Baba Yaga
Kritik

Baba Yaga (2020) – Review

In Baba Yaga finden sich drei ungleiche Teenager widerwillig zusammen, um einer uralten Legende gegenüberzutreten, die in einer modernen Mustersiedlung ihr Unwesen treibt. Wir sind der Interpretation des russischen Hexenmärchens für euch auf den Grund gegangen.

Originaltitel: Yaga. Koshmar tyomnogo lesa
Land: Russland
Laufzeit: 97 Minuten
Regie: Svyatoslas Podgaevskiy
Drehbuch: Natalya Dubovaya, Svyatoslas Podgaevskiy, Ivan Kapitonov
Cast: Glafira Golubeva, Oleg Chugunov, Artyom Zhigulin u.a.
VÖ: Seit 12.06.2020 im Handel

Inhalt

Baba Yaga folgt dem jungen Egor (Oleg Chugunov), der gemeinsam mit Vater (Aleksey Rozin), Stiefmutter (Maryana Spivak) und neugeborener Schwester in eine moderne, hübsche Musterwohnung am Waldrand zieht. Fernab des Großstadttrubels könnte die kleine Patchworkfamilie endlich zu Ruhe kommen, wären da nicht die problematischen Teenagerjahre, die neue Umgebung und ein Trauma aus der Vergangenheit. Egors Leben ändert sich schlagartig, als sich ein mysteriöses, neues Kindermädchen (Svetlana Ustinova, Hardcore) in das Leben der Familie drängt. Gruselige Geräusche, unbekannte Schatten und unmenschliche Kreaturen, die es auf das Baby abgesehen haben, terrorisieren die Familie. Eines Tages verschwindet nicht nur das Kindermädchen, sondern auch die kleine Tochter. Aber Egors Eltern können sich nicht mehr an ihr Kind erinnern und leben weiter, als hätte es sie nie gegeben. Daraufhin macht sich Egor mit der technikaffinen Dasha (Glafira Golubeva) und dem rebellischen Anton (Artyom Zhigulin) auf die Suche nach seiner Schwester und alle drei geraten in die gefährliche Welt einer uralten, dämonischen Hexe: Baba Jaga.

Hintergründe

Für seinen neuen Film bedient sich Regisseur Svyatoslas Podgaevskiy (The Mermaid) des bekannten, slawischen Gruselmärs um die Hexe Baba Jaga. Obwohl ihre Geschichten seit vorchristlicher Zeit überliefert sind, entspricht sie in der heutigen Rezeption traditionell der westeuropäische Hexe, deren Ideengeschichte insbesondere durch christliche Vorstellungen geprägt wurde. Oft wird sie als Waldfrau beschrieben – einst jung und wunderschön wurde sie durch Einsamkeit und Zauberei allmählich wahnsinnig. Die Faszination der Baba Jaga liegt in ihrer Vielschichtigkeit: Mal ist sie eine gefährliche Zeitgenossin, die dem Kannibalismus frönt und in anderen Erzählungen eine helfende Gestalt, die Streiche spielt. Im deutschsprachigen Raum ist sie durch die sowjetischen Märchen der 1960/70er-Jahre bekannt, in denen die alte Frau in einer hühnerbeinigen Hütte lebt und den eher schelmenhaften Charakter einer Unruhestifterin besitzt. Podgaevskiys verwebt märchenhafte Motive mit vorchristlichen Überlieferungen und entwickelt die Hexe zu einer dämonischen Gestalt.

Baba Yaga

Kritik

Trotz des spannenden Ausgangsmaterials krankt Baba Yaga an vielen Stellen: sei es die inkohärente Inszenierung oder die verschenkten Motive der Mythologie. Dennoch gibt es einige Elemente, die den Film vor einem völligen Totausfall retten.

Die Exposition führt den Zuschauer in ein ruhiges Vorstadtleben in einer abgeschotteten, perfekt, anmutenden Welt, in der Ordnung und Geschlossenheit vorherrschen; ein sonniges Idyll, das abseits des nahgelegenen dunklen Waldes eine gesichtslose, oberflächliche Lebenswelt präsentiert. Die Künstlichkeit der Moderne und die Wildheit der Natur beginnen eine spannende Symbiose, denn die Gefahr bewegt sich zwischen beiden Orten, indem Baba Jaga aus ihrem gewohnten Umfeld ausbricht und Egor bis in seine Welt verfolgt. Die Idee, zwei vollkommen verschiedene Räume zu verbinden, ist gut gewählt, allerdings gibt es wenig Szenen, in denen dieser Übergang funktioniert, denn das Timing stimmt selten.

Baba Yaga

Aber nicht nur hier finden sich Schwächen in der Inszenierung. Der inflationäre Gebrauch von Jumpscares in der ersten Hälfte erinnert an Filme wie Annabelle oder The Nun. Baba Yaga bietet zwar qualitativ hochwertige Bilder und solide Kameraarbeit, aber keine überzeugende inszenatorische Individualität, um den Film aus dem Einheitsbrei hervorzuheben. Das spiegelt sich auch in einzelnen, recht peinlichen Episoden der erwachsenen Figuren wider, wenn beispielsweise Vater Alexey seinen Sohn in schlechter Jack-Torrance-Manier durch das Haus jagt oder das Kindermädchen nach der ersten Hälfte in der Belanglosigkeit verschwindet. Obwohl der Regisseur versucht, durch schleichendes Grauen auf den Höhepunkt zuzusteuern, gelingt ihm kein strukturierter Aufbau. Stattdessen zerfällt die Geschichte schließlich in zwei Teile.

Baba Yaga

Während sich die erste Hälfte auf das bösartige Kindermädchen konzentriert, entführt der Regisseur die Zuschauer anschließend in die Gefilde eines Abenteuerfilms im Stil von Die Goonies oder der Neuinterpretation von Es. Was Baba Yaga allerdings von der Stephen-King-Geschichte unterscheidet, ist der fehlende Horroraspekt. Die Perspektive der Kinder eignet sich zwar für einen frischen, neuen Blick und steht im Kontrast mit der fantasielosen Welt der Erwachsenen, vermisst aber letztlich Grauen und Boshaftigkeit. Zu keiner Zeit entsteht das Gefühl, dass sich Egor und seine Freunde ernsthaft in Gefahr befinden, auch wenn der zweite Teil insgesamt konsequenter aufgebaut ist und von dem Schauspiel der Jugendlichen profitiert.

Baba Yaga

Leider wird der Film auch der titelgebenden Figur nicht gerecht. Dabei wäre Baba Jaga eine außergewöhnliche Gestalt, die viel Potenzial für einen guten Horrorfilm bietet. Podgaevskiy und seine DrehbuchautorInnen können die Faszination der Mythologie jedoch zu keinem Zeitpunkt glaubhaft auf die Leinwand transportieren. Sei es der düstere Wald abseits der menschlichen Lebenswelt, an den Baba Jaga wie auch in den alten Legenden gebunden ist und den sie nur unter bestimmten Voraussetzungen verlassen kann oder das mit der Hexe verknüpfte Sujet des Vergessens, das jedoch in den Hintergrund gedrängt wird, obwohl Schmerz und Trauer mit der todbringenden Hexe harmonisieren würden. Baba Jaga wird dadurch zu einem austauschbaren Dämonen-Verschnitt, der sich zwischen stereotypisierter Femme Fatale und Wollknäuel bewegt. Schlussendlich ist es vollkommen irrelevant, welche übernatürliche Kreatur das Leben der Kinder bedroht und die Hexe wird Mittel zum Zweck, sodass der Regisseur es verpasst, ihre eigene spannende Geschichte zu erzählen.

Fazit

Baba Yaga ist der verschenkte Versuch, einer uralten Legende einen würdigen Platz im Horrorfilm einzuräumen. Denn trotz ein paar guter Ideen lassen die losen Handlungsstränge und das schwache Ende nie wirklich Spannung aufkommen. Die Inszenierung ist zu flach für greifbare, kreative Neuerungen und plätschert zwischen Horrorschocker und Abenteuerfilm vor sich hin. Wer also nicht zwingend alle Hexenfilme auf diesem Planeten gesehen haben muss, kann diesen hier getrost auslassen und sollte stattdessen lieber noch einmal die alten Märchenverfilmungen rund um Baba Jaga schauen.

Bewertung

Grauen Rating: 1 von 5
Spannung rating1_5
Härte  Rating: 0 von 5
Unterhaltung  Rating: 2 von 5
Anspruch  Rating: 1 von 5
Gesamtwertung Rating: 1 von 5

Ab 12.06.2020 im Handel:

Baba Yaga Baba Yaga

Bildquelle: Baba Yaga © capelight pictures

Horrorfilme… sind für mich eine Möglichkeit, Angstsituationen zu erleben, ohne die Kontrolle zu verlieren. Es ist eine positive Art der Angst, da sich ein Glücksgefühl einstellt, sobald man die Situation durchgestanden hat. Es ist nicht real – könnte es aber sein. Das ist furtchteinflößend und gleichzeitig faszinierend.

...und was meinst du?