Ginger Snaps 2: Unleashed
Kritik

Ginger Snaps II: Entfesselt (2004) – Review

Filme wie When Animals Dream, Raw oder Wildling sind längst in die Fußstapfen der Ginger-Snaps-Trilogie getreten. Doch den Rang ablaufen kann die Konkurrenz den Fitzgerald-Schwestern trotzdem nicht. Nach dem Überraschungserfolg des ersten Teils stellt sich in Ginger Snaps II nun die junge Brigitte dem Horror des Erwachsenwerdens – und beißt sich durch.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Ginger Snaps 2: Unleashed
Kanada
94 Minuten
Brett Sullivan
Karen Walton, Megan Martin
Emily Perkins, Brendan Fletcher, Katharine Isabelle u.a.

Inhalt

Nach den Ereignissen aus Ginger Snaps bleibt die infizierte Brigitte (Emily Perkins, Insomnia) allein zurück und versucht mit allen Mitteln, ihre eigene Verwandlung in einen Werwolf aufzuhalten – selbst, wenn sie sich dafür regelmäßig giftiges Eisenhutextrakt injizieren muss. Als die Polizei sie nach einer Überdosis aufgabelt, landet die für einen profanen Junkie gehaltene Brigitte in einer Entzugseinrichtung. Dort schenkt man ihren Warnungen jedoch keinen Glauben, stattdessen muss sie sich die wohlgemeinten Ratschläge von Pädagogin Alice (Janet Kidder, Chucky und seine Braut) und die schmierigen Angebote von Pfleger Tyler (Eric Johnson, Vikings) gefallen lassen. Zu allem Überfluss wird Brigitte auch noch von einem paarungswilligen Werwolf verfolgt, der Jagd auf die Menschen in ihrem Umfeld macht. Eine Verbündete findet sie in der Außenseiterin Ghost (Tatiana Maslany, Orphan Black) und gemeinsam beschließen die beiden Frauen, aus der Klinik zu fliehen. Doch so leicht lässt der Werwolf sie nicht ziehen …

Kritik

Monströse Metaphern für Coming-of-Age-Geschichten zu adaptieren, liegt im Grunde auf der Hand. Sprießende Körperbehaarung, erwachende Fleischeslust und unkontrollierbare Stimmungsschwankungen sind schließlich keine Lykanthropie-exklusiven Probleme, das wird jeder Teenager bestätigen können. Diese Analogie gab es im Werwolf-Film auch schon vor der GingerSnaps-Trilogie, allerdings wurde der monströse Schwellenzustand nie so explizit auf das Erwachen der weiblichen Sexualität übertragen. Im Sequel werden diese sexuellen Konnotationen merklich zurückgeschraubt, eine weibliche Emanzipationsgeschichte bleibt aber auch Ginger Snaps II.

Ginger Snaps 2: Unleashed

Als wäre das Erwachsenwerden an sich nicht schon Horror genug, muss sich Brigitte auch noch mit ihrer drohenden Verwandlung in einen Werwolf herumschlagen. Dass der Transformationsprozess diesmal wesentlich düsterer vonstattengeht als noch im ersten Teil, wird bereits im Vorspann deutlich. Verstörende Bilder von Brigittes selbstbeigebrachten Wunden erinnern an die inszenierten Selbstmorde der beiden Schwestern – nur, dass sie kurz darauf tatsächlich einen Selbstmordversuch unternimmt, nachdem ihr die Ausweglosigkeit der Situation bewusst wird.

Ihre Figur ist an den Ereignissen gewachsen und gleichzeitig kurz davor, zu zerbrechen. Geradezu instinktiv spielt Perkins die Rolle der Brigitte und beeindruckt vor allem mit der extremen Körperlichkeit ihrer Darstellung. Im Vergleich zur feurigen Ginger wirkte ihre jüngere Schwester im ersten Teil stets unsicher und unscheinbar, das ändert sich allerdings im Verlauf von Ginger Snaps II. Andere glauben dennoch, besser zu wissen, was richtig für sie ist – die Entzugsklinik dient hier als drastische Metapher dafür, wie die Gesellschaft mit sozialen Abweichlern umgeht. Brigittes Andersartigkeit wird prompt als korrekturbedürftig ausgelegt. Was sie selbst dazu zu sagen hat, interessiert nicht.

Ginger Snaps 2: Unleashed

Ausgerechnet in dieser klinisch-kühlen Umgebung gedeiht unbemerkt das eigentliche Monster des Films: Kein Werwolf, sondern ein harmloser Pfleger mit Zahnpastalächeln, der die Patientinnen heimlich mit Drogen versorgt und sich dafür mit sexuellen Gefälligkeiten entlohnen lässt. Unter der zivilisierten Oberfläche brodelt es, doch das bleibt seinem Umfeld verborgen. Das Tier im Menschen weiß seine Triebe auf weitaus perfidere Weise zu befriedigen. Ebenso ambivalent stellt sich auch Brigittes Verbündete Ghost dar, die eine beunruhigende Faszination für die drohende Verwandlung ihrer Freundin entwickelt. Ob sie helfen oder lediglich ihre Neugierde stillen will, bleibt lange ungewiss.

Ginger Snaps 2: Unleashed

Anders als viele gegenwärtige Horrordramen erzählt Ginger Snaps II seine ernsthafte Geschichte aber auch mit einem gewissen Augenzwinkern. Das Sequel ist in vielen Momenten ein charmant-unbekümmertes Genrebekenntnis, der morbide und tiefschwarze Humor wiederum bewahrt den Film vor zu viel Kitsch. Die Ausstattung des Films, sein kompletter Look, zeugen von einem Mut zur Hässlichkeit, der sich des einstigen Schmuddel-Images des Werwolfs noch bewusst ist und nichts mit manch glattgebügelter Inszenierung heutiger Streifen gemein hat.

Ginger Snaps 2: Unleashed

Fazit

Das Niveau des Erstlings kann Ginger Snaps II zwar nicht halten, dennoch ragt der Film über den Genre-Durchschnitt hinaus. Im Kern steht abermals eine originelle Coming-of-Age-Geschichte und obwohl die Werwolf-Analogien diesmal weniger pointiert sind als noch im ersten Teil, punktet das Sequel mit seiner dunklen Atmosphäre, sorgt mit unverhofften Wendungen für Spannung und begeistert mit der herausragenden Performance von Emily Perkins.

Bewertung

Grauen Rating: 2 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  Rating: 3 von 5
Unterhaltung  Rating: 4 von 5
Anspruch  Rating: 2 von 5
Gesamtwertung Rating: 3 von 5

Bildquelle: Ginger Snaps II: Entfesselt © NSM Records

Horrorfilme… sind die Suche nach Erfahrungen, die man im echten Leben nicht machen möchte. Sie bilden individuelle wie kollektive Ängste ab, zwingen uns zur Auseinandersetzung mit Verdrängtem und kulturell Unerwünschtem – und werden dennoch zur Quelle eines unheimlichen Vergnügens.

...und was meinst du?