Frankensteins Braut
Kritik

Frankensteins Braut (1935) – Review

Fortsetzungen leiden unter dem Ruf minderwertig zu sein – und das kommt nicht von ungefähr. Vielfach sind Sequels reine Kopien ihrer Vorgänger: nur größer, schneller, lauter. Es gibt jedoch auch einige Fortsetzungen, denen es gelang mit dem ersten Teil gleichzuziehen oder ihn gar zu überflügeln. Dazu zählen zum Beispiel Aliens, The Devil’s Rejects oder eben Frankensteins Braut.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:
Vorlage:

Bride of Frankenstein
USA
75 Minuten
James Whale
William Hurlbut, John L. Balderston
Boris Karloff, Elsa Lanchester, Ernest Thesiger u.a.
Roman „Frankenstein“ von Mary Shelley

It’s a perfect night for mystery and horror

Wie schon sein Vorgänger von 1931 basiert auch Frankensteins Braut auf Mary Wollstonecraft Shelleys Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“. Der Film beginnt mit einem Prolog in dem Lord Byron (Gavin Gordon, Das Geheimnis des Wachsfigurenkabinetts), Mary Shelley (Elsa Lanchester, Die Wendeltreppe) und Percy Bysshe Shelley (Douglas Walton, Dr. Jekyll und Mr. Hyde, 1931) über Marys Roman sinnieren. Vor allem Byron zeigt sich erstaunt, wie ein so liebliches Geschöpf wie Mary einen solch sinisteren Roman zu schreiben vermag. Doch Mary offenbart den zwei Herren, dass die Geschichte noch gar nicht zu Ende erzählt sei:
Nachdem die von Dr. Henry Frankenstein (Colin Clive, Mad Love) erschaffene Kreatur (Boris Karloff, Die Schwarze Katze) am Ende von Frankenstein in eine verlassene Windmühle geflüchtet war, welche von einem wütenden Mob in Brand gesetzt wurde, setzt Frankensteins Braut genau an dieser Stelle an. Die Windmühle ist eingestürzt und nur noch vereinzelte Rauchschwaden steigen aus den Trümmern auf, wodurch sich auch der nun besänftigte Mob langsam zerstreut. Doch die Kreatur hat das Inferno überlebt und macht sich auf die Suche nach Obdach.
Währenddessen erholt sich Frankenstein von seinem Sturz aus der Windmühle und wird von seiner Frau Elizabeth (Valerie Hobson, Der Werwolf von London) gepflegt. Die Erholungsphase wird jedoch jäh gestört, als Dr. Pretorius (Ernest Thesiger, The Old Dark House) zu später Stunde den Doktor aufsucht, um mit ihm über seine Experimente zu sprechen – er selbst ist davon besessen Leben zu erschaffen und hofft auf die Hilfe von Frankenstein…

Frankenstein war ein riesiger Erfolg für Universal und gehört zu den erfolgreichsten Filmen der 30er Jahre. Wenig verwunderlich, dass Universal schon kurz nach Veröffentlichung eine Fortsetzung nachschieben wollte. Hauptdarsteller Boris Karloff und Regisseur James Whale waren davon allerdings alles andere als begeistert. Für Whale war die Geschichte zu Ende erzählt und er wollte sich lieber neuen Stoffen widmen. So inszenierte er kurz nach Frankenstein zwei weitere Genreklassiker: The Old Dark House (1932), ebenfalls mit Karloff in der Hauptrolle, und Der Unsichtbare (1933) mit Claude Rains. Universal drängte indessen weiterhin auf eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte und Produzent Carl Laemmle Jr. wollte – insbesondere nach dem Erfolg von Der Unsichtbare – keinen anderen als Whale für diesen Job. Der stimmte schlussendlich zu – allerdings nur zu seinen eigenen Bedingungen, was ihm große kreative Freiheiten einbrachte.
Insgesamt arbeiteten acht Autoren am Drehbuch zu Frankensteins Braut, deren Entwürfe Whale größtenteils ablehnte. Im Endeffekt waren es vor allem William J. Hurlbut und James Whale selbst, denen wir das großartige Skript zu verdanken haben. Whale war sich bewusst, dass er den ersten Teil nicht mehr würde überbieten können, daher wollte er seiner Fantasie freien Lauf lassen und dem Publikum einen wilden Ritt bieten.

Frankensteins Braut
Regisseur James Whale und Ernest Thesiger am Set

To a new World of Gods and Monsters

Gemeinsam mit Hurlbut führte er zu diesem Zweck neue Charaktere ein, die dem Film eine schwarzhumorige Note verpassen sollten, wie zum Beispiel Minnie, gespielt von der wundervollen Una O’Connor (Der Unsichtbare) und vor allem Dr. Pretorius. Pretorius unterstreicht mit seiner Exzentrik, seinem Wahnwitz und seinem nihilistischen Hedonismus die ironischen und makabren Seiten des Films und ist damit sogar mein liebster Charakter im ganzen Ensemble. In der Geschichte nimmt er mit seiner zwiespältigen Art die Rolle eines Tricksters ein, wie Loki in der nordischen Mythologie oder Mephistopheles in „Faust“. Man weiß nie genau, was man von ihm zu erwarten hat und er scheint immer etwas neben der Handlung zu stehen. Für ihn ist die gesamte Existenz ein einziger Witz, den ernst zu nehmen sich nicht lohnt. Zuerst war Claude Rains für diese Rolle vorgesehen, der jedoch erfreulicherweise absagte und die Bühne für die phantastische Performance von Ernest Thesiger räumte.

Große Veränderungen im Vergleich zum Vorgänger kamen auch auf Frankensteins Kreatur selbst zu. Da man nicht einfach nur den ersten Teil kopieren wollte, musste diese sich weiter entwickeln. Glücklicherweise konnte man sich hier an Mary Shelleys Roman orientieren, die genau eine solche Wandlung schon beschreibt. Nachdem das Geschöpf auf seiner Suche nach anderen Wesen, Essen und Obdach wieder einmal nur auf Ablehnung stieß, gelangt es zur Hütte eines blinden Eremiten. Dieser nimmt die Kreatur herzlich auf, gewährt ihr Kost und Logis und lehrt sie das Sprechen. Es sind sehr wahrhaftige und zärtliche Momente, die Whale hier zwischen zwei Außenseitern der Gesellschaft zeichnet und die mich jedes Mal wieder aufs Neue berühren.
Auch das Design der Kreatur musste hierfür angepasst werden. Jack Pierce übernahm das Makeup aus dem Vorgänger und fügte einige Brandnarben hinzu. Damit Karloff sich normal artikulieren konnte, musste natürlich auch der Zahnersatz wieder rein, den er für den ersten Teil extra rausgenommen hatte, um hagerer zu wirken. Zudem wurden auch die Versteifungen in den Beinen und die schweren Stiefel nicht mehr verwendet, die Karloff im Vorgänger sehr zu schaffen gemacht hatten, so dass sein Spiel nun freier wirkt.

Frankensteins Braut

She’s alive! Alive!

Im Verlauf der Geschichte trifft die Kreatur auf Pretorius, der sich bereiterklärt dem Wesen eine Gefährtin zu schaffen, wenn es ihm hilft, Dr. Frankenstein zur Mitarbeit zu überzeugen. Zumindest der Wunsch nach einer Gefährtin liegt ebenfalls dem Roman zugrunde, welchen Frankenstein jedoch ausschlägt, wodurch die Kreatur ihrem Schöpfer ewige Rache schwört.
Während im Buch die Braut somit nicht mehr wird als ein bloßer Wunsch, erwacht sie im Film zum Leben. Zum Glück, muss ich sagen, denn die Erscheinung ist atemberaubend. Das Design orientiert sich an Nofretete und so wird uns die Braut auch zuerst vollkommen bandagiert und mumienähnlich präsentiert, bevor sie sich in ihrer vollen Pracht entfalten darf. Mit einer wilden Turmfrisur und den zwei seitlichen Streifen weißen Haares wurde ein Bild für die Ewigkeit geschaffen. Es ist jedoch bei der Braut weniger das Makeup, sondern vor allem das Spiel von Elsa Lanchester, das die Erscheinung so ikonisch macht. Mit ihren stark zuckenden, vogelartigen Kopfbewegungen, ihrem verloren-verängstigten Blick und den prägnanten Zisch- und Fauchlauten, wirkt die Braut trotz des bezaubernden Aussehens von Lanchester wie ein wildes Tier.

Frankensteins Braut

I love dead, hate living

Unterstützt wird dies von Whales Inszenierung, der mit Hilfe von schnellen Schnitten und verzerrenden Perspektiven die Erscheinung der Braut noch einmal wesentlich effizienter macht. Die Inszenierung ist allgemein, wie auch schon beim ersten Teil, absolut grandios und zeigt den Regisseur auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Der Soundtrack von Franz Waxman mit seinen Leitmotiven ist bis heute einer der besten im Genre, der Schnitt ist für seine Zeit äußerst zackig und die Kamerasehr dynamisch. Das expressionistische Spiel mit Licht und Schatten kommt dem Film sehr zugute und erzeugt eine starke Atmosphäre sowie einige unvergessliche Einstellungen.
Am meisten beeindrucken mich jedoch jedes Mal wieder die Sets. Diese sind schlichtweg phantastisch und man merkt ihnen an, dass Whale am Theater Erfahrung als Bühnendesigner sammeln konnte. Die Entwürfe für den Film stammen zwar nicht von ihm, aber er wusste genau was er wollte und gab Skizzen an die jeweiligen Abteilungen weiter. In einer Szene etwa kommt die Kreatur zuerst frohen Mutes in einem Wald an, in dem alles zu sprießen scheint. Als sie dann aber von Dorfbewohnern gejagt wird, ist es auf einmal ein düsterer, sehr expressionistischer Wald, der nur aus Dreck, Steinen und abgestorbenen Baumstämmen zu bestehen scheint. Die Sets haben in den meisten Fällen irgendwas Schiefes und Unheilvolles an sich – sie schreien förmlich, dass hier etwas nicht stimmt.
Gleichzeitig ist die Inszenierung aber auch von unglaublich viel Humor durchzogen, obschon es ein sehr morbider ist. Gerade die von Dr. Pretorius erschaffenen kleinen Kreaturen sind unfassbar witzig sowie ein Meisterwerk damaliger Trickkunst.

Frankensteins Braut

It’s more like black magic

In entsprechender Szene mit Pretorius kommt zugleich ein zentrales Thema zum Vorschein, welches insbesondere die Zensoren gut auf Trab gehalten hat: Religion.
Pretorius bezeichnet Frankenstein und sich selbst darin als neue Götter. Zu Frankenstein sagt er, dieser solle der Natur folgen, und fügt verächtlich hinzu, oder Gott, wenn er auf Bibelgeschichten stehe. Im Originaldrehbuch war hier noch von Märchen- statt Bibelgeschichten die Rede. Die Kreatur sollte auf ihrer Flucht durch einen Friedhof in einem lebensgroßen gekreuzigten Jesus einen Leidensgenossen erkennen und versuchen ihn zu befreien. Doch auch das war zu viel für die Zensurbehörde des Hays Codes. Stattdessen ließ Whale die Kreatur die Statue eines Bischofs umwerfen – ein klares Statement, das den Zensoren offenbar entging; genauso wie andere Vergleiche der Kreatur mit Jesus Christus, etwa ihre Kreuzigung, die erstaunlicherweise erhalten blieben.

Frankensteins Braut

Doch abseits jeglicher religiösen Bezüge und Kämpfe mit den Zensoren bleibt auch Frankensteins Braut, wie schon sein Vorgänger, eine Geschichte über die Ausgestoßenen der Gesellschaft. Der Film zeigt, was die Gesellschaft mit Personen macht, die nicht ins gewünschte Bild passen. Sei es aufgrund ihres Aussehens, ihrer Vorlieben oder ihrer sexuellen Orientierung. James Whale wusste das nur allzu gut und genau aus diesem Grund war der Stoff bei ihm wohl auch in so guten Händen.

 

Bewertung

Grauen Rating: 2 von 5
Spannung Rating: 2 von 5
Härte  Rating: 0 von 5
Unterhaltung  Rating: 5 von 5
Anspruch  Rating: 3 von 5
Gesamtwertung Rating: 5 von 5

Bildquelle: Frankensteins Braut © Universal Pictures

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?