True History of the Kelly Gang
Kritik

True History of the Kelly Gang (2019) – Review

True History of the Kelly Gang ist die Adaption des gleichnamigen Romans von Peter Cary. Wir haben uns auf die Spuren des berühmt-berüchtigten australischen Outlaws Ned Kelly begeben.

Originaltitel: True History of the Kelly Gang
Land: Australien
Laufzeit: 124 Minuten
Regie: Justin Kurzel
Drehbuch: Shaun Grant
Cast: George MacKay, Essie Davis, Nicholas Hoult u.a.
Vorlage: Roman „True History of the Kelly Gang“ von Peter Carey

Vorwort

True History of the Kelly Gang ist der erneute Versuch die Lebensgeschichte des legendären Outlaws Edward Kelly auf die Leinwand zu transferieren. Anders als alle anderen Filme zuvor, basiert dieser jedoch nicht auf wahren Geschehnissen, sondern ist vielmehr die Umsetzung des gleichnamigen Romans von Peter Cary aus dem Jahre 2000. Cary lässt in seinem Roman Kelly selbst zu Wort kommen, um seine eigene Interpretation der Ereignisse zu erzählen, die ihn vom Sohn eines irischen Strafgefangenen zu Australiens berühmtesten Freiheitskämpfer und Verbrecher werden lässt. Der Roman verweist, ebenso wie der Film, schon im Vorfeld darauf, dass es sich bei hierbei um eine fiktionale Geschichte handelt, die sich, bis auf wenige historisch korrekte Eckpfeiler, von der eigentlichen Lebensgeschichte Kellys unterscheidet. Dieser Umstand schmälert jedoch in keinster Weise das Vergnügen und macht True History of the Kelly Gang zu etwas ganz Besonderem. So wurde der Roman mit drei der wichtigsten Buchpreise Australiens ausgezeichnet und erhielt auch außerhalb seines Ursprungslandes weitreichende Anerkennung. 2017 begannen schließlich die Dreharbeiten zur Umsetzung des Stoffes unter der Leitung von Justin Kurzel, der mit MacBeth nicht nur eine der besseren Shakespeare-Verfilmungen hervorbrachte, sondern ebenso mit Assassins Creed eine der schlechtesten Videospielumsetzungen der letzten Jahre für sich verbuchen konnte. So blieb die Spannung hoch, wie das Endresultat aussehen würde. Glücklicherweise erwies sich der australische Regisseur als ein absoluter Gewinn, was man in jeder einzelnen Szene zu spüren bekommt.

True History of the Kelly Gang

Story

Australien im Jahre 1870. Ned Kelly ist zwölf als sein Vater von Gesetzeshütern ermordet wird. Mit 14 kommt er zum ersten Mal selbst mit dem Gesetz in Konflikt. Von nun an geht sein Leben steil bergab. Ned wird für den versuchten Mord an einen Polizeibeamten für zehn Jahre ins Zuchthaus gesperrt. Nach seiner Entlassung, geprägt von den Misshandlungen, die er während seiner Haft ertragen musste, lehnt sich Ned Kelly gegen die Gewaltherrschaft der englischen Kolonialherren auf und wird zum Outlaw. Zusammen mit seinem Bruder Dan und seinem besten Freund Joe Byrne gründet Ned die berühmt-berüchtigte Kelly Gang. Von Raubüberfällen bis hin zu Mord schrecken sie vor keiner Tat zurück. Bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem sich die Kelly Gang, eingekesselt von unzähligen bewaffneten Beamten, ihrem Schicksal ergeben.

Kritik

Wer eine handelsübliche Robin-Hood-Geschichte erwartet, in der Ned Kelly Banken ausraubt und sich wilde Schießereien mit der Polizei liefert, wird mehr als enttäuscht sein. Diese Art der Romantisierung der eigentlichen Person hat man schon in unzähligen Verfilmungen gesehen. Wie beispielsweise in Kelly, der Bandit aus dem Jahre 1970 mit Mick Jagger oder Gesetzlos – Die Geschichte des Ned Kelly aus dem Jahre 2003 mit Heath Ledger und Orlando Bloom in den Hauptrollen. Justin Kurzels Version ist vielmehr ein Indie-Drama, das sich sehr viel Zeit lässt und den Zuschauer langsam an die Entwicklung Ned Kellys zum Outlaw heranführt. Obwohl der Film die eine oder andere schonungslose und ebenso brutale Szene aufweist, sind diese rar gesät und dienen der Charakterentwicklung. True History of the Kelly Gang ist eine Charakterstudie, in der eine Menge geredet wird und jeder Satz wiegt schwer wie Blei.

True History of the Kelly Gang

Eine Besonderheit im Gegensatz zu bisherigen Verfilmungen stellt die Strukturierung dar. Obwohl der Film geradlinig aufgebaut ist, hat Kurzel die einzelnen Lebensabschnitte Kellys unterteilt: Die Kindheit, das Erwachsenenalter und das gewaltsame Ende der Kelly Gang. Im Roman selbst schreibt Ned Briefe an seine Tochter, um ihr seine Geschichte zu erzählen, was dazu führt, dass ganze Passagen aus seinem Leben in der Dunkelheit verschwinden. So bedient sich Kurzel auch hier dieser Art der Erzählung und fokussiert sich vollständig auf Kellys Perspektive und die Ereignisse, die er für wichtig erachtet zu erzählen: seine schwierige, aber dennoch innige Beziehung zu seiner Mutter, die Scham, die er für seinen Vater empfindet oder die persönliche Eingliederung in der kolonialen Gesellschaft. Bis zum bitteren Ende versucht Ned Kelly seinen Platz zu finden, in einer rauen Welt, in der Männer, Frauen und Kinder geschlagen, bedroht und missbraucht werden; einer Welt, in der nicht jeder mit seiner Abstammung zufrieden ist und in der man sich auf nichts verlassen kann. Nicht auf seine Familie und schon gar nicht auf das Gesetz.

True History of the Kelly Gang

Um dieser Geschichte Gewicht zu verleihen, benötigt es natürlich auch einen besonderen Cast und dieser hat es definitiv in sich. Von Russel Crowe (Gladiator) über Nicholas Hoult (Warm Bodies) bis hin zu Essie Davis (Der Babadook) holen alle Darsteller das Beste aus ihren Rollen heraus. Während Russel Crowe zwar nur kurz seinen massiv übergewichtigen Körper in die Kamera hält, gibt er die mit Abstand beste Performance seit langer Zeit und auch Nicholas Hoult schafft es mit Leichtigkeit seinen Charakter so zu gestalten, dass man ihn nur hassen kann. Frauenverachtend, selbstverliebt und mit einem Hang zur Zoophilie reißt Hoult als Antagonist geradezu die Aufmerksamkeit auf sich und spielt so gut wie fast jeden an die Wand. Mit einer Ausnahme natürlich: George MacKay (Das Geheimnis von Marrowbone). Für das britische Ausnahmetalent war die Rolle des Edward Kelly eine Herzensangelegenheit und das spürt man in jeder Szene. MacKay verzaubert mit jedem Atemzug und gibt der Rolle die nötige Mischung aus Verletzlichkeit, Stärke, Wehmut und Wahnsinn. Er ist der Leim, der das ganze Geschehen zusammenhält und das Buschfeuer, das die Kolonie in Flammen aufgehen lässt. Selten hat mich eine Performance so hypnotisiert wie die von George McKay.

True History of the Kelly Gang

Ebenso überzeugend wie die darstellerische Leistung zeigt sich die optische Gestaltung. Die mehrfach ausgezeichnete Kamerafrau Ari Wegner (In Fabric) kreierte mittels einer trist gehaltenen Farbpalette eine unwirklich wirkende Kulisse aus Trostlosigkeit, die gekonnt die Ausweglosigkeit der einzelnen Charaktere widerspiegelt. Die Kamera schwenkt immer wieder über verdorrte Landschaften und toten Bäumen, die Gedanken an die Apokalypse hervorrufen. Schönheit und Leben sucht man vergebens in dieser Welt aus Rohheit, Verzweiflung und Inhaltslosigkeit. Und wenn sich Ned Kelly in einem alptraumhaften Blitzgewitter windet wie verwundetes Tier, das den Kampf noch nicht vollends aufgegeben hat und zum letzten Biss ansetzt, ist es fast schon unmöglich sich solcher Bilder zu entziehen.

Fazit

True History of the Kelly Gang mag vielleicht nicht jedermanns Geschmack sein, doch hebt sich der Film, wie schon MacBeth zuvor, deutlich vom Standard ab und wirft gekonnt einen Blick hinter den Mythos Ned Kelly.

 

Bewertung

Grauen Rating: 0 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  Rating: 2 von 5
Unterhaltung  rating3_5
Anspruch  Rating: 4 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Ab 20.08.2020 im Handel:

True History of the Kelly Gang True History of the Kelly Gang

Bildquelle: True History of the Kelly Gang © Koch Films

Horrorfilme sind wie Essen. Zwischen dem immer gleichschmeckenden Fast Food, gibt es auch mal kulinarische Höhepunkte, die es aber nur zu Erkunden gibt, wenn man sich auch mal traut, etwas Neues auszuprobieren.

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