Parasite
Kritik

Parasite (2019) – Review

Der oscarprämierte Film Parasite von Regisseur Bong Joon-ho thematisiert auf einzigartige Weise die gesellschaftlichen Unterschiede im heutigen Südkorea.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:
VÖ:

Gisaengchung
Südkorea
132 Minuten
Bong Joon-ho
Han Jin-won, Bong Joon-ho
Song Kang-ho, Park So-dam, Lee Sun-kyun u.a.
Ab 05.03.2020 im Handel

Inhalt

Die Protagonisten der Geschichte sind die Mitglieder der Familie Kim, die in einer Untergeschosswohnung eine marginale Existenz führen – Vater Ki-taek (Song Kang-ho, The Host), seine Frau Chun-sook (Jang Hye-jin, When the Camellia Blooms), Sohn Ki-woo (Choi Woo-shik, The Witch: Subversion) und Tochter Ki-jung (Park So-dam, The Priests). Ohne stabiles Einkommen versuchen sie sich mit prekären Aushilfsjobs, wie dem Zusammenfalten von Pizzakartons, über Wasser zu halten, schnorren WLAN und ertragen betrunkene Passanten, die an ihr Fenster urinieren. Der tägliche Kampf um die Existenz scheint sich jedoch mit einem Glücksfall zu ändern. Auf Grund eines Auslandsstudiums ist ein Schulfreund (Park Seo-joon, The Divine Fury) von Ki-woo nicht mehr in der Lage, bei einer wohlhabenden Familie als Nachhilfelehrer zu arbeiten. Stattdessen soll Ki-woo seinen Platz einnehmen. Mit einem gefälschten Universitätsdiplom bekommt Ki-woo den Job und kaum im Haus des reichen Geschäftsmannes Park Dong-ik (Lee Sun-kyun, Our Town) und seiner Frau Yeon-kyo (Cho Yeo-jeong, Vampire Cop Ricky) angekommen, engagiert sich Ki-woo dafür, dass alle anderen Bediensteten der Parks durch seine Familienmitglieder ersetzt werden. Aber die Kims sind nicht die einzigen, die ein Geheimnis hüten.

Hintergrund & Kritik

Seit seinem Debütfilm Hunde, die bellen, beißen nicht bewegte sich der koreanische Regisseur Bong Joon-ho niemals in nur einem Genre, von Thriller über dystopische Science-Fiction und Monsterfilm ist alles vertreten. Manchmal auch alles zusammen, denn sein Markenzeichen ist die Vielseitigkeit. Sein neuer Film Parasite ist wieder anders. Nach seinen Ausflügen ins futuristische Actionkino mit Okja und Snowpiercer, widmet sich Bong zwar wieder einem Krisenszenario, allerdings nicht mehr in Form einer Parabel wie noch in seinem Vorgänger. Intensiv und feinfühlig greift das Drehbuch die sozialen Schichten im modernen Südkorea auf und thematisiert die Klassenunterschiede auf räumliche Art und Weise. War es in Snowpiercer noch der Zug als horizontale Hierarchie, ist es in Parasite eine vertikale Hierarchie anhand von Wohnraum.

Parasite

Die Idee von Bong und die vorbildliche Arbeit des Produktionsdesigners Lee Ha-jun (Das Hausmädchen) bieten dem Zuschauer Räume, die für die unterschiedlichen sozialen Ebenen der Gesellschaft stehen. Da gibt es die Souterrain-Wohnung der Kims, die buchstäblich unter den Reichen und Mächtigen hausen, ohne Chancen und ohne ausreichend Sonnenlicht. Im Gegensatz dazu steht das moderne Haus der Familie Park mit einem luxuriösen Obergeschoss, geheimen Durchgängen, versteckten Räumen und großen Fenstern, die den Blick auf die Natur freigeben. Inspiriert wurde der Regisseur durch den Film Hanyo – Das Hausmädchen aus dem Jahr 1960, in dem bereits das mehrstöckige Haus als Zeichen des Wohlstandes angesehen wurde. Vor allem die Treppen beeindrucken in Parasite als visuelle Metapher für die soziale Mobilität. Das Haus wird im Laufe des Films zu einem Mikrokosmos für den Kampf zwischen und innerhalb der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Kameramann Hong Kyung-pyo (The Wailing) unterstreicht dies durch kontrastreiche Lichtspiele, wie etwa die blassen Farben der Wohnung, die sonnengefluteten Zimmer der Villa oder die dunkle, feuchte Atmosphäre des Kellers. In jedem Raum liegt ein gewisses Konfliktpotential, das sich schließlich in der zweiten Hälfte des Films gewaltsam entlädt.Parasite

Die Figuren sind es, die am Ende für die tragischen Konsequenzen verantwortlich sind. Denn die große Leistung des Drehbuchs ist es, dass es keinen Schurken gibt. Alle Protagonisten sind fehlerhaft, was der Geschichte die notwendige emotionale Tiefe gibt. Auch wenn sicherlich die Mitglieder der Familie Kim die Sympathieträger sind. Sie sind eine familiäre Einheit und wirken dadurch viel geschlossener als die Parks. In ihrem Zusammenhalt ergreifen sie gemeinsam jede Chance auf ein besseres Leben. Alle Schauspieler begeistern mit einer ausdrucksstarken Performance, wobei vor allem Song Kang-ho als Ki-taek und Park So-dam als Kim Ki-jung einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Song, der schon in einigen Filmen von Bong mitgewirkt hat, überzeugt als sanftmütiger Familienvater, der immer wieder versucht, für seine Familie das Beste herauszuholen. Er ist geschickt, zuverlässig und gewissenhaft, hat aber einfach kein Glück. Park dagegen tritt als seine besonnene Tochter auf, mit einer ruhigen, kühlen Ausstrahlung, unbeeindruckt vom schlechten Schicksal, das ihr die Welt gegeben hat. Geschickt nutzt sie ihre Intelligenz, um ihrer Familie zu helfen. Aber im familiären Zusammenhalt liegt auch gleichzeitig das Problem, denn außerhalb dieser Einheit haben sie kein Gefühl von Solidarität den anderen arbeitenden Personen gegenüber, sodass sie auch selbst für die Aufrechterhaltung der sozialen Ungleichheit verantwortlich sind.

Parasite

Das wirtschaftliche und soziale Gegenstück bilden die Parks: Sie sind zwar unausstehlich in ihrer Selbstzufriedenheit und dem Anspruch auf scheinbar endlosen Reichtum, aber keine schrecklichen Menschen. Sie verdienen nicht, was ihnen widerfährt, sind aber auch nicht unschuldig an der Eskalation. Mit ihrer Distanziertheit und der gelegentlichen Verachtung gegenüber ihren Angestellten, wirken sie oftmals auf eine subtile Art grausam. Da ist zum Beispiel Mr. Park, der den Geruch der „Unterklasse“ nicht ertragen kann und Mrs. Park, die mit Gleichgültigkeit vom Regen spricht, während dieser das Leben der Kims wegspült.

Parasite

Bong gelingt es, die Spannung durch die Unberechenbarkeit der Figuren und der Situation aufrechtzuerhalten. Nie wird deutlich, in welche Richtung sich der Film weiterbewegen wird. Während die erste Hälfte noch satirisch-amüsant erscheint, wird die zweite Hälfte durch düstere Wendungen eingeleitet, die das Tempo merklich erhöhen. Man weiß, dass etwas schief gehen wird, man weiß nur nicht wann.

Fazit

Bong Joon-ho gelingt ein faszinierender Angriff auf die soziale Ungleichheit der zeitgenössischen koreanischen Gesellschaft. Die Themen werden mit einer kraftvollen Darbietung, hervorragenden Dialogen und grausamer Realität angesprochen, ohne die Armut einiger Figuren ins Lächerliche zu ziehen oder als Selbstzweck zu benutzen. Während der Handlung werden immer wieder Genregrenzen aufgebrochen, sodass sich eine satirische Komödie ganz schnell in einen atemlosen Thriller verwandelt.

Bewertung

Grauen Rating: 3 von 5
Spannung Rating: 5 von 5
Härte  Rating: 2 von 5
Unterhaltung  Rating: 5 von 5
Anspruch  Rating: 5 von 5
Gesamtwertung Rating: 5 von 5

Ab 05.03.2020 von Capelight als Mediabook (Bluray + DVD) erhältlich.

Das Mediabook ist mit deutschem und koreanischem Ton in HD-DTS MA 5.1 ausgestattet sowie mit deutschen Untertiteln.

Bonusmaterial:

  • 24-seitiges Booklet
  • Pizzaschachtel-Video
  • Character Teaser
  • Koreanischer Kinotrailer
  • Deutscher Kinotrailer
  • TV-Spots
  • Teaser
  • Masterclass mit Bong Joon Ho beim Filmfest München
  • Masterclass mit Bong Joon Ho beim Toronto International Film Festival
  • Cast und Crew bei der Premiere in Toronto
  • Interview mit Bong Joon Ho
  • Entfallene Szenen
  • Bong Joon Ho – Expect the Unexpected
  • Making-of
  • Hinter den Kulissen
  • Keine Spoiler!
  • Bitte von Regisseur und Crew
  • Grüße von den Darstellern
Parasite

Bildquelle: Parasite © Capelight Pictures

Horrorfilme… sind für mich eine Möglichkeit, Angstsituationen zu erleben, ohne die Kontrolle zu verlieren. Es ist eine positive Art der Angst, da sich ein Glücksgefühl einstellt, sobald man die Situation durchgestanden hat. Es ist nicht real – könnte es aber sein. Das ist furtchteinflößend und gleichzeitig faszinierend.

...und was meinst du?