser übermäßig freundlichen Personen. The Apartment erfasst sehr gut ein Ersticken an erzwungener Integration eines freien Individuums in eine untrennbar soziale Einheit. Als Wegweiser der Gemeinschaft dient das Buch „The Power of Community“ des bereits verstorbenen Charles D. Ellerby, ein Verweis auf den Scientology-Gründer Ron Hubbard, der sich wie sein filmisches Pendant ebenfalls intensiv mit Verhaltenspsychologie beschäftigte und mit „Dianetics“ eine Anleitung für die Praktiken der Bewegung schrieb. Denn auch wenn die Bewohner der Wohneinheit von unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit und Sexualität sind, vereint sie die Ideologie ihres Gründervaters. In einem selbstüberwachten Panoptikum kommt es zu einer völligen Vernichtung der Individualität zugunsten der Gemeinschaft. Damit diese hermetisch abgeriegelte Albtraumwelt funktioniert, bedarf es nicht nur Vertrauen und Kommunikation, sondern auch einer Gehirnwäsche und systematischer Konditionierung. Sequenzen der physischen und psychischen Folter der potenziellen Mitglieder erzeugen ein Gefühl der völligen Hilflosigkeit und Verzweiflung. Der lange Prozess, durch den die Menschen abgebaut und in konformer Manier wieder aufgebaut werden, ist erschreckend glaubwürdig, da die Waffen hierfür in jedem Zuhause zu finden sind.

The Apartment

Dieses „Zuhause“ wird von Kameramann David Bolen und dessen schwermütiger, klaustrophobischer Kinematografie charakterisiert. Gemeinsam mit Marmor nutzt er die begrenzte Ressource des hellbraunen Apartmentkomplexes, um auch in den sonnigsten Minuten ein beklemmendes Gefühl zu vermitteln. Mehrfamilienhäuser haben eine grundlegende Unheimlichkeit – es soll das Heim eines Menschen sein, aber man ist gleichzeitig von Fremden umgeben. Keiner der Mieter kennt das ganze Gebäude. Und auch Sarah wird dieses quälende Gefühl nicht los, dass die Wohnung nicht ihr Zuhause ist. Nicole Brydon Bloom leistet hervorragende Arbeit in ihrer Rolle und bietet den Zuschauer:innen in einer Kombination aus Intelligenz und Unsicherheit eine Identifikationsfigur. Sie zeigt, wie Individuen innerhalb einer Gesellschaft verloren gehen können. Sarah ist eine junge Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen will, und die Umstände zwingen sie, verschiedene emotionale Stadien zu durchlaufen, sodass die Entwicklung und Schwächen der Figur sichtbar werden. Dabei überfordert Marmor weder Hauptdarstellerin noch Figur.

The Apartment

Unterstützung bekommt Bloom von einer starken Nebenbesetzung, die dank der vielfältigen Figuren nicht nur Spannung, sondern auch kollektiven Grusel hervorruft. Von der älteren Generation des ehemaligen Filmstars über die Ärztin mittleren Alters bis hin zum jungen Nachbarn fühlt sich der Komplex wie jedes gewöhnliche Wohnhaus an, was es umso beängstigender macht. Susan Davis als Miss Stanhope ist besonders denkwürdig als vergessener B-Movie-Star, ohne Familie außerhalb des Wohnkomplexes bot sie eine mütterliche Präsenz für Sarah. Ebenfalls hervorzuheben ist Taylor Nichols als Jerry, der mit Glaubwürdigkeit den Spagat zwischen liebevoller Vaterfigur und starrem Anführer meistert. Sein sanftes Auftreten entwaffnet nicht nur Sarah und er besitzt eine unheimliche Ausstrahlung, die von freundlich und einladend bis hin zu gefühllosem Monster reicht. Auf eine verstörende Weise bleibt er selbst in seinen dunkelsten Momenten erschreckend charismatisch.

The Apartment

Fazit

Filme sind manchmal so einfach, wie sie sein müssen. The Apartment bietet keine aufwendigen Versatzstücke oder verrückten Wendungen, niemals versucht der Film etwas zu sein, was er nicht ist. Marmor erneuert alte Themengebiete und indem er Fiktion und Realität miteinander verknüpft, bietet der Streifen gleichzeitig eine interessante Sicht auf das moderne Gesellschaftsleben. Er impliziert, dass Menschen diese alarmierende Alternative der isolierenden Realität vorziehen könnten. Damit bietet The Apartment ausgestattet mit hervorragenden Darsteller:innen eine erschreckende Geschichte über Einsamkeit, Paranoia, Unabhängigkeit und Identität in einer bedrohlichen Umgebung.

 

Bewertung

Grauen rating4_5
Spannung rating4_5
Härte Rating: 3 von 5
Unterhaltung Rating: 3 von 5
Anspruch Rating: 2 von 5
Gesamtwertung rating4_5

Ab 15.10.2020 im Handel:

The Apartment The Apartment

Bildquelle: The Aparment © Koch Media

Horrorfilme… sind für mich eine Möglichkeit, Angstsituationen zu erleben, ohne die Kontrolle zu verlieren. Es ist eine positive Art der Angst, da sich ein Glücksgefühl einstellt, sobald man die Situation durchgestanden hat. Es ist nicht real – könnte es aber sein. Das ist furtchteinflößend und gleichzeitig faszinierend.

...und was meinst du?