Livescream
Kritik

Livescream (2018) – Review

Livescream verbindet Let’s Play mit Found-Footage-Horror. Wir haben uns den Livestream für euch angeschaut.

Originaltitel: Livescream
Land: USA
Laufzeit: 70 Minuten
Regie: Michelle Iannantuono
Drehbuch: Michelle Iannantuono
Cast: Gunner Willis u.a.

Inhalt

Scott ist passionierter Gamer und teilt seine Leidenschaft per Livestream mit rund 200 Fans, die ihm regelmäßig beim Zocken zuschauen. Samstag ist Scary Saturday und für den heutigen Stream hat Scott sich Anregungen von seinen Fans geholt. Geworden ist es: Livescream. Scott weiß nichts über das Spiel, außer dass es ein Horrorspiel ist und das Publikum involvieren soll. Wie ernst das gemeint ist, wird dem Streamer schon sehr bald klar, denn dieses Spiel kann tödlich sein – nicht nur für ihn…

Hintergründe & Kritik

Die Verknüpfung von neuen Technologien und Found-Footage-Horror hat uns schon ein paar interessante Beiträge beschert. Levan Gabriadze inszenierte 2014 Unknown User, der seinen Horror komplett aus einer Skype-Videokonferenz zieht, und zwei Jahre später kreierte Hannah Macpherson mit Sickhouse den ersten Snapchat-Horrorfilm. Trotz erzählerischer und inszenatorischer Schwächen fand ich diese und ähnliche Beiträge überaus spannend, da sie mit neuen Möglichkeiten des Found-Footage-Horrors experimentierten und damit auch für frischen Wind im Genre sorgten. Dementsprechend groß war meine Neugierde, als ich gesehen habe, dass die junge Filmemacherin Michelle Iannantuono ihren Debütfilm einem Videogames-Streaming-Horror widmen will.
Die Idee dazu kam ihr, als sie sich im Sommer 2017 ein 90-minütiges Let’s Play angeschaut hatte. Fasziniert davon, dass diese Art von Unterhaltung ihre Aufmerksamkeit über die Dauer eines Spielfilms fesseln konnte, fragte sie sich, ob sich daraus nicht ein Spielfilm machen ließe.

Livescream

Iannantuono beschränkt sich darin auch wirklich darauf einen Stream zu zeigen. Wir sehen links oben Scott, gefilmt von seiner Webcam, darunter den Chatverlauf und in der Mitte das Spiel. Livescream ist dabei in seiner Inszenierung äußerst reduziert und die Regisseurin sehr darauf bedacht den Stream möglichst authentisch darzustellen. Ein wichtiger Stützpfeiler hierfür ist Gunner Willis‘ einnehmende Performance als Gamer Scott. Er bringt die nötige Energie mit, um Leute für ein Let’s Play zu begeistern und es macht auch wirklich Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er sich erschreckt oder seinen Monitor anbrüllt. Auch die Interaktionen mit seinen Fans im Chat sind gut gelungen, vor allem wirken die Kommentare darin nicht erzwungen, sondern äußerst natürlich.
Der Star des Films ist jedoch der Antagonist: das Spiel selbst. Mit der Unreal Engine extra für den Film erstellt, beweist Iannantuono hier viel Gespür für das Thema und zollt vor allem der Indie-Gaming-Branche ihren Tribut. Fans dieser Spiele werden die vielen charmanten Referenzen an Spiele wie „Slender“, „Five Nights at Freddy’s“ und „RPG Maker“. Es erweist sich vor allem auch als großartige Idee, jedes Level einer anderen Art von Spiel zu widmen und dadurch mehr Abwechslung reinzubekommen. Livescream funktioniert dementsprechend am besten als scriptet Let’s Play und dabei läuft Iannantuonos Inszenierung zur Höchstform auf.

Livescream

Doch leider kann der Film diese Stärken auf andere Bereiche nicht übertragen. So stark die Simulation der Streaming-Welt ist, so schwach sind die Horror-Elemente. Sobald Livescream seine unterhaltsame Exposition verlässt und versucht seinen Horror im Spiel real werden zu lassen, scheitert der Found-Footage-Film leider kolossal. Es gelingt dem Film nicht, aus dem Let’s Play heraus eine wirkliche Bedrohung zu kreieren. Hierzu fehlt auch einfach der nötige dramaturgische Aufbau. Die Gefährlichkeit des Spiels wird nicht langsam eingeführt, sodass wir uns darauf einlassen können, sondern geschieht äußerst abrupt. Wie aus dem Nichts gerät Scott plötzlich in Panik und Willis ist mit seiner Darstellung leider nicht im Stande die Ernsthaftigkeit der Lage rüberzubringen. Es ist leider wenig hilfreich, dass manche Sachen zudem überhaupt keinen Sinn ergeben, wie das ein Zuschauer im Chat gefangen ist und sich nicht ausloggen kann. Somit fühlt sich der Film die ganze Zeit wie ein 08/15-Horror-Let’s-Play an, nur mit dem Unterschied, dass alle Beteiligten felsenfest davon überzeugt sind, dass es sie wirklich umbringt. Das wirkt in seiner bemühten Dramatik unglücklicherweise eher lächerlich als bedrohlich.

Livescream

Fazit

Livescream könnte einer jener Filme sein, der sein Publikum spaltet. Er ist auf jeden Fall sehr eigen in seiner Inszenierung und in Bezug auf sein ganzes Thema. Wer mit Let’s Plays nichts anzufangen weiß, sollte um den Film sowieso einen ganz großen Bogen machen, denn die Geschichte hinter dem Stream macht nicht viel her. Für Leute, die sich in dem Thema wiederfinden und über ein paar narrative Schwächen hinwegsehen können, könnte Michelle Iannantuonos detailreiches Werk eine höchst spaßige Fundgrube an Referenzen werden, die auch zum mehrmaligen Schauen einlädt. Livescream ist auf jeden Fall ein durchaus interessantes Experiment im Found-Footage-Genre, auch wenn es als Horrorfilm nicht wirklich zu überzeugen weiß.

 

Bewertung

Grauen Rating: 0 von 5
Spannung rating1_5
Härte  Rating: 1 von 5
Unterhaltung  rating3_5
Anspruch  Rating: 1 von 5
Gesamtwertung Rating: 2 von 5

Bildquelle: Livescream © Octopunk Media

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

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