Day of the Woman
Kritik

Ich spuck‘ auf dein Grab (1978) – Review

Ich spuck‘ auf dein Grab ist einer der Höhepunkte des Rape-and-Revenge-Films und sorgt noch heute für gespaltene Reaktionen. Doch obwohl Regisseur Meir Zarchi nicht vor Sex und Gewalt zurückschreckt, hat der Streifen noch wesentlich mehr zu bieten.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Day of the Woman
USA
101 Minuten
Meir Zarchi
Meir Zarchi
Camille Keaton, Eron Tabor, Richard Pace u.a.

Inhalt

Die junge Schriftstellerin Jennifer Hills (Camille Keaton, Lords of Salem) hat über den Sommer ein abgelegenes Ferienhaus in Neuengland angemietet, um dort in Ruhe ihren ersten Roman zu verfassen. Ihre Ankunft entgeht auch einer Gruppe junger Männer nicht, die – angestachelt von ihren Fantasien über die vermeintlich lockere Sexualmoral von Großstädterinnen – den rigorosen Plan fassen, Jennifer zu vergewaltigen. Dazu lauern sie ihr im Wald auf, jagen, quälen, schlagen und vergewaltigen sie mehrfach. Anschließend soll der geistig zurückgebliebene Matthew die junge Frau töten, kann sich jedoch nicht überwinden und täuscht die Tat nur vor. Jennifer überlebt schwer verletzt und schwört grausame Rache an ihren Peinigern …

Kritik

Klassiker oder Schund? Bei Ich spuck‘ auf dein Grab scheiden sich die Geister selbst hartgesottener Horror-Fans. Der Film musste sich den Vorwurf gefallen lassen, das Rape-and-Revenge-Narrativ lediglich als Aufhänger für exploitative Gewaltinszenierungen auszunutzen und sich in den Qualen der Hauptdarstellerin zu suhlen. Gerade die rohe Einfachheit der Low-Budget-Produktion wirkte schockierend und sorgte dafür, dass der Film in Deutschland bis heute beschlagnahmt ist.

Nüchtern, beinahe dokumentarisch wird die Vergewaltigung abgefilmt. Der Verzicht auf musikalische Untermalung unterstützt diesen brutalen Realismus und verleiht dem Geschehen eine elementare Wucht, die einem Schlag in die Magengrube gleichkommt. Quälend langsam schreitet die Handlung voran und präsentiert uns das Geschehen in allen erniedrigenden Details. Bemerkenswert ist allerdings, dass der Film zwar immer wieder Nahaufnahmen des Opfers, vor allem aber der Täter zeigt. Die Identifikation mit Jennifer, nicht mit ihren Peinigern, ist das Ziel.

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Die Dramaturgie der Gewalt ähnelt dennoch in frappierendem Ausmaß der eines Pornofilms. Sie besteht aus einer Serie von Angriffen auf die Frau, gefolgt von einer Serie von Angriffen auf die beteiligten Männer: eine Aneinanderreihung von money shots. Die wenigen Dialoge, die zwischendurch anstandshalber geführt werden, sind aufgrund der schlechten Aufnahmequalität ohnehin kaum zu verstehen. Es verwundert also kaum, wenn die Entwicklung Jennifers vom traumatisierten Vergewaltigungsopfer zur grausamen Rachegöttin, die kaltblütig den eigenen Körper instrumentalisiert, im Film nicht weiter erklärt wird: Ich spuck‘ auf dein Grab inszeniert lieber die Konsequenzen dieser Wandlung.

Psychologische Tiefe sollte man also nicht erwarten, die gäbe das Spiel der Darsteller – mit Ausnahme der verstörend-großartigen Camille Keaton – wohl auch nicht her. Mit seiner reißerischen Emanzipationsgeschichte bietet Regisseur Meir Zarchi 70er-Jahre-Terrorkino par excellence und damit naturgemäß eine breite Angriffsfläche: Sein Film ist erschreckend, abstoßend – und dennoch verbirgt sich hinter der Maske des Grauens ein kritischer Impuls.

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Jennifer ist eine gebildete und selbstbestimmte junge Frau, während die Männer schon an ihrer latzhosenlastigen Garderobe unschwer als Hillbillys der Extraklasse zu erkennen sind. Von den heimischen Frauen bekommen sie – buchstäblich – einen Tritt in den Hintern verpasst und trollen sich wie geprügelte Hunde. Von der Unabhängigkeit der Großstädterin fühlen die Männer sich angezogen, aber zugleich provoziert. Bei der Vergewaltigung geht es deshalb nicht nur um sexuelle Motive, sondern auch um die symbolische Wiederherstellung männlicher Überlegenheit. Unter lautem Geschrei jagen die Männer sie durch den Wald, treiben sie wie ein wildes Tier bei der Hatz vor sich her. Obwohl die verletzte Frau keine Chance hat, zu entkommen, fühlen ihre Häscher sich bei diesem sadistischen Treiben in ihrer Männlichkeit sichtlich bestätigt und genießen ihre Macht.

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Wenn das Opfer sich schließlich an seinen Peinigern rächt, indem es sie zunächst mit vollem Körpereinsatz verführt, scheint Zarchi seinem Film damit einen Bärendienst zu erweisen. Doch dass keiner der Männer Verdacht schöpft, als die gequälte Frau sie nacheinander zu Sex-Dates bittet, zeigt nur nochmal, wie pervertiert ihr Denken ist – sie glauben, es Jennifer bei der Vergewaltigung dermaßen gut besorgt zu haben, dass sie sich nun einen Nachschlag holt.

Die toxische Männlichkeit der Hauptcharaktere ist zwar überspitzt dargestellt, referiert aber auf ein reales gesellschaftliches Phänomen. Mit sexualisierter Gewalt verbinden sich zahlreiche Vorurteile, die Ich spuck‘ auf dein Grab in ihrer ganzen Misogynie offenlegt. Sicher wären auch die vier Männer davon überzeugt, dass „Nein“ eigentlich „Ja“ meint, nachdem sie Jennifer schon erklären, dass sie die Vergewaltigung mit ihrem kurzen Sommerkleid selbst provoziert habe. Schließlich ist ein Mann eben auch nur ein Mann.

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Fazit

Wer den Rape-and-Revenge-Streifen kritisieren will, dem bietet Regisseur Meir Zarchi mit seiner reißerischen Inszenierung zweifellos genügend Angriffsfläche. Ich spuck‘ auf dein Grab ist ein räudiges und äußerst unangenehmes Stück Filmgeschichte, an dem sich die Geister bereits 1978 schieden und das bis heute nichts von seiner polarisierenden Wirkung eingebüßt hat. Auf die Frage, warum sich Gewalt – im klassischen Terrorfilm, aber auch noch heutzutage – mit Vorliebe in den weiblichen Körper einschreibt, finden wir bei Meir Zarchi den Versuch einer Antwort. Obwohl auch sein Film keinesfalls frei von Sexploitation ist – und die weibliche Selbstermächtigung, die er darstellt, alles andere als unproblematisch – solidarisiert er uns mit dem Opfer, statt uns zu Komplizen der Täter werden zu lassen und legt den Frauenhass seiner Protagonisten schonungslos offen.

Bewertung

Grauen Rating: 3 von 5
Spannung rating1_5
Härte  rating4_5
Unterhaltung  Rating: 1 von 5
Anspruch  Rating: 2 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Bildquelle: Ich spuck‘ auf dein Grab © Astro Distribution

Horrorfilme… sind die Suche nach Erfahrungen, die man im echten Leben nicht machen möchte. Sie bilden individuelle wie kollektive Ängste ab, zwingen uns zur Auseinandersetzung mit Verdrängtem und kulturell Unerwünschtem – und werden dennoch zur Quelle eines unheimlichen Vergnügens.

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