Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile
Kritik

Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile (2019) – Review

Die Geschichte eines der brutalsten Serienmörder der USA wird verfilmt – und das ohne einen einzigen Tropfen Blut. Drastische Gewaltdarstellungen sucht man im Ted-Bundy-Biopic Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile vergeblich, stattdessen geht es um die Macht der Manipulation und die Frage, wie ein grausamer Killer in den 70er Jahren weltweit zum Medienstar avancieren konnte.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
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Cast:

Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile
USA
110 Minuten
Joe Berlinger
Michael Werwie
„The Phantom Prince: My Life with Ted Bundy“ von Elizabeth Kendall:
Zack Efron, Lily Collins, John Malkovich u.a.

Inhalt

Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile ist ein Biopic über einen der bekanntesten Serienmörder in der Geschichte der USA. Theodore Robert Bundy tötete in den 1970er Jahren mindestens dreißig junge Frauen und wurde dafür 1989 auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.

Dabei beginnt der Film wie eine klassische Liebesgeschichte: Als sich der attraktive Jurastudent Ted (Zac Efron) und die alleinerziehende Mutter Liz (Lily Collins) 1969 in einer Bar kennenlernen, sind beide sofort voneinander angetan. Bereits kurz darauf zieht er bei Liz und ihrer kleinen Tochter ein, die ihr Glück kaum fassen kann. Beide genießen die beschauliche Familienidylle, bis Ted eines Tages festgenommen wird, weil er eine junge Frau entführt haben soll. Dann wird er auch noch einer Reihe bestialischer Morde angeklagt. Der Prozess gerät zum Medienspektakel, mehrere tollkühne Fluchtversuche und Teds charismatisches Auftreten vor Gericht sorgen für volle Zuschauerränge – besetzt vor allem von jungen, attraktiven Frauen, die sich nur eine Frage stellen: Kann dieser gewitzte und gutaussehende Charmeur wirklich ein brutaler Serienmörder sein?

Kritik

Der Film basiert auf den Memoiren von Elizabeth Kendall, der Langzeitfreundin von Ted Bundy, die ihn 1969 kennenlernte – zur selben Zeit, als auch seine grausame Mordserie an jungen Frauen begann. Als „extremely wicked, shockingly evil and vile“ bezeichnete ein Richter diese Taten einige Jahre später, als er Elizabeths vermeintlichen Traumprinzen zum Tode verurteilte. Genug Material also, um einen Horror-Streifen zu drehen, bei dem sich der FSK die Zehennägel hochrollen würden.

Doch Regisseur Joe Berlinger (Blair Witch 2) präsentiert uns keinen bestialischen Schlächter, der reihenweise junge Frauen ermordet, sondern einen smarten Schönling, dem der Prozess wegen Mordes gemacht wird. Natürlich wissen wir als Zuschauer längst, wie die Sache ausgehen wird – und dass Ted Bundy in Wirklichkeit Schlächter und Schönling zugleich ist. Paradoxerweise schafft Berlinger es dennoch, uns genau daran zweifeln zu lassen. Wirken die Indizien nicht sehr konstruiert? Welchen Grund sollte der gutaussehende Bundy eigentlich haben? Und suchen die Ermittler nicht einfach nur irgendeinen Schuldigen, um den Fall abschließen zu können? Indem kein einziger der sadistischen Morde gezeigt wird, kann Berlinger seinem Protagonisten das Image des charmanten Schlitzohrs fast bis zum Schluss erhalten, beinahe rechnet man schon mit dem Happy End.

Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile

Innovativ ist der Ansatz allemal, erschöpft sich allerdings auch recht schnell, da nicht viel anderes passiert. Dadurch zieht sich Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile teilweise merklich, vor allem, wenn Berlinger wieder einmal einfällt, dass es ja noch die Figur der Liz gibt, durch deren Augen wir die Geschichte eigentlich verfolgen sollen. Lily Collins darf dann kurz vor den Augen des Zuschauers die Leidende spielen, bleibt dabei aber trotz der inzwischen entwickelten Alkoholsucht ihres Charakters eine ätherische Schönheit ohne psychologischen Tiefgang. Eine Träne vergossen, ein Glas Rotwein gekippt und schon sind wir wieder beim charismatischen Bundy.

Der Film musste sich den Vorwurf gefallen lassen, er vermenschliche Bundy zu sehr und relativiere damit zugleich auch seine Taten. Um die manipulative Kraft dieses Killers wirklich zu verstehen, geht Berlinger aber genau den richtigen Weg. Der Zuschauer lernt Bundy so kennen, wie die Zuschauer im Gerichtssaal und vor den Fernsehgeräten ihn wahrgenommen haben. Und letztlich bleibt auch der grausamste Serienmörder eben genau das: ein Mensch. Der Medienhype um seine Person, die Liebesbriefe von Verehrerinnen, der mitunter gar kameradschaftliche Ton zwischen ihm und Richter Edward Cowart (John Malkovich, Bird Box), der offen seine Sympathie für den Angeklagten bekundete – all das lässt sich anders nicht erklären, nicht verstehen. Bundy blendete sein Umfeld mit seinem guten Aussehen und dem charismatischen Auftreten: Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile zeigt nicht nur ganz genau wie, sondern macht auch deutlich, wie bereitwillig wir uns täuschen lassen.

Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile

Für die Rolle des brutalen Serienmörders ausgerechnet Zac Efron zu besetzen, der sich gefühlt noch gestern durch sämtliche Teile von High School Musical gesungen hat, mag im Vorfeld für einige Lacher gesorgt haben, ist aber schlichtweg genial. Der größte Schauspieler ist er sicherlich nicht, doch die Rolle des charmanten Sonnyboys füllt der ehemalige Disney-Star mühelos und absolut überzeugend aus. In diesem Sinne eine Win-Win-Situation, denn vielleicht gelingt es Zac Efron mit diesem Streifen endgültig, sich von seinem festgelegten Image zu emanzipieren, wie es zum Beispiel seine Kollegen Elijah Wood und Daniel Radcliffe mit Filmen wie Alexandre Ajas Maniac oder Die Frau in Schwarz vorgemacht haben. Was ihm ansonsten blüht, sieht man an Big-Bang-Theory-Star Jim Parsons, der in seiner Rolle als Ankläger doch nur eine 70er-Jahre-Version von Sheldon Cooper zu geben scheint.

Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile

Fazit

Ein 08/15-Serienmörder-Biopic ist Extremely Wicked, Shocklingly Evil and Vile sicherlich nicht. Der Oscar-nominierte Dokumentarfilmer Berlinger arbeitet detailversessen, von der Kleidung über die Wortwahl bis hin zu kleinsten Gesten ist sein Protagonist dem Original täuschend echt nachempfunden. Die Chance zur Exploitation lässt der Film ungenutzt und konzentriert sich stattdessen lieber auf die Psyche – allerdings nicht die des Täters, sondern unsere eigene, die er nach Kräften manipuliert. Über die Motive, die Bundy zu seinen Taten veranlasst haben, erfahren wir praktisch nichts, er bleibt ein Phantom. Damit wählt der Film einen spannenden Ansatz, verliert sich aber leider irgendwo zwischen True-Crime-Doku und Liebesdrama.

Bewertung

Spannung Rating: 2 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt  Rating: 1 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 3 von 5

Bildquelle: Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile © Constantin Film Verleih

Horrorfilme… sind die Suche nach Erfahrungen, die man im echten Leben nicht machen möchte. Sie bilden individuelle wie kollektive Ängste ab, zwingen uns zur Auseinandersetzung mit Verdrängtem und kulturell Unerwünschtem – und werden dennoch zur Quelle eines unheimlichen Vergnügens.

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