Alison Peirse
Interview

Interview mit Filmwissenschaftlerin Alison Peirse (Teil 1 von 3)

Wir hatten im Zuge des letzten /slash Filmfestivals in Wien das Vergnügen ein Interview mit der britischen Horrorexpertin Alison Peirse zu führen, die beim Festival die Female-Terror-Schiene kuratierte. Dementsprechend drehte sich unser Gespräch auch in erster Linie um Frauen im Horrorgenre.

Peirse ist Dozentin für Film und Medien an der University of Leeds mit dem Schwerpunkt Horror. Sie hat bislang vier Bücher geschrieben, die Veröffentlichung des Neuesten folgt im September diesen Jahres und trägt den Titel „Women Make Horror: Filmmaking, Feminism, Genre“.

Im ersten Teil unseres Interviews haben wir uns über Peirse‘ Zugang zu Horrorfilmen, ihre Zusammenarbeit mit dem /slash Filmfestival sowie den Zugang von Frauen zum Horrorfilm unterhalten und mit welchen Problemen sie konfrontiert werden. Wir wünschen viel Spaß!


Hallo Alison. Wir freuen uns riesig, dass du dir für uns Zeit genommen hast. Wie gefällt dir dein Aufenthalt in Wien?

Es ist wunderbar. Ich war vorher noch nie in Österreich und habe erwartet, dass Wien wunderschön ist. Aber die Stadt ist nicht nur wunderschön, sondern hat auch kulturell viel zu bieten und ist wirklich interessant. Ich mag das Stadtzentrum sehr, in dem das Metro Kino ist. Das ist natürlich wunderschön, aber auch sehr geschäftig und touristisch und diese Gegend [Anm.: rund um das Hotel in dem wir uns getroffen hatten, außerhalb des Stadtkerns im vierten Bezirk] mit den Geschäften und Bars ist mehr mein Stil. Es ist ein unerwarteter Bonus, dass ich in dieser coolen Gegend bin.

Beginnen wir mit einer kleinen allgemeinen Frage. Würdest du dich unseren Leser*innen kurz selbst vorstellen und welche Verbindung du zu Horrorfilmen hast?

Ich bin Alison Peirse, ich habe einen Doktor in Horrorfilmen und habe vier Bücher über Horrorkino publiziert. Ich arbeite an der Universität Leeds (Großbritannien), an der ich Drehbuchschreiben lehre und selbst Filmmanuskripte schreibe. Ich bin auch Drehbuchautorin und entwickle im Moment verschiedene Horrorfilme. Also ich schreibe über Horrorfilme als Kritikerin und mache auch selbst Horrorfilme als Autorin.

Gab es einen oder mehrere Horrorfilme, die dich besonders dazu inspiriert haben, dich intensiver mit Horrorfilmen und Filmtheorie zu beschäftigen?

Ich habe schon immer Horrorfilme gesehen, selbst als ich noch ein Kind war. Ich denke das ist häufig so bei Menschen, die Horror mögen. Und meine Mum mochte schon immer Horrorfilme, Science Fiction und Fantasyfilme. Ich erinnere mich daran, dass ich als Kind von etwa 10 Jahren Tremors – Im Land der Raketen-Würmer mit meinem Bruder gesehen habe, der vier Jahre jünger ist als ich. Ich erinnere mich daran Legende, den Film von Ridley Scott, gesehen zu haben, als ich noch recht jung war, während meine Mum gebügelt hat und dass mir der Dämon große Angst gemacht hat. Ich habe Poltergeist gesehen. Ich hätte Poltergeist nicht sehen sollen aber meine Eltern haben ihn im unteren Stockwerk angeschaut und ich sah durch das Treppengeländer hinweg mit und es war wirklich beängstigend. Ich fürchte mich sehr leicht bei Horrorfilmen, aber ich liebe diese Erfahrung auch sehr. So ging es mir auch mit Geschichten, die ich als 10- oder 11-jährige gelesen habe. Ich habe diese Point-Horror-Romane gelesen. Ich habe einfach schon immer Horrorgeschichten als Genre gemocht, dort hat es mich immer hingezogen. Ich lese viel Unterschiedliches und sehe viele Arten von Filmen, aber Horror liegt mir besonders am Herzen.

Gab es Punkte in deinem Leben, an denen dir klar wurde: „Ok, ich möchte das zu meinem Beruf machen“?

Alison Peirse After DraculaNicht wirklich. Es gab keinen wirklichen Plan. Ich habe Horror immer als Fan gemocht und bin dann zur Universität gegangen, an der ich meinen ersten Abschluss in Kulturwissenschaften gemacht habe, ohne besonderen Fokus auf Horror. Dann habe ich meinen Master in Kulturtheorien abgeschlossen, bei dem ich mich auf Kunst, Dokumentationen und Film konzentriert habe. Es begann erst mit dem Doktorat, für das ich ein Stipendium bekommen habe und mir dachte: was soll ich jetzt tun? Es ist so, dass man dafür ein Exposé schreibt über das, was man vorhat zu tun. Aber das ist alles nicht so ernst gemeint. Man versucht herauszufinden, was einen wirklich interessiert und ich habe zu der Zeit ziemlich viele Horrorfilme der 30er Jahre gesehen. Ich mag wirklich alte Horrorfilme und begann im ersten Jahr meines Doktorats das Horrorkino der 30er Jahre und den Ursprung des Horrorgenres zu erforschen. Es hat mich wirklich gepackt und schlussendlich habe ich mein gesamtes Doktorat nur über das Horrorkino der 30er Jahre abgeschlossen. Die 30er und 40er Jahre gehören zu meinen bevorzugten Jahrzehnten des Horrorkinos, die ganz alten Schwarz-Weiß-Horrorfilme.

Was ist für dich das Faszinierende an diesen Filmen der 30er und 40er? Sind es hier besonders die Klassiker, die Universal Monsters, die du bevorzugst oder eher Nischenproduktionen?

Ich würde sagen, es sind eher Nischenfilme. Ich konnte mich nie besonders für Vampire oder Dracula begeistern. Ich kenne die Klassiker, aber sie geben mir nichts. Mein Doktorat lief eher so ab: gut, es gibt Dracula von 1931 und das war etwa der Anfang des kommerziellen Horrorfilms, aber was passierte als nächstes? Was war mit den anderen Studios, was haben die gemacht? Das Doktorat ist eher über die unter schweren Bedingungen entstandenen Produktionen der kleineren Studios, der eher unabhängigen Studios. Das ist auch der Grund, warum ich sie mag. Also zum Beispiel Val Lewtons Filme; Katzenmenschen ist einer meiner Lieblingsfilme. Ich denke, ich erschrecke sehr leicht und die Filme aus dieser Zeit fühlen sich an wie recht sicherer Horror. Sie sind oft sehr schön gedreht, mit gut gemachtem Sound und die Musik ist wunderbar. Sie haben eine starke Geschichte. Ich stehe nicht besonders auf experimentellen oder nicht-narrativen Horror. Ich mag eine sehr gute Story; und diese haben sehr gute Storys. Sie sind gewöhnlich übernatürlich, was wiederum meine Art des Horror ist. Ich finde, sie sind sehr angenehm anzusehen. Du weißt, dass der Horror kommt. Es ist nicht wie in Hereditary, wenn du plötzlich „Oh mein Gott!“ rufen möchtest. Du weißt, du kannst sie dir ansehen und es ist eine sichere Erfahrung, eine vergnügliche Form des Horrors.

Um bei Nischen zu bleiben, in deinem Vortrag beim KURJA POLT Genre Film Festival hast du angesprochen, dass Regisseurinnen rar waren und in Exploitationfilmen begannen, was ja auch eine Nische ist. Hattest du deine ersten Verbindungen zu Horrorfilmen durch diese Nischen?

Nicht wirklich. Ich habe mich eher rückwärts herangetastet. Ich bin in den 80ern und 90ern aufgewachsen und erinnere mich an Filme wie Friedhof der Kuscheltiere von Mary Lambert oder Poison Ivy – Die tödliche Umarmung von Katt Shea und so begann ich, als ich über Horrorfilme von Frauen nachdachte, in den 80ern und 90ern zu suchen. Aber da es filmhistorisch hierzu nicht wirklich was gibt, habe ich mich buchstäblich rückwärts vorangearbeitet. Ich habe also alles aus den 90ern angeschaut, das ich finden konnte und bin dann weiter zu den 80ern gegangen. Und die 80er waren es, als Filmemacherinnen begannen ihren Durchbruch in den größeren Produktionsfirmen zu haben. So habe ich mir gedacht, wenn das in den 80ern geschah, was passierte in den 70ern. Ich bin einfach immer weiter zurück gegangen. Und wie ich schon sagte ist dieses Low-Budget-Grindhouse-Exploitation-Kino nichts, was ich persönlich so sehr mag oder liebe wie höher budgetiertes Erzähl-Kino. Aber es ist absolut wichtig fürs Filmemachen und vor allem für Frauen, dass Leute wie Roger Corman Menschen wie Beverly Sebastian (The Hitchhikers, Hetzjagd im Sumpf) und Stephanie Rothman (Blood Bath, The Velvet Vampire) ohne Gatekeeper reingelassen haben und ihnen ermöglicht haben, was zu machen. Vor den 70ern war eine große Lücke bis Ida Lupino (The Hitch-Hiker)  in den 50ern und da gab es quasi nur sie.

Wie kamst du in Kontakt mit dem /Slash Filmfestival? Hat Festivalleiter Markus dich direkt angesprochen?

Ja, es war zauberhaft. Ich habe beim KURJA POLT in Ljubljana gearbeitet. Das kam zustande, weil ich einen ehemaligen Kollegen in Großbritannien namens Ross Hunter habe, der viel mit Filmfestivals zusammenarbeitet. Und er hat mich vor ein paar Jahren eingeladen zum Offscreen Film Festival in Brüssel zu fahren und dort ein bisschen zu arbeiten. Er mochte, was ich beim Offscreen gemacht habe. Also hat Ross mich gefragt, ob ich zum KURJA POLT gehe und dort einen Vortrag halte. Das war im April [2019]. Also habe ich das gemacht und ich denke Markus hat mich reden gehört und mir, ohne dass wir uns zuvor getroffen haben, nach dem Festival eine E-Mail geschrieben, in der stand „Ich fand es sehr interessant, was du gesagt hast und ich denke wir sollten eine ganze Schiene dazu beim /slash machen. Wärst du daran interessiert?“. Und ich so “Klar!” Ich liebe es, mit Filmfestivals zusammenzuarbeiten. Ich kann Menschen wie euch treffen und FilmemacherInnen und viele Menschen, die sich wirklich für Genrekino begeistern, daher war ich begeistert. Dies ist das erste Mal, dass ich eine ganze Schiene für ein Festival kuratiert habe und ich fand es sehr interessant.

Alison Peirse beim /slash Filmfestival
Alison Peirse im Gespräch mit Festivalleiter Markus Keuschnigg beim /slash Filmfestival 2019 © Mercan Sümbültepe

Wie bist du den Female-Terror-Schiene angegangen und welche Aspekte waren dir am Wichtigsten zu zeigen? Und weiters, welche hättest du gern eingebracht, konntest aber nicht?

Oh, da gibt es viel zu sagen. Es zu planen war interessant in Bezug darauf, was man alles berücksichtigen muss. Es gab persönliche Favoriten die ich dabei haben wollte, wie Friedhof der Kuscheltiere und The Hitch-Hiker. Es ist mir bewusst, dass mein Geschmack in Horror nur ein oder zwei Subgenres repräsentiert, also wollte ich sichergehen, dass wir viele verschiedene Arten von Horror haben, denn nur weil Frauen Horror machen, heißt das nicht, dass es nur eine Art gibt, wie sie es tun. Sie machen es auf viele verschiedene Arten wie Männer eben auch.

Es war mir wirklich wichtig Exploitationfilme oder frühe Slasher aus den Video Nasties einzubinden. Auch wenn Das Grauen aus der Tiefe nichts für mich ist – wirklich nicht – ist es ein sehr interessanter Einstieg in diese Art des Filmemachens. Auch weil Barbara Peeters nicht über den Film spricht. Sie sagt „Ich bin Feministin, ich war immer Feministin, ich werde nicht über diesen Film diskutieren.“ Das ist für mich wichtig und interessant und es passt so gut mit The Slumber Party Massacre aus dieser Zeit zusammen, darum denke ich, diese beiden sind eine gute Festival-Kombination. Darum wollte ich diese als Festival-Double-Feature. Das waren meine Favoriten. Dann gab es noch Filme, die weitere Subgenres repräsentieren, wie zum Beispiel Dans ma peau: In meiner Haut. Der fällt unter New French Extremity und ist sehr verstörend. Als ich ihn diese Woche wieder im Kino gesehen habe, gab es bestimmte Punkte, die waren einfach zu viel für mich. Ich bin da recht empfindlich. Aber wie gesagt, wir versuchen eine Bandbreite an Stimmen und Zugängen zu zeigen. Das gilt auch zum Beispiel für nicht-englischsprachiges Kino.

Alison Peirse
Szene aus Das Grauen aus der Tiefe von Barbara Peeters

Markus und ich haben lange über verschiedene Arten an Filmen gesprochen, die nicht nur US-amerikanisch oder englischsprachig sind. Und ich habe eine recht weitläufige starke Liste an japanischen und koreanischen Horrorfilmen, die unter der Regie von Frauen gedreht wurden. Doch es war unfassbar schwierig die Vorführrechte oder eine Kopie zu bekommen. Wir haben es geschafft Mari Asato und zwei ihrer Filme zu bekommen (Jigoku Kozô / The Boy From Hell und Ju-on: Black Ghost) und Shimako Sato (Eko Eko Azarak: Wizard of Darkness). Alle anderen Filmemacherinnen haben wir wirklich versucht aber keine Kopien bekommen können. Es ist offensichtlich sehr viel schwieriger ostasiatische Verleihe und Kopien zu bekommen, geschweige denn sie auf Filmfestivals zu bringen. Wir sind ein bisschen enttäuscht darüber, dass wir nicht mehr ostasiatische Werke bekommen konnten. Und da gab es noch andere Filmemacherinnen etwa aus Lateinamerika, aber das sind eher zeitgenössische Filmemacherinnen, die den Durchbruch schaffen und sie neigen dazu, eher mit Kurzfilmen zu arbeiten als in Spielfilmlänge.

Es ist uns also bewusst, dass das Programm noch sehr weiß und sehr englischsprachig ist, aber wir versuchen das beste aus dem zu machen, was wir bekommen konnten. Das war mein Zugang; verschiedene Genres zu repräsentieren, verschiedene Zugänge oder schlicht verschiedene Länder zu repräsentieren und so etwas. Es war eine Mischung aus all dem, denke ich.

Denkst du, Filmemacherinnen gehen Horror anders als Männer an? Und wenn ja, inwiefern?

Ich denke nicht, dass es eine simple Antwort auf diese Frage gibt. Ich denke nicht, dass es DEN einen Typ Frau gibt oder die eine Art an essentiell weiblicher Qualität, die besagt, wie Filmemacherinnen selbige angehen. Es ist das gleiche wie bei Feminismus. Die Tatsache, dass der Film von einer Frau gemacht wurde, bedeutet nicht, dass er feministisch ist oder feministisch sein wird. Es ist klar, dass verschiedene Frauen ihre eigenen Zugänge zu Filmen haben, es gibt nicht DIE weibliche Art des Filmemachens. Es gab sicher einige Filme, die ich im Zuge meiner Recherchen gesehen habe, die von Frauen gemacht wurden und wirklich misogyn und antifeministisch waren, zum Beispiel macht Roberta Findlay (Blood Sisters) üble Filme. Aber sie ist diesbezüglich sehr offen, sie sagt „Ich mache das nicht für den Feminismus, das bedeutet mir nichts. Ich mache das, um Geld zu verdienen. Wenn man mir sagt, ich soll pornographische Sachen machen, drehe ich Pornos. Wenn man mir sagt, ich solle Grindhouse machen, drehe ich Grindhouse. Wenn das Geld im Horror liegt, drehe ich Horrorfilme.“ Es ist ein professionelles Geschäft und es gibt viele Frauen, die so denken.

Und gleichzeitig ist es so kollaborativ, Filme zu machen. Die Vorstellung, dass RegisseurInnen und AutorInnen darüber entscheiden, wie der Film schlussendlich aussieht, entspricht nicht der Realität. Es arbeiten so viele Menschen an einem Film und darüber hinaus hast du noch die Finanzierung, die sehr über die Richtung eines Films entscheidet. Selbst wenn eine Frau sagen würde „Ich werde diesen super feministischen Film drehen“ gibt es keine Garantie, dass sie letztendlich auch die Entscheidungsgewalt über das Endprodukt hat. So viel im Filmgeschäft ist Geben und Nehmen. Die GeldgeberInnen wollen dies, die ProduzentInnen jenes und ich möchte etwas anderes. Es geht am Ende rein um Kompromisse. Ich würde mir wünschen, dass Filmemacherinnen fähig und willig sind runde weibliche Charaktere zu erschaffen und so viele Frauen wie möglich in ihrer Crew anstellen. Das sind so Dinge, auf die man hofft, aber die man nicht garantieren kann und es ist nicht notwendigerweise wichtig für jede Frau und es gibt keinen Grund, warum gerade Frauen sich diese Belastung tragen sollten, denn die Industrie ist eh schon dermaßen gegen Frauen ausgelegt. Darum ist es echt schwierig, denke ich.

Alison Peirse
Szene aus Blood Sisters von Roberta Findlay © IndieFlix

Um das näher zu beleuchten, welche Schwierigkeiten müssen Filmemacherinnen überwinden, schlicht, weil sie Frauen sind?

Nun, es beginnt bereits in der Filmschule. Die meisten, nicht alle, aber die meisten Filmschaffenden gehen auf eine Filmschule, bevor sie beginnen Filme zu drehen. Man muss nicht, aber die meisten machen es so. Und in den Filmschulen, zumindest in Großbritannien und ich denke auch in den USA, ist die Geschlechterverteilung etwa 50-50. So ziemlich genau die gleiche Menge an Frauen wie an Männern beginnen in Filmschulen aber wenn sie diese beenden, ist die Anzahl an Frauen, die tatsächlich fürs Filmemachen angestellt/engagiert werden, weit geringer als die der Männer. Personen in den höchsten Positionen der Filmindustrie neigen dazu männlich zu sein, insbesondere weiß und männlich, und Menschen zu engagieren, die ihnen ähnlich sind. Du siehst jemanden, der dir ähnlich ist, das ist beruhigend und macht Sinn und du musst nicht so hart arbeiten. Während die Männer in den höchsten Machtpositionen verbleiben, neigen sie dazu ihresgleichen bevorzugt anzustellen. Sie fühlen sich am Wohlsten unter ihresgleichen und das trägt sich nach unten weiter. Darum ist die Industrie geprägt von Männern in langjährigen Machtpositionen und deren Kontrolle und das beeinflusst die Art der Anstellungen und Gepflogenheiten der Besetzungen. Und wenn jeder um dich herum ist wie du, kann das zu Fehlinformationen über die Menschen außerhalb führen, die verfügbar und wirklich gut sind. Jason Blum, der Gründer der Blumhouse Productions, ich denke es war letztes Jahr, gab einen furchtbaren Kommentar in Medien dazu ab, warum Blumhouse noch nicht mit einer Regisseurin gearbeitet hätte und er sagte so etwas wie „Aber es gibt einfach so wenige. Da sind buchstäblich nur ein oder zwei.“ Und er meinte grundsätzlich Jennifer Kent (Der Babadook) und das war’s. Das ist es aber nicht. Es gibt hunderte Regisseurinnen da draußen. Aber so kommt es, wenn man nur in einer Blase mit Menschen lebt, die alle sind wie man selbst.

Ein Problem mit dem Frauen konfrontiert werden, selbst wenn sie einen Einstieg schaffen, sagen wir, sie sind 24 oder 25, Einstiegslevel in der Produktion, sobald sie in ihre 30er kommen, werden sie aktiver benachteiligt, weil es dann heißt „die wird gehen und Kinder bekommen“, „wir wollen sie nicht einstellen und dann wird sie schwanger“. Selbst wenn man das nicht sagen darf, ist es das, was passiert. Und gleichzeitig wollen viele Frauen in ihren 30ern Kinder und bekommen welche, aber die Arbeitsbedingungen an Sets und bei Filmproduktionen sind kaum förderlich für Kinderbetreuungspflichten. Du hast 12- oder 14-Stunden-Tage 130 Kilometer von deinem Wohnort entfernt und bekommst vielleicht eine Woche vorher Bescheid. Wie die Industrie momentan organisiert ist, erlaubt es Frauen kaum, auch Mütter zu sein und selbst wenn es gleichberechtigt sein sollte, sind nach wie vor hauptsächlich Frauen für die Kinderbetreuung zuständig, zumindest in Großbritannien und sicher auch in den USA. Also selbst wenn Frauen gehen und Kinder bekommen, sind sie kaum in der Lage, später auf dem gleichen Level wie vorher in ihren alten Beruf zurück zu kehren, sicher nicht in den Produktionsposten am Set wie Kammerafrauen oder Regisseurinnen. Manche Frauen wechseln mehr in die Entwicklung. In der Entwicklung neigt man mehr zur Büroarbeit, mit langen Arbeitstagen in der Skriptentwicklung, aber viel davon kann als Home Office gemacht werden. Darum findet man mehr Frauen in der Drehbuchentwicklung, in der Überarbeitung und Umsetzung von Drehbüchern, denn selbst wenn es viele Arbeitsstunden bedeutet, kann das oft von Zuhause aus erledigt werden. Aber in Bezug auf Arbeit am Set, wird es regelrecht unmöglich. Und das zieht sich durch und durch.

Denkst du, es beeinflusst die Finanzierung, sobald eine Frau bei einem Film Regie führt? In dem Sinne, dass die Produzenten denken „Wir vertrauen dem nicht, wenn es eine Frau mache und nehmen dafür weniger Geld in die Hand“.

Ich denke, dass es das sein kann und das dies lange die Annahme über Regisseurinnen war. Ich habe viel über die 1970er geforscht und über den amerikanischen Exploitationfilm, als Frauen mehr wahrgenommen wurden, und die Annahme in den 70ern war, dass wenn eine Frau Regie geführt hat, war es riskanter. Es wurde angenommen, dass sie emotionaler, eher hysterischer reagieren würde und eventuell nicht dem Druck standhalten könnte, zu einer männlichen Crew zu sprechen und es ihr unangenehm sein könnte, ihnen Anweisungen zu geben. All diese negativen Stereotypen über Frauen gab es in den 1970ern, als Frauen erstmals Regie führten. Und selbst heute gibt es noch einige dieser Annahmen. Das zeigte sich bei meinem Q&A im Rahmen des /slash mit Geneviève Jolliffe, von Paranormal Ghost Story, das in den späten 90ern gemacht wurde. Während der Recherche dafür habe ich herausgefunden, dass die Finanzierer gesagt haben, sie bekäme das Geld, wenn sie sich bereit erklärt, dass ihr Produzent, weil er ein Mann war, Regie führt. Wenn sie jedoch Regie führen würde, dann wollen sie nichts davon hören. Diese Art von Problemen gibt es noch immer. Aber bis Frauen erlaubt wird, die Regie zu übernehmen und sich zu beweisen, wiederholt sich so etwas immer wieder. Ich denke, in den 70ern gab es solche Aussagen explizit. Ich denke nicht, dass man sich derartiges heute zu sagen traut. Doch ich denke auch, dass viele so oder ähnlich denken und es nur auf andere Art und Weise zeigen.

Alison Peirse
Q&A mit Geneviève Jolliffe beim /slash Filmfestival © Mercan Sümbültepe

Im zweiten Teil unseres Interviews haben wir mit Alison Peirse über die Zunahme an Filmemacherinnen im Horrorgenre, ihr neues Buch und Rape-Revenge-Filme gesprochen. Ihr dürft also gespannt sein.
Der zweite Teil erscheint am 09. Februar.

Interview geführt von Heike und Florian
Transkribiert und übersetzt von Heike

Titelbild: Alison Peirse beim /slash Filmfestival © Mercan Sümbültepe

Horrorfilme… sind die Spannung und das Spiel mit menschlichen Abgründen, ein Spiegel der Gesellschaft, Zeugnis namentlicher Grauslichkeiten und Erkundung grauslicher Namenslosigkeiten. Mal tief und schwer und dann gern auch mal ein bisschen Zombie-Musical oder Blutbad dazwischen. Denn Horror und Lachflash schließen sich nicht zwingend aus.

...und was meinst du?