Die Besessenen
Kritik

Die Besessenen (2020) – Review

Die Besessenen ist die neuste Verfilmung von Henry James‘ längst zu Weltruhm gelangter Novelle „Das Durchdrehen der Schraube“. Wir haben uns für euch auf das Anwesen Bly begeben, um dem Spuk auf den Grund zu gehen.

Originaltitel: The Turning
Land: USA
Laufzeit: 94 Minuten
Regie: Floria Sigismondi
Drehbuch: Carey Hayes, Chad Hayes
Cast: Mackenzi Davis, Finn Wolfhard u.a.

Hintergründe & Inhalt

Die junge Lehrerin Kate sehnt sich nach einem beruflichen Neuanfang. Wie gerufen kommt da das Angebot eines wohlhabenden Mannes, als Gouvernante für seine verwaiste Nichte Flora zu arbeiten. Kate reist zum abgelegenen Landhaus, in dem das junge Mädchen wohnt. Zu ihrer Überraschung muss sie sich aber auch um Floras Bruder Miles kümmern, ist dieser doch gerade aus dem Internat geworfen worden. Bald schon macht Kate unheimliche Entdeckungen, die sie zur Annahme führen, dass das Anwesen von etwas – oder jemandem – heimgesucht wird.

Henry James‘ 1898 erschienene Novelle „Das Durchdrehen der Schraube“ ist längst ein absoluter Klassiker der Schauerliteratur. Vielfach besprochen und diskutiert, scharfsinnig analysiert und mehrfach verfilmt ist sie schon seit mehr als einem Jahrhundert Gegenstand intensiver literaturwissenschaftlicher Debatten. Die wohl populärste Verfilmung, Schloss des Schreckens von Jack Clayton aus dem Jahr 1961, gilt zurecht als Meilenstein des Gothic-Horrors und ist eine nahezu werkgetreue Adaption der Novelle, die den zeitlosen Schrecken der Geschichte mit Bravour auf Zelluloid gebannt hat.

Die Besessenen ist eine Neuadaption der Regisseurin Floria Sigismondi, die vorher in erster Linie Musikvideos für u.a. David Bowie, The Cure, Muse und Marilyn Manson drehte und für die das Projekt ihren zweiten Spielfilm markiert. Sigismondis selbsterklärtes Ziel war es, die Geschichte zu modernisieren und zu ihrer eigenen Version zu machen, wozu sie die Handlung unter anderem in die 1990er Jahre verlegt. Neben der zweiten Staffel der Netflix-Serie Spuk in Hill House ist Die Besessenen die zweite Verfilmung in diesem Jahr, die sich an der Novelle orientiert.

Die Besessenen

Kritik

In Anbetracht dieser Konkurrenz und vorheriger Verfilmungen, allen voran Schloss des Schreckens, ist es erstmal keine schlechte Idee, neue Pfade zu beschreiten. Leider scheitern die Versuche, die Sigismondi mit ihrer eigenen Adaption unternimmt, auf ganzer Linie. Jedweder Versuch, der Geschichte ihre persönliche Note zu verleihen, bleibt rein selbstzweckhaft und bildet keinerlei Mehrwert für die Erzählung. Das Transferieren der Handlung in die 1990er Jahre beispielsweise ist nur eine belanglose Spielerei, die keine Relevanz für den Verlauf oder die Entwicklung der Geschichte hat und auch sonst in keiner Weise zu einem sinnvollen Schluss führt. Alle weiteren Änderungen der Handlung gegenüber der Vorlage sind dann ebenfalls reine Mittel zum Zweck, um uninspirierten Grusel von der Stange zu liefern, den Horror-Kenner schon in etlicher Ausführung gesehen haben dürften.

Statt der Geschichte also neue Ansätze oder Perspektiven hinzuzufügen, wurden lediglich einige neue Szenen ergänzt, die letztendlich aber auch in Sackgassen münden. Der selbstzweckhafte Charakter des Grusels bleibt dann ohne erwähnenswerte Ausreißer bis zum Abspann präsent. Während die Vorlage ihren Reiz noch bis zuletzt aus ihrem ambivalenten Ende zieht, es wird nie geklärt, ob es sich bei den Geistererscheinungen um reale Phänomene oder nur um Hirngespinste Ms. Giddens‘ handelte, beraubt Die Besessenen seine Vorlage jeglicher Substanz, obwohl er selbst nichts Neues zu bieten hat. Stattdessen wird hier eine uninspirierte Gruselgeschichte ersponnen, die vor Ungereimtheiten nur so strotzt. Der Film liefert keinerlei plausible Erklärung für das merkwürdig feindselige Verhalten der Kinder, ihr verhängnisvolles Verhältnis zu den vorherigen Angestellten bleibt bis zum Ende unergründet und auch die geisterhaften Erscheinungen bleiben in jeder Sekunde reiner Selbstzweck, ohne dass die Fäden zum Schluss stimmig zusammenfinden würden. Die Besessenen schafft es tatsächlich, über 90 Minuten pure Belanglosigkeit zu liefern.

Die Besessenen

In den Weiten des Internets wird sich zudem erbost über das Ende ob seiner Unsinnigkeit ausgelassen. Obwohl der Hohn, den der Film aktuell bei Zuschauern und Kritikern für jenes erhält, nur bedingt gerechtfertigt ist, bleibt das Finale im Vergleich zur Buchvorlage sehr stümperhaft und weiß höchstens durch den fehlenden Bezug zu den vorherigen Geschehnissen von sich reden zu machen. In Anbetracht der grausigen Inhaltslosigkeit des Films wirkt dieser vermeintlich ausgeklügelte Twist völlig deplatziert und kann eher als missratener Versuch gesehen werden, den vorherigen Ereignissen höhere Bedeutung zuzuschreiben. Die vermeintliche „Offenbarung“ ist durch und durch prätentiös, da sie händeringend versucht, die vorherigen eineinhalb Stunden mit aufgesetzter Raffinesse zu erklären –  in Anbetracht des generischen Budenzaubers, den Die Besessenen zuvor präsentiert hat, ein hoffnungsloses Unterfangen.

Die Besessenen

Fazit

Die Besessenen ist zumindest auf formaler Ebene kein hoffnungslos schlechter Film. Er hat durchaus einige wenige Momente, die es schaffen, eine annähernd atmosphärische Grundstimmung zu erzeugen und ist toll fotografiert. Das Gesamtpaket ist letztendlich aber unausgegoren und kommt in keinem Moment an die unheimliche Qualität seiner literarischen Vorlage heran. Die eigenen Wege, die Die Besessenen beschreitet, sind in jedem Moment rein selbstzweckhaft, ohne auch nur annähernd zu einem kohärenten Ende zu führen. Es scheint so, als seien seit Anbeginn der Konzeption und des Drehs jegliche Stellschrauben für einen funktionierenden und in sich schlüssigen Film falsch gestellt worden. Selten wurde vollkommene Inhalts- und Belanglosigkeit so prätentiös verkauft wie in Die Besessenen.

Bewertung

Grauen Rating: 1 von 5
Spannung Rating: 1 von 5
Härte  Rating: 0 von 5
Unterhaltung  Rating: 0 von 5
Anspruch  Rating: 1 von 5
Gesamtwertung Rating: 1 von 5

Bildquelle: Die Besessenen © Universal Pictures

Horrorfilme sind für mich die beste Möglichkeit, die Grenzen des Zumutbaren und des eigenen Sehvergnügens auszuloten und neu zu definieren. Außerdem gibt es kaum ein anderes Genre, das so viele verschiedene gute Ideen, Möglichkeiten und Geschichten hervorbringen kann, da, ähnlich wie im Science-Fiction, einfach alles möglich ist. Es ist faszinierend, wie stark einen gute Horrorfilme in ihren Bann ziehen können und dabei sowohl schockieren als auch unterhalten.

...und was meinst du?