Motherhood
Kritik

Motherhood (2019) – kurz & schmerzhaft

Mit seinem Regiedebüt Motherhood bricht Tatsurō Manno das Tabu um Eingriffe in die körperliche Selbstbestimmung junger Frauen in psychiatrischer Behandlung. Wir durften uns den aufrüttelnden Kurzfilm im Rahmen des Japan-Film-Fest Hamburg 2020 genauer ansehen.

Originaltitel: Motherhood
Land: Japan
Laufzeit: 20 Minuten
Regie: Tatsuro Manno
Drehbuch: Tatsurō Manno, Saki Matsumoto
Cast: Aki Maeda, Takuji Kawakubo, Taijirô Tamura u.a.

Inhalt

Die schwangere Mia stürzt von der Treppe eines Schreins und findet sich im Jahr 1994 in einer Nervenheilanstalt wieder. Ihr droht eine Zwangsabtreibung gemäß dem „Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses und zum Schutz der Mütter“. Gelingt ihr die rettende Flucht zurück in die Zukunft?

kurz & schmerzhaft

In Motherhood konfrontiert uns Regisseur Tatsurō Manno mit einer düsteren, nicht allzu fernen Vergangenheit Japans. Das „Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses und zum Schutz der Mütter“ war bis 1996 in Kraft und führte zu über 16.000 Zwangsabtreibungen und -sterilisationen. Gerade im Hinblick darauf, dass die Gründe für die Einweisung in solche Anstalten neben diagnostizierten Krankheiten auch von den moralischen Vorstellungen der Gesellschaft geprägte Schicksale junger oder alleinstehender Frauen umfasste, steht der tabuisierte reale Horror diesem Kurzfilm in nichts nach.

Die eingesetzten Science-Fiction-Elemente verwässern keinesfalls die Botschaft, vielmehr verstärken sie das drohende Grauen gezielt. Manno gelingt es zudem, durch den präzisen Einsatz der Belichtung Atmosphäre zu erzeugen, in der die Charaktere in ihren Rollen glänzen können. Die Sprünge zwischen den satten Farben der harmonischen Zukunft und den tristen, vergilbten Farben der Vergangenheit intensivieren das emotionale Wechselbad der Gefühle, welches Hauptfigur wie Zuschauer*innen gleichermaßen durchlaufen. Mia (Aki Maeda, Battle Royale) versteht es, die Erfahrung ihrer ungewöhnlichen Zeitreise und des Ringens um ihre körperliche und elterliche Selbstbestimmung packend darzustellen. In wenigen Minuten erschafft sie eine (weibliche) Identifikationsfigur, deren Wirkung auch nach dem Film noch anhält.

Motherhood ist somit ein willkommener Versuch ein kaum bekanntes Tabu aufzudecken und ein Schweigen zu brechen, das aktueller ist, als es uns lieb ist.

Gesamteindruck

Rating5_5

Horrorfilme… sind die Spannung und das Spiel mit menschlichen Abgründen, ein Spiegel der Gesellschaft, Zeugnis namentlicher Grauslichkeiten und Erkundung grauslicher Namenslosigkeiten. Mal tief und schwer und dann gern auch mal ein bisschen Zombie-Musical oder Blutbad dazwischen. Denn Horror und Lachflash schließen sich nicht zwingend aus.

...und was meinst du?