Der Exorzist
Kritik

Leap of Faith: William Friedkin on The Exorcist (2019) – Review

Das Bild der Erbsensuppe-speienden Linda Blair hat sich einer ganzen Generation von Kinogänger:innen eingebrannt und auch fast fünfzig Jahre später hat Der Exorzist nichts von seiner Faszinationskraft eingebüßt. In seiner Dokumentation Leap of Faith nimmt Alexandre O. Philippe uns mit hinter die Kulissen des Kultfilms und in den Geist von dessen Regisseurs William Friedkin.

Originaltitel: Leap of Faith: William Friedkin on The Exorcist
Land: USA
Laufzeit: 104 Minuten
Regie: Alexandre O. Philippe
Drehbuch: Alexandre O. Philippe
Cast: William Friedkin

Inhalt

Der Filmemacher William Friedkin sitzt in seinem behaglich eingerichteten Wohnzimmer, im Hintergrund ein knisternder Kamin, und nimmt uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Dieses denkbar unspektakuläre Setting wird zum Auftakt einer Expedition ins Herz eines der Meisterwerke des Horrorkinos, eines der am kontrovers diskutierten Werke der Filmgeschichte. Im Interview mit Alexandre O. Philippe, der sich in den vergangenen Jahren u.a. mit den Dokumentationen 78/52 – Die letzten Geheimnisse von Psycho und Memory: The Origins of Alien einen Namen machte, taucht Friedkin noch einmal tief in den Schaffensprozess zu Der Exorzist ein und teilt seine Erinnerungen, seine Intentionen und einiges an Hintergrundinformationen, so dass auch für Die-Hard-Fans noch einige Überraschungen bereitstehen dürften.

Kritik

Seinen ersten Kinobesuch im Alter von sieben Jahren beschreibt Friedkin als Initiationsritus. Für den Jungen, der gemeinsam mit seinen Eltern in einer Einzimmerwohnung lebte, tat sich eine vollkommen neue, magische Welt auf: erschreckend, aber auch ungemein faszinierend. Als ein Freund ihn Jahre später mit in eine Mittagsvorstellung von Citizen Kane nimmt, ist es um den jungen Mann geschehen. Erst weit nach Mitternacht verlässt er das Kino und hat beschlossen, ebenfalls Filmemacher zu werden. Auch wenn Friedkin hier Legendenbildung in eigener Sache betreiben mag, zeichnen sich bereits früh in seinem Leben – retrospektiv betrachtet – zwei Kernmotive seines weiteren Schaffens ab: Glaube und Schicksal.

Leap of Faith

„Ich glaube fest an Schicksal.“, gibt Friedkin zu und erinnert sich, wie er den Exorzist „mit der Intuition eines Schlafwandlers“ gedreht habe. Manche künstlerischen Entscheidungen scheinen ihm auch knapp fünfzig Jahre später noch unerklärlich – beinahe als seien „unbewusste Kräfte“ am Werk gewesen. Eines allerdings wird im Verlauf der Dokumentation ebenso deutlich und das sind die zahllosen Einflüsse aus Film, Musik und Malerei, von denen Friedkin sich – ganz bewusst – inspirieren ließ. Obwohl er selbst nur wenige konkret benennt – darunter Theodor Dreyers Filmdrama Ordet, das er vor allem für dessen elegante Einfachheit schätzt, oder René Magrittes surrealistisches Ölgemälde „Das Reich der Lichter“, das zur Vorlage für die wohl ikonischste Einstellung des Films wurde – ergibt sich aus seinen Ausführungen und Querverweisen ein umfassender künstlerischer Kanon des zwanzigsten Jahrhunderts.

Leap of Faith

Einem Bewusstseinsstrom gleich, folgt die Dokumentation Friedkins Erinnerungen. Die einzelnen Mosaikstücke fügen sich nach und nach zu einem komplexen Bild des Entstehungsprozesses zusammen, wobei auch die kreativen Rückschläge nicht ausgespart werden. Im Verlauf der Produktion verscherzte Friedkin es sich gefühlt mit halb Hollywood, um an seiner künstlerischen Vision festhalten zu können. So enthüllt er, dass Drehbuchautor William Peter Blatty bereit war, alles zu tun, wenn Friedkin ihn nur die Rolle des Pater Karras würde spielen lassen, doch der lehnte unbeeindruckt ab: „Er war einfach nicht dieser Typ.“ Für den Soundtrack konnte Friedkin zunächst Bernard Herrmann (Psycho) gewinnen, doch nachdem der Komponist bei ihrem ersten Zusammentreffen davon sprach, eine Kirchenorgel für den Score einsetzen zu wollen, bedankte Friedkin sich höflich für das Kennenlernen und ließ den verdutzten Herrmann zurück – der Vorschlag erschien ihm zu klischeebelastet und damit war das Thema für ihn erledigt.

Leap of Faith

Auch die Darsteller:innen bekamen die teils unkonventionellen Methoden des Regisseurs zu spüren, der beim Dreh schon mal eine Waffe abfeuerte oder jemanden ins Gesicht schlug, um die gewünschte emotionale Reaktion hervorzubringen. Auf kritische Rückfragen von Interviewpartner Philippe wartet man in solchen Momenten leider vergebens, so auch als Friedkin erzählt, dass Mercedes McCambridge, die der besessenen Regan ihre Stimme lieh, dafür exzessiv rauchte, trank und rohe Eier schluckte. Doch in diesen Versäumnissen steckt zugleich eine Stärke der Dokumentation, die einen ungefilterten Einblick in den Geist William Friedkins zulässt – ein essayistisch anmutender Monolog, dem man ewig zuhören könnte.

Fazit

In der Dokumentation Leap of Faith nimmt Regisseur William Friedkin ausnahmsweise einmal vor der Kamera Platz und unterhält Genre-Fans knapp anderthalb Stunden mit bekannten und weniger bekannten Geschichten rund um die Entstehung seines Meisterwerks Der Exorzist. Information und Unterhaltung gehen dabei Hand in Hand, so dass die Zeit im Nu verfliegt und die Dokumentation nicht nur Film-Nerds sehr ans Herz gelegt werden kann.

 

 

Bewertung

Grauen Rating: 0 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  Rating: 0 von 5
Unterhaltung  Rating: 5 von 5
Anspruch  Rating: 4 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Bildquelle: Leap of Faith: William Friedkin on The Exorcist © Exhibit A Pictures

Horrorfilme… sind die Suche nach Erfahrungen, die man im echten Leben nicht machen möchte. Sie bilden individuelle wie kollektive Ängste ab, zwingen uns zur Auseinandersetzung mit Verdrängtem und kulturell Unerwünschtem – und werden dennoch zur Quelle eines unheimlichen Vergnügens.

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