Filmfestivals
Filmfestival

Filmfestivals in Zeiten von Corona

Die Kultur- und Veranstaltungsbranche wurde von den Corona-Maßnahmen besonders hart getroffen und auch die gesamte Kinolandschaft hat gelitten. Doch wie sieht es mit den Genre-Festivals aus? Wir waren vor Ort – soweit dies möglich war.

Es sind gerade die zahlreichen Filmfestivals, bei denen der Genrefilm so richtig zelebriert wird. Hier geht es nicht nur um bloße Berieselung, hier ist Film Passion. Dementsprechend glänzen viele Festivals nicht nur durch spannende und vielfältige Filme, sondern vor allem auch durch ein Rahmenprogramm, das dazu einlädt sich tiefergehend mit der Materie zu beschäftigen, die Kunstform zu fördern und ins Gespräch zu kommen. Alles nicht so einfach, wenn gerade eine Pandemie den Globus beherrscht und ein geselliges Zusammenkommen auf kleinem Raum das Letzte ist, was wir gerade tun sollten.

Daher war die diesjährige Festivalsaison auch sehr eingeschränkt. Während des Frühjahrs und Sommers konnten Veranstaltungen kaum stattfinden und auch im Herbst war dies nur begrenzt möglich. Die Fantasy Filmfest Nights und das Japan-Filmfest Hamburg wurden nach hinten verschoben, das Slash einhalb in Wien fiel gänzlich ins Wasser und auch das Obscura in Hannover wurde gestrichen. Es war ein äußerst trostloser Sommer für die Festivalbesucher:innen, der wenig Aussicht darauf zuließ, wie es im Herbst aussehen würde.

Filmfestivals: Hardline
Das HARD:LINE macht deutlich, was es davon hält.

Für die Festivalbetreiber:innen stellte sich natürlich die Frage, ob sich die Veranstaltungen überhaupt lohnen würden und zu welchen Konditionen und in welcher Form das überhaupt möglich sein würde. Die Antworten darauf fielen unterschiedlich aus.

Das Japan-Filmfest Hamburg entschied sich dazu die Hygienebestimmungen komplett zu umgehen und das Festival gänzlich online stattfinden zu lassen. Vom 19. August bis zum 02. September konnte man sich Codes für einzelne Filme oder gleich einen kompletten Festivalpass für alle Filme sichern. Je nach Lizenz waren die Streamingangebote dabei weltweit abrufbar oder nur auf Deutschland beschränkt. Durch die Unabhängigkeit von Lokalitäten war es dem Festival möglich eine riesige Bandbreite an Filmen anzubieten und wenig Kompromisse bei der Filmauswahl treffen zu müssen. Über Interviews, Videobotschaften und gestreamte Diskussionen wurde versucht das Rahmenprogramm vor Ort zu ersetzen, was allerdings nur teilweise gelang. Dennoch waren für uns einige Perlen dabei, die wir euch in unseren Empfehlungen zum Japan-Filmfest Hamburg präsentiert haben.

Filmfestivals: Japan-Filmfest Hamburg

Den konträren Weg beschritten das Randfilmfest in Kassel und das Slash Filmfestival in Wien. Hier wollte man auf den Begegnungsraum Kino keinesfalls verzichten. Christoph Langguth von Randfilm sagte uns dazu im Gespräch: „Film ist multimedial und braucht für das beste Erlebnis einen strengen Raum jenseits der Ablenkung. Kino kann das am besten bieten.“ und Slash-Festivalleiter Markus Keuschnigg verriet uns vor Ort in Wien, dass eine Streaming-Lösung für sie nie in Betracht gekommen wäre. So lautete dann das inoffizielle Motto auch „Less Streaming More Screaming!“ Doch um coronabedingte Änderungen kam man natürlich dennoch nicht umhin. Wien wurde kurz zuvor noch von der deutschen Regierung zum Risikogebiet erklärt, wodurch alle deutschen Gäste absagen mussten, und die Kinos waren geprägt von MNS-Masken, kontaktlosem Fiebermessen und nur halbvollen Sälen.

Filmfestivals: Slash Filmfestival
Diese netten Gesellen sorgten beim Slash Filmfestival in Wien für den nötigen Abstand © Mercan Sümbültepe

Das Hardline-Filmfestival in Regensburg entschied sich für eine Hybrid-Variante und bot sein vielfältiges Programm vor Ort wie auch als Stream an. Die Filme waren dabei zuerst im Kino zu sehen und standen einen Tag später für 24 Stunden als Stream zur Verfügung – mit Ausnahme des Überraschungsfilms Come True und Psycho Goreman, die nur im Kino bewundert werden konnten. Doch das Chaos forderte hier auch seinen Tribut: Das Hardline setzt 2021 aus und wird erst wieder 2022 in seiner neunten Ausgabe am Start sein. Unser Autor Jonathan war vor Ort und hat für das Magazin Kult seine Eindrücke zu Papier gebracht.

Auf die Schwierigkeiten in Zeiten von Corona angesprochen, erzählte uns der Co-Director des Fantasy Filmfestivals, Artur Brzozowski, dass das Hauptproblem die Unsicherheit sei, da man nicht wusste wie die Hygiene-Regeln beim Festival aussehen werden und ob das Publikum überhaupt kommen würde. Erst durch den Erfolg der FFF Nights entschied man sich das Festival in einer stark abgespeckten Form durchzuführen. Dieses fand wieder in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Nürnberg und Stuttgart statt, allerdings nur über fünf statt zehn Tage und mit nur 21 Filmen anstelle der üblichen über 50. Das Festival war dann auch hier geprägt von erhöhten Sicherheitsmaßnahmen und nur halb gefüllten Kinos.

Filmfestivals: Slash Filmfestival
Unsere Autoren Heike und Florian beim Festivalbesuch in Wien © Peter Griesser | www.petergriesser.com

Abspecken musste auch das Obscura Filmfest, das gewöhnlich in Hannover und Berlin stattfindet. Das Hannoveraner Festival wurde ersatzlos gestrichen und soll erst 2021 wiederkommen. In Berlin soll das Festival für den „Arthouse freien Genrefilm“ wie schon im Vorjahr auf zwei Tage verkürzt stattfinden. Am 30. Oktober wird im Kino in der Königstadt The Hunt gezeigt und am 31. Oktober folgen einige Deutschlandpremieren: ein argentinisches Endzeit-Double-Feature bestehend aus Soy Tóxico und Scavenger, die drogeninduzierte Zombiekomödie Ravers, der Low-Budget-Sci-Fi-Actioner Kill Mode und der Anthologie-Horror Asylum: Twisted Horror and Fantasy Tales.

Das Genrekino lässt sich also auch durch eine Pandemie keineswegs unterkriegen – und wer hätte uns all die Dekaden besser auf die Situation vorbereiten können als die unzähligen Horror- und Science-Fiction-Filme? Daher geht unser Dank an all die fleißigen und unermüdlichen Festivalveranstalter:innen, die trotz aller Widrigkeiten dafür gesorgt haben, dass unter Einhaltung aller gesundheitlichen Vorsichtsmaßnahmen der Genrefilm lebendig bleibt und das abseitige Kino unters Volk gebracht wird.

Titelbild: Slash Eröffnung 2020 © Mercan Sümbültepe

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?