Roter Drache
Kritik

Roter Drache (2002) – Review

In Roter Drache ist Edward Norton als Will Graham auf der Jagd nach einem Serienkiller und braucht dabei ausgerechnet Hilfe von dem Mann, der ihn fast das Leben gekostet hat.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:
Vorlage:

Red Dragon
USA
124 Minuten
Brett Ratner
Ted Tally
Anthony Hopkins, Edward Norton, Ralph Fiennes u.a.
Roman „Roter Drache“ von Thomas Harris

Inhalt

Nachdem erneut eine Familie von dem unbekannten Serienmörder, den die Presse „Zahnfee“ getauft hat, getötet wurde, bleibt Special Agent Jack Crawford nur noch eine Möglichkeit, dem Killer Einhalt zu gebieten. Er wendet sich an den besten Profiler, den das FBI zu bieten hat: Will Graham. Doch der hat sich nach der traumatischen Gefangennahme des Kannibalen Hannibal Lecter frühzeitig aus dem aktiven Dienst zurückgezogen und geht nur widerwillig auf die Bitte Crawfords ein. Um den Mörder endgültig hinter Gittern zu bringen, muss Graham eine Allianz mit dem Bösen eingehen und sich seinen Ängsten stellen, denn nur Lecter kann ihm helfen …

Kritik

1981 publizierte der amerikanische Schriftsteller Thomas Harris mit „Roter Drache“ seinen zweiten Roman. Nachdem Harris sich mit seinem Erstlingswerk „Schwarzer Sonntag“ dem Thema Terrorismus und Gehirnwäsche annahm, kreierte er mit seinem Folgewerk ein verstörendes Katz-und-Maus-Spiel zwischen zwei innerlich zerrissenen Individuen. Die Geschichte um den psychisch labilen FBI Profiler Will Graham und den an einer dissoziativen Identitätsstörung leidenden Serienkiller Francis Dolarhyde gibt zwar den Ausschlag für die Geschichte, doch ist der Roman gleichzeitig die Geburtsstunde eines weitaus größeren Ungetüms, das mit der Verfilmung von Harris‘ drittem Roman fest in der Popkultur verankert werden sollte: Hannibal Lecter.

Edward Norton als Will Graham in Roter Drache
Edward Norton als Will Graham

Bereits 1985 gab es den ersten Versuch, die komplexe Geschichte von „Roter Drache“ auf die Leinwand zu bringen. Das Resultat war Manhunter von Regisseur Michael Mann (Heat). Obwohl der Film heutzutage als absoluter Geheimtipp gilt, floppte Manns hypnotischer Thriller an den Kinokassen und spielte kaum mehr als die Hälfte seiner Ausgaben wieder ein. Es sollte weitere 17 Jahre dauern, bis sich ein Regisseur erneut an Harris‘ Roman herantraute. Angetrieben durch den unglaublichen Erfolg von Das Schweigen der Lämmer und dem kommerziellen Misserfolg der Fortsetzung Hannibal zum Trotz, nahm Rush-Hour-Regisseur Brett Ratner sich des Stoffes an.

Anders als in Harris‘ Roman oder Manns Manhunter ist Lecters Verhaftung im Prolog nun nicht mehr Teil eines einfachen Gesprächs mitten im Film, sondern wird auch tatsächlich gezeigt. So sehen wir nicht nur, wie der berühmt-berüchtigte Hannibal in seiner Zelle gelandet ist, sondern auch wie Will Graham zu seinem Trauma kam. Anthony Hopkins läuft, im Gegensatz zu seiner schwächelnden Performance in Hannibal, wieder zur Höchstform auf. Allerdings sieht man Hopkins sein fortgeschrittenes Alter trotz nach hinten gestriegeltem Haar deutlich an und da Roter Drache zeitlich vor Das Schweigen der Lämmer angesiedelt ist, fällt dies leider noch mehr ins Gewicht und nervt mich extrem.

Anthony Hopkins als Hannibal Lecter in Roter Drache
Der sichtlich gealterte Anthony Hopkins als Hannibal Lecter

Trotz dieses kleinen Mankos kommt der Film beinahe an die Qualität des oscarprämierten Meisterwerks von Jonathan Demme heran. Natürlich hat der Film nicht denselben popkulturellen Status wie Das Schweigen der Lämmer, dennoch steht er ihm in punkto Unterhaltung in nichts nach. Das liegt insbesondere an dem hervorragenden Schauspiel aller Beteiligten. Edward Norton ist ein unglaublich talentierter Schauspieler, der sich voll und ganz in seine Rolle hineinversetzt. Er verleiht der Figur des Will Graham einen zugleich undurchschaubaren und doch geerdeten Charakter. Obwohl er sich immer weiter in den Fall hineinsteigert und die Konfrontation mit seinem ärgsten Widersacher suchen muss, bleibt er noch immer auf dem Boden der Tatsachen.
Ralph Fiennes verkörpert den Serienkiller Francis Dolarhyde. Ähnlich wie Norman Bates in Alfred Hitchcocks Psycho ist Fiennes Figur, ein psychisch kranker Mann, der an einer dissoziativen Identitätsstörung leidet, das heißt dass verschiedene Persönlichkeiten die Kontrolle über Denken, Fühlen und Handeln übernehmen. Er ist ein Mensch, dem Unaussprechliches angetan wurde, aber auch ein Monster, das ebenso Unaussprechliches tut. Dolarhyde erweckt streckenweise sogar Mitleid, wenn er selbst vollkommen entsetzt über seine eigenen Taten ist oder sich für sein Aussehen schämt und darum erleichtert ist, dass seine blinde Arbeitskollegin ihn akzeptiert. Er ist ein faszinierender Charakter und in Roter Drache sogar interessanterer als Lecter, von dem man eigentlich schon so gut wie alles weiß.

Roter Drache
Francis Dolarhyde mit seiner blinden Arbeitskollegin (Emily Watson)

Ein Film solchen Formats lebt natürlich nicht von seinen Darstellern allein. Brett Ratner, der mich als Regisseur vollkommen überrascht hat, versteht es hervorragend, die Geschichte ins rechte Licht zu rücken. Während Manhunter sich mit seinem stylischen Flair und den Sonnenuntergängen wie ein typischer 80er-Jahre-Thriller anfühlt, reduziert Kameramann Dante Spinotti (L.A. Confidential) die Farben und den Ton in Roter Drache auf ein Minimum und erschafft dadurch eine klaustrophobische Atmosphäre, in der die Bedrohung ebenso erdrückend wie greifbar ist. Mir läuft jedesmal ein leichter Schauer über den Rücken, wenn ich die Bilder von Ralph Fiennes‘ tätowiertem Rücken vor einer weißen Leinwand sehe. Genauso schockieren mich auch immer wieder die Szenerien der Tatorte und das Maß der Gewalt, die dort geherrscht haben muss. Im Vergleich zu Ridley Scotts fast schon comichafter Gewalt in Hannibal tritt Ratners Film deutlich reduzierter auf, dennoch verfehlen diese Szenen in keiner Weise ihre Wirkung und es gibt genügend Schüsse, Stiche, Brände, Folterungen und sogar eine brennende Leiche im Rollstuhl. Die Gewalt ist hier aber wohldurchdacht eingesetzt und trägt zur überaus beklemmenden Atmosphäre bei.

Fazit

Roter Drache reicht zwar nicht ganz an die Qualität seines herausragenden Vorgängers heran, traut sich aber dennoch aus dessen Schatten hervorzutreten. Ratner beweist, dass es möglich ist, eine würdige Fortsetzung zu drehen. Einfacher ausgedrückt: Roter Drache ist die hervorragende Verfilmung eines hervorragenden Romans.

 

Bewertung

Grauen Rating: 2 von 5
Spannung Rating: 4 von 5
Härte  Rating: 2 von 5
Unterhaltung  Rating: 4 von 5
Anspruch  Rating: 4 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Bildquelle: Roter Drache © Universal Pictures

Horrorfilme sind wie Essen. Zwischen dem immer gleichschmeckenden Fast Food, gibt es auch mal kulinarische Höhepunkte, die es aber nur zu Erkunden gibt, wenn man sich auch mal traut, etwas Neues auszuprobieren.

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