The Last House on the Left
Kritik

Das letzte Haus links (1972) – Review

Das letzte Haus links ist ein gähnender Abgrund der Hoffnungslosigkeit. In seinem Leinwanddebüt erschüttert Wes Craven konsequent die Gewissheiten der modernen Gesellschaft und lässt den Zuschauer am Ende sprachlos in den Ruinen zurück. Obwohl man der Low-Budget-Produktion ihr Alter hin und wieder ansieht, hat sie nichts an Radikalität eingebüßt. Wir haben dem letzten Haus links einen Besuch abgestattet und dabei auch das Remake unter die Lupe genommen.

Originaltitel:
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Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

The Last House on the Left
USA
84 Minuten
Wes Craven
Wes Craven
Sandra Cassell, Lucy Grantham, David A. Hess u.a.

Hintergründe & Inhalt

Als Vorlage für Cravens Terrorfilm diente Ingmar Bergmans Drama Die Jungfrauenquelle von 1960, in dem die Tochter eines Bauern von drei Hirten vergewaltigt und ermordet wird, die anschließend weiterziehen und ahnungslos im Haus ihrer Eltern um Unterkunft bitten. Als diese unter den Habseligkeiten der Hirten auch Gegenstände ihrer Tochter entdecken, werden sie misstrauisch. Eine Freundin gesteht schließlich, aus Eifersucht für den Tod des Mädchens gebetet und das Verbrechen aus der Ferne beobachtet zu haben. Daraufhin nimmt der Vater gewaltsame Rache an den Hirten.

Diesen Rape-and-Revenge-Plot reicherte Craven für Das letzte Haus links mit gleichermaßen expliziten wie exzessiven Gewaltdarstellungen an und verlegte ihn ins ländliche Connecticut der 1970er Jahre. Die Freundinnen Mari Collingwood und Phyllis Stone fahren nach New York, um ein Konzert der Rockband „Blood Lust“ zu besuchen. Als sie versuchen Marihuana zu kaufen, geraten sie in die Fänge des entflohenen Gewaltverbrechers Krug, der sich mit seinen Komplizen Weasel, Sadie sowie seinem labilen Sohn Junior auf der Flucht befindet. Mit ihren Geiseln fährt die Gruppe in ein Waldstück, um die Mädchen dort zu quälen, zu vergewaltigen und zu ermorden. Eine anschließende Wagenpanne treibt sie ausgerechnet zum Haus von Maris Eltern, die ganz in der Nähe wohnen und die Gäste freundlich aufnehmen. Als die Collingwoods jedoch erfahren, wem sie Zuflucht gewährt haben, üben sie grausame Selbstjustiz.

Kritik

In Das letzte Haus links zeichnet Craven ein lebendiges Bild der amerikanischen Gesellschaft in den 1970er Jahren. Zahlreiche popkulturelle Diskurse dieser Zeit wurden in den Film eingeflochten, von der feministischen Emanzipation und sexuellen Revolution der 68er-Bewegung über die Hippiekultur bis hin zum Generationskonflikt und der damit verbundenen Rebellion gegenüber Autoritäten. Mari und Phyllis wachsen in einem Vorstadtidyll auf, umgeben von schützenden Wäldern, aber eingeengt von den konservativen Wertvorstellungen der Eltern. Die jungfräuliche Mari lauscht aufmerksam den Erzählungen ihrer sexuell freizügigen Freundin und gemeinsam hängen die beiden Blumenkinder im Wald ihren Träumen vom Erwachsenwerden nach. Doch auf den Hippie-Idealismus folgt schon bald der Abgesang. Die dreckige und kriminelle Großstadt scheint zunächst die krasse Antithese zu bilden; dort treffen die Mädchen auch auf ihre Peiniger, eine Gruppe von degenerierten Verbrechern, die wiederum das Pendant zu den moralisch integreren Eltern darstellen. Doch schon bald stellt sich heraus, dass die Grenzen zwischen Gut und Böse sich nicht so einfach ziehen lassen.

The Last House on the Left
Rebellische Blumenkinder und brutale Verbrecher

„Ich möchte mal wissen, welches das gemeinste, widerlichste und brutalste Sexualverbrechen des Jahrhunderts war.“, phantasiert Weasel auf der Fahrt in den Wald und steckt damit bereits den Rahmen für die weitere Handlung ab. Er spricht den Quälereien der Gruppe damit schon im Vorfeld jedes Motiv oder jeden tieferen Sinn ab; sie dienen einzig der Unterhaltung. Craven lässt uns zu akribischen Zeugen dieser Gewalt werden, die sich ebenso realistisch wie exzessiv in die Körper der handelnden Figuren einschreibt. Das Spektrum reicht von sadistischen Demütigungen – „Piss‘ dir in deine Blue-Jeans“, fordert Krug die weinende Phyllis auf – bis hin zur grausamen Ermordung der beiden Mädchen. Durch die teilweise Verwendung einer bewegten Kamera, den rasanten Schnitt und die semi-dokumentarische Inszenierung wirkte die Handlung erschreckend authentisch.

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Gemarterte Körper

Diese Tour de Force wird immer wieder unterbrochen von harmlosen Alltagssequenzen. Die heiteren Einschübe sorgen aber keinesfalls für Auflockerung, sie stellen die Drastik des Geschehens nur umso deutlicher heraus. So planen Maris Eltern die Geburtstagsfeier ihrer Tochter, während diese nur wenige Meter entfernt ihr Leben aushaucht. Zeitgleich stolpern die Hüter des Gesetzes von einem Sketch in den nächsten und könnten mit ihren unfreiwilligen Slapstick-Einlagen als astreines Komikerduo durchgehen: Die staatliche Ordnungsmacht verkommt zu einem komischen Randphänomen, während um sie herum die Gewalt eskaliert. Am Ort des Geschehens treffen sie erst ein, als es längst zu spät ist.

Im Gegensatz zu Bergmans Die Jungfrauenquelle verzichtet Craven auf das Übernatürliche; brachiale Körperlichkeit und animalische Triebe beherrschen seinen Film und lassen keinen Raum für Transzendenz. Nicht nur den kümmerlichen Schauspielkünsten der Darsteller ist es geschuldet, dass die Phase der elterlichen Trauer kurz und schmerzlos ausfällt. Stattdessen wenden die Collingwoods all ihre Energie und Kreativität auf, um mögliche Todesarten für die Mörder ihrer Tochter zu ersinnen. Geradezu bizarr muten die Szenen an, in denen der Vater des Nachts durch das Haus schleicht, um improvisierte Fallen zu installieren, und lassen den Film kurz zu einer FSK18-Version von Kevin allein zu Haus geraten.

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Das letzte Abendmahl im Hause Collingwood

Derweil die Eltern der Versuchung der Gewalt erliegen, bemüht sich Craven die Verbrecher nicht vollkommen ins Monströse abgleiten zu lassen. Junior wird von Alpträumen gequält, in denen sich die Morde wiederholen; als er erwacht, ist er kaum mehr als ein Häufchen Elend. Und selbst der hartgesottene Weasel wird von nächtlichen Visionen heimgesucht, in denen Maris Eltern ihm mit Hammer und Meißel die Vorderzähne ausschlagen. Zuvor als vergnügungssüchtige Sadisten gezeigt, scheint an den Verbrechern nun auch eine menschliche Seite auf – im selben Moment, in dem die Eltern aus dem normativen Referenzrahmen der bürgerlichen Familie heraustreten.

Denn ihre Rache ist keinesfalls zweckrational, vielmehr spiegelt sie auf perverse Weise das Vorgehen der Verbrecher wider: Hier wie dort verbinden sich Sexualität und Gewalt. Weasel verblutet, nachdem Maris Mutter ihn zu einem Blow Job verführt und ihm dabei den Penis abgebissen hat; Krug wiederum stirbt durch eine Kettensäge, die Maris Vater tief in den Leib des Vergewaltigers treibt – die phallische Konnotation ist unübersehbar. Die Gewalt erscheint als ein Automatismus, als eine Spirale, die nicht mehr aufzuhalten ist und nur die Abwärtsbewegung kennt. Die Rache selbst scheint libidinös aufgeladen, ist schrankenlos geworden und hat alle Beteiligten mit sich fortgerissen. Doch nach dem Rausch folgt zuverlässig der Kater.

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Leatherface war nicht der Erste, der die Vorzüge einer guten Kettensäge zu schätzen wusste

Nachdem der Vater in Die Jungfrauenquelle seine gewaltsame Rache genommen hat, bittet er Gott um Vergebung. Die Ungeheuerlichkeit seiner eigenen Tat lastet schwer auf seinen Schultern. Doch Bergman gewährt ihm ein bittersüßes Ende: Nachdem der Vater gelobt, eine Kirche zu errichten, entspringt unter dem Leichnam seiner Tochter eine Quelle. Das letzte Haus links hingegen endet in einer Sackgasse. Als die Polizisten endlich in das Haus vordringen, stoßen sie auf eine Szenerie des Schreckens: Die blutbedeckten Eltern stehen inmitten grausam zugerichteter Leichen, die Kettensäge noch in der Hand. Im Hintergrund, auf einem Sofa, liegt die längst erkaltete Leiche von Mari. Die Gewalt hat sich verselbstständigt zu einem Exzess jenseits aller moralischen Grenzen, der mit der Vorstellung einer gerechten Rache nichts mehr zu tun hat. Eine sinnhafte Einordnung des Geschehens wird auf diese Weise auch dem Zuschauer verwehrt. Es gibt keine Helden, nur Überlebende, die sprach- und reglos in den Trümmern ihrer Existenz stehen.

The Last House on the Left
Estelle und John Collingwood in den Ruinen ihres Wohnzimmers – und ihrer Existenz

Das Remake macht aus diesem katastrophalen Twist eine Nullnummer. Der entscheidende Unterschied zum Original ist das Überleben der jungen Mari, so dass die ausufernden Gewalteskapaden der Eltern jederzeit mit dem Schutz des schwerverletzten Mädchens erklärbar bleiben. Der Nimbus einer gerechten Rache wird nicht in Frage gestellt, die beunruhigende Atmosphäre des Originals verpufft. Hilflos versucht Last House on the Left stattdessen seinen überaus blassen Protagonisten durch ihre Einzelschicksale psychologische Tiefe zu verleihen und sie mit Identifikationspotential auszustatten, während die Antagonisten zu gewissenlosen Monstern degradiert werden. Die fatale Ambivalenz des Originals wird zugunsten eines leicht konsumierbaren Horrorerlebnisses eingestampft – die Familie triumphiert und legitimiert damit eben jene Gewalt, die das Original mit allen Kräften problematisiert hat. An die Stelle abgrundtiefer Hoffnungslosigkeit tritt ein billig erkauftes Happy End.

The Last House on the Left
Gut gegen Böse: Im Remake müssen die braven Collingwoods ihre Familie gegen eine monströse Verbrecherbande verteidigen

Fazit

Mit Das letzte Haus links schuf Wes Craven im Jahr 1972 einen der Klassiker des Terrorkinos. Konsequent verweigert der Film jedwede Sinnstiftung, liquidiert jeden möglichen Normhorizont, der dem Zuschauer die Einordnung des Geschehens ermöglichen würde. Positive Figuren gibt es nicht, die sittlich verwahrloste Verbrecherbande ist ebenso zu eruptiven Gewaltausbrüchen fähig wie die wohlsituierte bürgerliche Familie. Am Ende bleibt nur die Sprachlosigkeit.

Erschütternder als die abgrundtief düstere und trostlose Geschichte, die der Film erzählt, ist eigentlich nur ein Blick auf das 2009 unter der Schirmherrschaft von Craven produzierte Remake. Die subversive Gesellschaftskritik verkommt in Last House on the Left zu einem glattgebügelten und seelenlosen Horrorschocker, der Tiefe vorgaukelt, wo nur Plattitüden lauern. Trotz der Jahrzehnte, die zwischen ihnen liegen, bleibt das Original seinem Nachfolger haushoch überlegen.

 

Bewertung

Grauen Rating: 5 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  rating4_5
Unterhaltung  Rating: 2 von 5
Anspruch  Rating: 4 von 5
Gesamtwertung Rating: 5 von 5

Bildquelle: Das letzte Haus links © Laser Paradise

Horrorfilme… sind die Suche nach Erfahrungen, die man im echten Leben nicht machen möchte. Sie bilden individuelle wie kollektive Ängste ab, zwingen uns zur Auseinandersetzung mit Verdrängtem und kulturell Unerwünschtem – und werden dennoch zur Quelle eines unheimlichen Vergnügens.

...und was meinst du?