Sleepaway Camp und Transphobie
Abgründe

Blutiger Sommer – Camp des Grauens (1983) und Transphobie im Horrorfilm

Blutiger Sommer – Camp des Grauen ist ein Camp-Slasher in der Tradition von Freitag, der 13., der im Laufe der Jahre eine große Fangemeinde um sich scharen konnte. Jedoch musste er sich auch oft den Vorwurf der Transphobie gefallen lassen. Wir haben uns das Thema für euch genauer angeschaut.

Klassisch für einen Slasher beginnt der Film in der Vergangenheit. Angela und ihr Bruder Peter sind mit ihrem Vater auf dem See unterwegs, wo es durch die Unachtsamkeit zweier Betreuer:innen des nahegelegenen Ferienlagers zu einem grausamen und tödlichen Unfall kommt. Acht Jahre später, Angela ist bei ihrer Tante Martha untergekommen, machen sich Angela und ihr Cousin Ricky auf den Weg ins Ferienlager. Doch nichts ist mit Happy Camper: Angela sieht sich aufgrund ihrer sehr stillen Art exzessivem Mobbing ausgesetzt und zudem erschüttert eine Mordserie das Lager.

Ein Kultfilm nicht ohne Problemzonen

Blutiger Sommer – Camp des Grauens oder Sleepaway Camp, wie er im Original heißt, gehört zu den in den 80ern recht beliebten Camp-Slashern in der Tradition von Freitag, der 13. oder Brennende Rache. Obwohl der Film vier Sequels nach sich zog und eine treue Fangemeinde aufbauen konnte, ist er hierzulande vor allem eingefleischten Slasher-Fans bekannt. Dabei kann der Film mit einem realistischen Camp-Setting und authentischen jungen Schauspieler:innen, die nicht schon jenseits der 20 sind, punkten. Allein das gibt dem Film sein einzigartiges Flair. Zudem kann der Film mit kreativen und prächtig inszenierten Kills aufwarten und ist bisweilen herrlich schräg bis geradezu bizarr – wozu die überspitzten Performances der (Laien-)Schauspieler ihren Teil beitragen.
Einer der Hauptgründe warum Sleepaway Camp einen gewissen Kultstatus genießt, liegt allerdings an seinem unerwarteten, schockierenden und äußerst expliziten Ende – welches uns dann auch direkt zum eigentlichen Thema bringt.

Rekapitulieren wir die Geschichte von Angela einmal zur Gänze – und hier folgen jetzt selbstverständlich SPOILER, also falls ihr euch von dem Film noch überraschen lassen wollt, dann solltet ihr ab sofort aufhören zu lesen.

Beim oben angesprochenen Unfall überlebt nämlich nicht Angela als Einzige von den Dreien, sondern Peter. Peter kommt bei seiner exzentrischen Tante Martha unter, die mit Ricky schon einen Sohn hat und doch viel lieber eine Tochter hätte. Kurzerhand beschließt sie Peter als Mädchen großzuziehen, als Angela. Im Folgenden ist im Text, immer wenn ich auf Peter oder Angela verweise immer dieselbe Person gemeint. Im Camp ist es nun auch Angela, die sich an all ihren Peiniger:innen rächt und eine Blutspur durchs Camp zieht. In der letzten Szene des Films finden zwei Betreuer:innen Angela nackt am Strand mit einem abgetrennten Kopf in ihrem Schoß. Als Angela aufsteht, erkennen die zwei, dass die Person, die sie die ganze Zeit als weiblich identifiziert haben, einen Penis hat. Der Betreuer kommentiert das etwas lethargisch mit: „ Sie ist ein Junge!“ Angelas Gesicht ist zu einer Fratze verzogen und sie gibt animalische Laute von sich. An dieser Stelle friert das Bild ein und die Credits beginnen zu laufen.

Sleepaway Camp und Transphobie
Ricky und Angela mit Tante Martha

Transphobie im Horrorfilm

Genau dieses Ende ist es nun, was dem Film seine besondere Stellung im Genre einbrachte, aber eben auch Kritik aufgrund seiner transphoben Darstellung. Bevor ich auf diesen Vorwurf näher eingehe, ist es in meinen Augen wichtig klarzustellen, dass sich das Horrorgenre selten mit Ruhm bekleckert hat, wenn es um die Darstellung von Transmenschen ging. Das betrifft natürlich auch andere Genres, aber im Horrorfilm kommt erschwerend hinzu, dass zusätzlich oft eine Verbindung mit den (geistig abnormen) Killern besteht. Dies ist besonders dann bedenklich, wenn Transgender oder Cross-Dressing genutzt wird, um eine Art von Bedrohung oder Schock beim Publikum auszulösen. Dies ist besonders schwerwiegend, da es kaum positiv besetzte Transgender-Charaktere im Genre gibt. Diese Verknüpfung hat eine lange Tradition und reicht von Psycho über Dressed to Kill und Das Schweigen der Lämmer bis hin zu aktuellen Filmen wie Insidious 2 und Ghostland. Gerade Das Schweigen der Lämmer hat mit Buffalo Bill wirklich einen Transgender-Charakter und verknüpft dessen abnormes Verhalten direkt mit der Geschlechtsidentität des Charakters. Doch bevor jetzt das große Geschrei losgeht: das hat natürlich nichts mit der filmischen Qualität dieser Streifen zu tun, sondern allein mit ihrer Darstellung von Transmenschen. Und es sollte uns schon zu denken geben, dass viele Menschen bei Transgender womöglich als erstes an Buffalo Bill denken und was diese Assoziation bei Transmenschen auslöst.

Buffalo Bill aus Das Schweigen der Lämmer
Buffalo Bill in Das Schweigen der Lämmer

Ist Sleepaway Camp transphob?

Vorweg: Natürlich kann ich diese Frage als Cis-Mann nicht umfassend und abschließend beantworten, sondern allein nur meine Gedanken aus meiner Perspektive dazu teilen. Daher würde ich mich sehr über Feedback zu diesem Text freuen.

Sleepaway Camp hat den zweifelhaften Ruf, die transphobe Tradition im Horrorfilm auf die Spitze getrieben zu haben – und zweifelsfrei ist einiges an dem Camp-Slasher überaus problematisch. Der Film schreibt die oben angeführte Verknüpfung zwischen Transgender und einer durch eine Geisteskrankheit verursachten Bedrohung für die Gesellschaft fort, bedient das Vorurteil, dass sich Transmenschen als etwas ausgeben, was sie gar nicht sind, nur um damit ihre Umwelt zu täuschen und stellt die Wandlung als nicht selbstbestimmt, sondern von außen aufgezwängt dar. Es spielt daher für die öffentliche Wahrnehmung auch keine Rolle, dass Peter nicht einmal wirklich transgender ist.

Doch trotz dieser unbestreitbaren Schwächen im Narrativ von Sleepaway Camp bietet der Film durchaus auch positive Aspekte in Bezug auf Transgender und LGBTQ im Allgemeinen. Allein schon das Intro mit dem Unfall am See und den folgenden Szenen mit Peters/Angelas Tante wirft ein durchaus interessantes Licht auf das klassische Familienbild. Die Familie, die zu Beginn zerstört wird, besteht aus John Baker, seinem Partner Lenny und seinen zwei Kindern Angela und Peter. Der Film porträtiert diese Familie mit zwei Vätern als eine äußerst liebevolle, in der Angela und Peter glücklich aufwachsen. Ganz im Gegensatz zu deren heterosexuellen, alleinerziehenden und offensichtlich geistig gestörten Tante, die Peter ein neues Geschlecht aufzwingt. Die Sympathien von Sleepaway Camp sind hier eindeutig verteilt.

Sleepaway Camp und Transphobie
Angelas Vater und sein Partner

Ähnlich verhält es sich in Bezug auf Transgender. Angela ist der Held des Films und sie ist auch die Identifikationsfigur für das Publikum. Wir erleben den Camp-Alltag aus Angelas Augen: den Versuch einer sexuellen Belästigung des Kochs, des Mobbing durch andere Camper:innen und auch Betreuer:innen. Während der grausamen Morde an Angelas Peiniger:innen, interessiert sich der Film herzhaft wenig für seine Opfer und begegnet diesen mit allerlei kreativen Mordwerkzeugen, aber sicherlich nicht mit Empathie. Vielmehr ist es ein befriedigender Akt der Selbstjustiz, dass diese Personen bekommen, was sie verdienen. Denn es sind hier auch nicht irgendwelche Jugendlichen, die dran glauben müssen, sondern gezielt jene Personen, die Angela das Leben zur Hölle machen. Darin steckt eine gewisse Selbstermächtigung Angelas, die der Film offen vor sich herträgt.
So ist auch im finalen Akt das wirklich Erschreckende nicht etwa, dass die vermeintliche Angela nackt mit ihrem Penis am Strand steht, sondern dass der Film offenbart welches Leid Peter durch den psychischen Missbrauch durch seine Tante durchmachen musste – eben weil er in Konventionen eines Geschlechts gepresst wurde, die nicht seiner Geschlechtsidentität entsprechen, was auch viele Transmenschen durchmachen müssen. Der wirkliche Horror ergibt sich dementsprechend eben nicht aus der Täuschung, dass das vermeintliche Mädchen einen Penis hat, sondern aus den Qualen, die dies offenbart.

Fazit und Ausblick

Für mich ist Sleepaway Camp daher auch viel mehr als nur eine weitere miserable Darstellung von Transmenschen im Horrorfilm. Wie gesagt hat der Film seine Schwächen und vor allem die schockierende letzte Einstellung fügt in seiner entmenschlichenden Inszenierung dem Bild von Transgender in der Öffentlichkeit definitiv Schaden zu, das steht für mich auch außer Frage. Dennoch wird man dem Film in meinen Augen nicht gerecht, wenn man ihn als einziges transphobes Ungeheuer betrachtet, denn auch wenn er teilweise recht ungeschickt und auch exploitativ vorgeht, so erkenne ich in dem Film viel Anerkennung und Empathie für die Anliegen der LGBTQ-Community, was gerade auch für einen Horror-Slasher Anfang der 80er durchaus beachtlich ist.

Hari Nef in Assassination Nation
Hari Nef (rechts) als Bex in Assassination Nation

So ist gut 35 Jahre später peinlich und erschreckend zugleich, dass selbst heute noch Filme im Genre Transmenschen für billigen Shock Value missbrauchen. Es gibt nichts, was an Transmenschen abnormal, ekelhaft oder gar bedrohlich wäre. Ganz im Gegenteil ist diese Personengruppe sogar wesentlich gefährdeter Opfer von (sexualisierten) Gewaltverbrechen zu werden als andere.
Glücklicherweise gibt es gerade in jüngster Vergangenheit aber auch positive Beispiele im Genre wie zum Beispiel Bit oder Assassination Nation. In beiden Filmen ist eine der Protagonistinnen eine Transfrau, die zudem von einer Transfrau gespielt wird. Die Filme drehen sich jedoch nicht um dieses Thema, sondern behandeln die Charaktere wie jeden anderen im Film auch, mit all ihren Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen, guten und dummen Entscheidungen – woran sich viele Autor:innen und Regisseur:innen im Genre ein Beispiel nehmen sollten, damit wir diese beschämende, transphobe Tradition im Horrorfilm endlich hinter uns lassen können. Es wäre so langsam an der Zeit.

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

3 Comments

  • Jörg Baillie

    Während des gesamten Films wird offenbart, dass Buffalo Bill eine Transgender-Frau ist. Sie hat eine Operation zur Geschlechtsumwandlung beantragt, sich weiblich gekleidet und zieht es vor, ihren Penis zwischen ihren Beinen zu verstecken. Die wird nicht nur durch die Aussagen von Hannibal Lecter bestätigt, sondern auch in dessen Unterlagen widergegeben. Zu behaupten das Buffalo Bill kein Transgender sei, ist schlichtweg falsch.

  • Jules Winnfield

    Buffalo Bill war nicht trans, Du solltest dir den Film vielleicht noch einmal anschauen, Du hast ihn bisher offensichtlich nicht kapiert! Deine Scheuklappen abzunehmen könnte helfen! Es wäre wirklich schön wir diese beschämende, transverherrlichende Tradition in der Schundpresse endlich hinter uns lassen können. Es wäre so langsam an der Zeit.

    • Florian Halbeisen

      Hi Jules,

      es könnte auch helfen, sich etwas freundlicher auszudrücken, selbst wenn man anderer Meinung ist.
      Ich gebe dir recht, dass der Film das nicht eindeutig behandelt, ob Buffalo Bill transgender ist oder nicht. Er zeigt jedoch zumindest Zeichen von Gender Dysphoria, ich denke darauf können wir uns einigen. Aber ich bin bei dir, dass meine eindeutige Zuordnung von Buffalo Bill als transgender nicht differenziert genug ist – in diesem Sinne Danke für die kritische Anmerkung.
      Dennoch wird Buffalo Bill vermehrt als transgender gelesen, unabhängig davon, ob dies nun auf den fiktiven Charakter wirklich zutrifft oder nicht, daher halte ich meine daraus gezogenen Schlussfolgerungen für nach wie vor gültig, selbst wenn die Aussage zuvor zu schwammig ist.

      Liebe Grüße
      Flo von der transverherrlichenden Schundpresse

...und was meinst du?