Mark of the Devil
Kritik

Hexen bis aufs Blut gequält (1970) – Review

Die deutsche Genre-Produktion Hexen bis aufs Blut gequält schockiert nicht nur mit detailfreudigen Folterszenen: Eindringlich zeigt der Exploiter die Folgen von Hysterie und Machtmissbrauch.

Originaltitel:
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Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Hexen bis aufs Blut gequält
Deutschland
97 Minuten
Michael Armstrong, Adrian Hoven
Michael Armstrong, Adrian Hoven
Herbert Lom, Olivera Katarina, Udo Kier u.a.

Hintergründe & Inhalt

Auf den Überraschungserfolg von Michael Reeves‘ Der Hexenjäger aus dem Jahr 1968 folgte eine kleine Welle von mal mehr, mal weniger guten Filmen, die sich ganz dem unrühmlichen Kapitel der europäischen Hexenverfolgung verschrieben. Neben Piers Haggards Folk-Horror-Klassiker In den Krallen des Hexenjägers oder dem von Schmuddelpapst Jesús Franco gedrehten Der Hexentöter von Blackmoor findet sich darunter auch ein nicht minder schockierender deutscher Genre-Beitrag.

Österreich, um 1700: Unerbittlich lässt die Kirche junge Frauen als Hexen verfolgen, erfoltert sich ihre Geständnisse und bringt sie auf den Scheiterhaufen. Auch Hexenjäger Albino (Reggie Nalder, Brennen muss Salem) erfüllt diese Aufgabe mit grimmiger Leidenschaft. Doch als der gefürchtete Inquisitor Lord Cumberland (Herbert Lom, Asylum) und sein Lehrling Christian (Udo Kier, Andy Warhol’s Dracula) in die Stadt kommen, sieht er seine Machtposition in Gefahr und greift zu drastischen Maßnahmen. Während zwischen den beiden Männern ein zunehmend brutaler Konkurrenzkampf entbrennt, beginnt Christian die Taten seines Herrn zu bezweifeln. Als seine Liebste, die schöne Gastwirtin Vanessa (Olivera Katarina, Ein großer graublauer Vogel), ebenfalls angeklagt wird, versucht er sie zu retten. Doch da ist es bereits zu spät: Der Hexenwahn greift um sich und fordert Opfer auf allen Seiten …

Kritik

Eine frühneuzeitliche Stadt mitsamt uriger Schänke und herrschaftlichem Schloss, drumherum blühende österreichische Landschaften: Wer Hexen bis aufs Blut gequält zum ersten Mal sieht, könnte glatt meinen versehentlich einen nostalgischen Heimatfilm erwischt zu haben. Doch während man sich noch verträumt zum leicht kitschigen Soundtrack von Michael Holm wiegt, liefert der Streifen bereits einen ersten Vorgeschmack auf jene Szenen, die bis 2016 noch für eine Indizierung und Beschlagnahmung gesorgt haben. Dass der Film sich, wie ein Lauftext zu verstehen gibt, als Abbildung der „historischen Wahrheit“ versteht, muss bereits hier mit einer hochgezogenen Augenbraue quittiert werden. Zumindest wird diese Geschichtsstunde nicht ohne eine gehörige Portion Exploitation abgehalten.

Mark of the Devil

Unter der Regie von Adrian Hoven und Michael Armstrong erwacht eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte zu neuem Leben. Peitschenhiebe und glühende Eisen, Daumenschrauben und Streckbänke: Der Phantasie nachgeholfen werden musste an dieser Stelle nicht – die Foltermethoden sind allesamt historisch verbürgt und beweisen wieder einmal, wie kreativ der Mensch wird, wenn es darum geht, seinesgleichen zu quälen und zu züchtigen.

Gleich zu Beginn werden wir Zeugen, wie Hexenjäger eine Gruppe unbescholtener Nonnen überfallen, vergewaltigen und ermorden. Wer das Glück hat, zu überleben, landet anschließend auf dem Scheiterhaufen. Einer jungen Novizin, die eine satanische Buhlschaft konsequent leugnet und stattdessen den Erzbischof für den Vater des unehelichen Kindes ausgibt, wird dann auch konsequent die Zunge samt Wurzel herausgerissen. Ob diese oder jene Frau nun wirklich die Geschlechtsteile des Satans geküsst, beim Hexensabbat mitgetanzt oder mit einem Brei aus Fröschen, Kröten und ihrem eigenen Blut brave Bürger vergiftet hat, gerät zur Nebensache: Die Wahrheitsfindung interessiert hier wirklich niemanden, die zügellose Marter hingegen umso mehr.

Mark of the Devil

Der wahre Teufel verbirgt sich ohnehin auf Seiten der Anklage, denn Hexenjäger Albino hat sich zum Richter und Henker aufgeschwungen, und nutzt seine Macht für ganz und gar unchristliche Zwecke. Der Inquisitor Lord Cumberland wiederum, Albinos Konkurrent im Kampf um die Macht, gibt sich zwar als ehrbarer Mann Gottes, unter dem Gewand des adeligen Tugendwächters verbirgt sich jedoch auch bei ihm purer Sadismus. Eine Legitimation für das irre Treiben ist schnell bei der Hand, denn „wir dürfen nicht schwach werden bei der Ausübung von Gottes Werk.“

Doch auch das Volk findet an diesem bedenklichen Vergnügen großen Gefallen. Als ein Priester, den man der Notzucht für schuldig befunden hat, geteert und gefedert wird, geht ein Johlen durch die Menge – der arme Teufel wird verlacht, bevor man ihn durch die gesamte Stadt jagt. Auch der qualvolle Tod der vermeintlichen Hexen trifft auf wenig Mitleid, während die selbstgerechten Zuschauer das Wissen darum verdrängen, wie schnell sie selbst durch die Denunziation eines missgünstigen Nachbarn auf dem Scheiterhaufen landen könnten. Um die Seelenrettung der verschmorten Teufelsanbeterinnen geht es dabei wohl weniger, als um die profane Befriedigung eines kollektiven Wahns, dessen Mechanismen Hexen bis aufs Blut gequält in allen blutigen Details offenlegt.

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Dass es Hexen bis aufs Blut gequält damit auch vierzig Jahren nach seiner Veröffentlichung noch gelingt zu schockieren, liegt vor allem an der traumhaften Besetzung. Mit seinem hageren, zerfurchten Gesicht und der bedrohlichen Mimik verleiht Albino-Darsteller Reggie Nalder der Figur eine abgründige Tiefe, die den Zuschauenden auf Anhieb mit Abscheu erfüllt. Auch der große Herbert Lom verkörpert die Rolle des Lord Cumberland mit aller gebotenen Grandezza und lässt seinen Lehrling Christian, gespielt vom noch jungen Udo Kier, beinahe etwas blass aussehen. Besonders erwähnt werden muss auch Gaby Fuchs (Die Nacht der Vampire), die eine junge Novizin mimt und als Scream-Queen wirklich alles gibt. Der großartig aufgelegte Cast sorgt trotz der bisweilen schleppenden Handlung für eine dichte Atmosphäre, die durch das großartige Set Design – vom bunten Marktplatz bis hin zur fiesen Folterkammer – noch weiter unterstützt wird.

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Fazit

Hexen bis aufs Blut gequält ist ein knallharter Exploitation-Film, der sich zwar begeistert in der Kreation früher Torture-Porn-Szenarien auslebt, seinen Kultstatus aber auch der gelungenen Darstellung von Hysterie und Machtmissbrauch – und damit einem sehr ernsthaften Kern – verdankt. Die deutsche Genre-Produktion ist auch heute noch jede Sünde wert.

 

Bewertung

Grauen Rating: 4 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  rating4_5
Unterhaltung  rating3_5
Anspruch  Rating: 3 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Bildquelle: Hexen bis aufs Blut gequält © Astro Distribution

Horrorfilme… sind die Suche nach Erfahrungen, die man im echten Leben nicht machen möchte. Sie bilden individuelle wie kollektive Ängste ab, zwingen uns zur Auseinandersetzung mit Verdrängtem und kulturell Unerwünschtem – und werden dennoch zur Quelle eines unheimlichen Vergnügens.

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