Kritik

Videoman (2018) – Review

Der schwedische Regisseur Kristian A. Söderström präsentiert uns mit seinem 2018 erschienenen Film Videoman einen wilden Retro-Reigen, in dem es einem vor Anspielungen auf Klassiker der Filmgeschichte schwindelig wird. Grund genug den alten VHS-Rekorder abzustauben, um herauszufinden, ob sich mehr hinter der, in schummerig-bläuliches Licht getauchten, Fassade verbirgt.

Originaltitel: Videomannen
Land: Schweden
Laufzeit: 93 Minuten
Regie: Kristian A. Söderström
Drehbuch: Kristian A. Söderström
Cast: Stefan Sauk, Lena Nilsson u.a.
VÖ: Ab 21.08. als VOD und ab 03.09.2020 als DVD/Blu-ray

Inhalt

Der VHS-Sammler und ehemalige Videothekbetreiber Ennio Midena (Stefan Sauk) steckt, seit dem unaufhaltsamen Abstieg des Video-Verleihs, in finanziellen Schwierigkeiten. Da kommt es dem gerade so funktionalen Alkoholiker gelegen, eine seltene Ausgabe von Lucio Fulcis Zombi 2 in die Finger zu bekommen. Der mysteriöse Sammler Faceless bekommt davon Wind und bietet Ennio kurz darauf 10.000 Euro für den Film. Für Ennio ist dies die Lösung seiner Probleme, doch vier Tage vor der Übergabe verschwindet das Video aus dem Keller des grummeligen Filmfreundes, und dieser ahnt, dass hier mehr auf dem Spiel steht als seine wirtschaftliche Existenz.

Kritik

Die International Movie Datatbase zählt in Kristian Söderströms Videoman dreißig explizite Referenzen an andere Filme. Zum Vergleich, die 2011er Horror-Parodie Tucker and Dale vs. Evil kommt nicht einmal auf die Hälfte. Dass der schwedische Regisseur Geschmack hat, kann bei Leibe nicht bestritten werden, doch sollte man sich nicht wundern, wenn bei ständiger Bezugnahme auf die Großen des Genres gewisse Erwartungen im Publikum geweckt werden. Finden wir heraus, ob Söderström diesen gerecht werden kann.

Die Handlung von Videoman verläuft in zwei sich immer wieder überschneidenden Strängen. Neben Ennios Suche nach dem gestohlenen Film, folgt der Streifen Simone (Lena Nilsson), von der Ennio zu Beginn das Objekt der Begierde gekauft hat. Simone, eine Frau in den Vierzigern, die in einem Job ohne Aufstiegsmöglichkeit gefangen und von ihrer erwachsenen Tochter entfremdet ist, versucht ihre Situation, ebenso wie Ennio, mit Alkohol und einer seltsamen Obsession zu bewältigen. Ihr Herz schlägt für die Mode und Musik der Achtziger. Zwischen den beiden Außenseitern entwickelt sich langsam aber unvermeidlich eine Romanze. Videoman nimmt sich hier viel Zeit für die Exposition und die Entfaltung der Charaktere, die allerdings möglicherweise etwas zu langatmig und ohne rechtes Vorankommen bewerkstelligt wird. Erst im letzten Akt sehen wir wie Ennio und Simone durch die Zuspitzung der äußeren Ereignisse, über ihren Schatten springen können und so zueinander finden.

Die doppelte Erzählung zeigt uns zwei an den gesellschaftlichen Rand gedrängte Personen, die ihren Selbstwert aus ihren „Abweichungen“ ziehen müssen, da sie von der Gesellschaft nichts mehr zu erwarten haben. Die es aber nach einer Eskalation schaffen, die Kraft zu finden ihre inneren Schranken zu überwinden. Die hier anklingende Kritik sozialer Zwänge, die Fragen nach Heterogenität und Gleichförmigkeit in einer auf Äußerlichkeiten reduzierten Welt, erscheinen interessant. Interessanter ist jedoch, dass am Ende offen bleibt, ob der Kraftakt der Selbstüberwindung die Protagonisten dazu führt, sich selbst nach ihrem Ideal zu erschaffen oder ob sie sich den vorgesehenen Rollen fügen und einfach ihre Funktion erfüllen. Diese Offenheit erscheint etwas irritierend, reiht sich jedoch ein in eine Abfolge von seltsamen narrativen Entscheidungen, die häufig wie ein uninspirierter, kurzer Ausweg erscheinen. Ein Beispiel wäre eine Situation in der Ennio in einem Parkhaus von vermummten Gestalten verfolgt wird und der Situation entrinnt, in dem er vor einen Betonpfosten läuft und am nächsten Tag an gleicher Stelle aus der Bewusstlosigkeit erwacht. Dieses Muster, Ansätze in faulen Auflösungen auslaufen zu lassen, wiederholt sich an mehreren Stellen, und lässt den Zuschauer ratlos zurück.

Auf der ästhetisch-stilistischen Ebene bewegt sich Söderström bevorzugt im Bereich des Detective Noir. Eine dunkle Grundstimmung, der bärbeißige, vom Leben enttäuschte Protagonist, Szenen einsamer Trunkenheit in den Stunden der Nacht all dies fügt sich recht stimmig ein, ohne das Ganze jedoch in Trübsinnigkeit zu ertränken. Videoman weiß durchaus zu unterhalten.

Gegen Ende versucht der Regisseur noch einige Giallo-Anklänge beizumischen, was zugegeben mittelmäßig gut funktioniert. Es braucht eben mehr als verwinkelte Flure, Spiele mit farbigem Licht und Schatten und maskierte Schurken mit Rasierklingen, um an die Kauzigkeit der italienischen Proto-Slasher à la Argento heranzukommen. Ein durchaus erreichbares Ziel wie die Filme des belgischen Regie-Duos Hélène Cattet und Bruno Forzani (Der Tod weint Rote Tränen) eindrücklich zeigen.

Doch auch hier finden wir wieder ein etwas seltsames Muster. Videoman spielt auf ausgesprochen viele Werke anderer Regisseure an, zeigt aber in der Umsetzung nichts anderes als einen netten Retro-Film der vor allem massives Namedropping betreibt und erscheint als wolle er den Geschmack des Regisseurs präsentieren, bleibt dabei selbst aber bei wenig inspirierten Rezepten und setzt keine besonderen Akzente. Selbst der Soundtrack, der natürlich nicht ohne Synthies und platschende Snare auskommt, wirkt vor allem eins: generisch.

Fazit

Kristian A. Söderströms Videoman basiert auf einem Gemisch aus Retro-Ästhetik und Bezügen auf Genregrößen, die mit Anklängen sozialer Reflektion und verschiedenen Stilelementen aus der Filmgeschichte vermengt werden. Dies erscheint vielleicht etwas unübersichtlich, der Genremix aus Thriller und Sozialdrama, funktioniert jedoch recht gut. Dennoch bleiben am Ende vor allem oberflächliche Referenzen und ein etwas sinnlos erscheinendes Retroflair, das mithin einige narrative Schwächen aufweist. Dies soll nicht heißen, dass der Film nicht unterhaltsam sei, das ist er durchaus. Vor allem wer gerne auf Easteregg-Suche geht oder es einfach genießt zu schauen wie viele Anspielungen er versteht, wird seine Freude an Videoman haben.

 

Bewertung

Grauen Rating: 1 von 5
Spannung Rating: 2 von 5
Härte Rating: 2 von 5
Unterhaltung Rating: 3 von 5
Anspruch Rating: 3 von 5
Gesamtwertung Rating: 3 von 5

Ab 03. September 2020 im Handel:

Videoman Videoman

Bildquelle: Videoman © Tiberius Film

Horrorfilme… sind für mich das Erkennen, Überschreiten und Herausfordern von gesellschaftlichen Grenzen durch abgründige Ästhetik und damit Kunst in ihrer reinsten Form. Vor allen Dingen machen sie aber einfach unfassbar Spaß.

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