House of Usher
Kritik

Die Verfluchten (1960) – Review

Ein alptraumhaftes Herrenhaus, eine verbotene Leidenschaft und ein schrecklicher Familienfluch sind die Zutaten für Roger Cormans Poe-Verfilmung Die Verfluchten. Mit diesem surrealistischen Ausflug in die Schauerromantik setzte er seiner Faszination für den amerikanischen Schriftsteller ein farb- und bildgewaltiges Denkmal, das bis heute begeistert.

Originaltitel:
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Regie:
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Vorlage:
Cast:

House of Usher
USA
79 Minuten
Roger Corman
Richard Matheson
Kurzgeschichte „Der Untergang des Hauses Usher“ von Edgar Allan Poe
Vincent Price, Mark Damon, Myrna Fahey u.a.

Inhalt & Hintergründe

Der junge Philip Winthrop reist zum Stammsitz der Familie Usher, um seine Verlobte Madeline zu besuchen, die er Monate zuvor in Boston kennengelernt hat. Doch der Empfang durch ihren Bruder Roderick (Vincent Price, Das Pendel des Todes) ist alles andere als herzlich: Madeline sei schwer krank, ein Besuch darum nicht möglich und seine Anwesenheit mithin unerwünscht, teilt der ihm barsch mit. Auch Roderick selbst scheint von einer seltsamen Krankheit befallen zu sein, die sich in raschem körperlichem Verfall bei gleichzeitiger Übersensibilität der Sinne äußert. Die Ursache für dieses Leiden sieht er in einem Familienfluch begründet, dem auch Madeline nicht entkommen könne. Als Philip dennoch versucht, seine Verlobte zur Abreise zu bewegen, greift ihr Bruder zu drastischen Mitteln, um die Blutlinie der Ushers zu beenden und das Böse auszulöschen …

Mit Die Verfluchten adaptierte Roger Corman nicht einfach irgendeine Kurzgeschichte des amerikanischen Autors Edgar Allan Poe: „Der Untergang des Hauses Usher“ von 1839 gilt als einer der Höhepunkte der Schwarzen Romantik. Nicht mehr nur das Schöne und Gute wurde als konstitutiv für den Menschen erkannt, sondern auch das Hässliche und Böse. Unheimliche und übernatürliche Kräfte brechen in die vorgeblich geordnete Welt ein und stellen dem menschlichen Verstand eine ganz eigene, oft grauenerregende Logik entgegen. Die körperliche und geistige Unversehrtheit der schwarzromantischen Helden wird dabei unvermeidbar in Mitleidenschaft gezogen, woraus sich die Vielzahl von wahnsinnigen Protagonisten in der Literatur dieser Zeit erklärt.

Kritik

Bemerkenswert an Roger Cormans Poe-Adaptionen ist vor allem deren expressive Farbdramaturgie. Für Die Verfluchten, dessen Budget die Produktionsfirma AIP eigentlich in zwei Schwarzweißfilme hatte stecken wollen, schafft der Regisseur eine symbolistische Farbsprache, die das Geschehen prachtvoll und schrecklich zugleich in Szene setzt und die dämonische Aura des Hauses Usher in erschreckend schönen Bildern einfängt.

Das marode Anwesen liegt einsam an einem fauligen Teich, umgeben von einem Ödland aus abgestorbenen Bäumen – der namenlose Erzähler aus Poes Geschichte findet für seinen Anblick das schöne Bild vom „trostlosen Erwachen des Opiumessers aus seinem Rausche“. Diese Empfindung einer unerklärlichen negativen Präsenz, die vom Haus Usher auszugehen scheint, erreicht Corman, indem er die expressionistisch ausgestattete Anfangsszene in düstere Grautöne taucht. Die Mauersteine, der modrige Teich, sogar die Luft scheinen von unheimlichem Leben erfüllt und schaffen eine alptraumhafte Atmosphäre, in der man bald selbst die ersten Krankheitssymptome an sich festzustellen glaubt.

House of Usher

Im Gegensatz zu seinen krankhaft energielosen Bewohnern, ist das Haus ständig in Bewegung – ein monströser Riss an seiner Außenfassade bröckelt unaufhörlich und droht das Gebäude einstürzen zu lassen. Der zunehmende Verfall der Familie Usher spiegelt sich also auch in der (scheinbar) unbelebten Materie, die ebenso sehr von einer dämonischen Aura befallen zu sein scheint, wie die sie umgebenden Menschen. Behaglicher wird es auch im Inneren des Hauses nicht, das mit seiner verschwenderisch-satten Farbgebung eine morbide Dekadenz ausstrahlt, die uns das Verhängnis seiner Bewohner bereits ahnen lässt. Wie dieses Verhängnis konkret aussehen könnte, zeigt sich, als Roderick seinen Gast durch die Ahnengalerie führt. Die großformatigen Gemälde, die der amerikanische Maler Burt Shonberg eigens für Die Verfluchten anfertigte und die inzwischen als verschollen gelten, wirken allesamt wie monströse Variationen von Edvard Munchs „Der Schrei“. Kein Wunder, die gesammelte Prominenz moralisch degenerierter und wahnsinniger Familienmitglieder aus den letzten Jahrhunderten findet sich hier ein.

House of Usher

 

Gewissheit darüber, wie Haus und Besitzer zusammenhängen und woher das Böse kommt, gewährt Die Verfluchten uns jedoch nicht. Roger Cormans Verfilmung ist, ebenso wie die literarische Vorlage, in höchstem Maße phantastisch. Ob tatsächlich ein Familienfluch existiert, der die Nachkommen des Hauses Usher schicksalhaft an ihren Stammsitz bindet und sie in den Wahnsinn treibt, oder es sich bei Roderick einfach nur um einen Neurotiker und Psychosomatiker erster Güteklasse handelt, bleibt bis zum Schluss offen. Deutlich wird hingegen, dass seine Gefühle für Madeline das übliche Maß geschwisterlicher Zuneigung bei Weitem überschreiten. Das bei Poe nur latent vorhandene Motiv eskaliert bei Corman an der eingebauten Liebesgeschichte zwischen Madeline und Philip, den Roderick mit allen Mitteln loszuwerden versucht. Gar nicht so einfach, wenn der eigene körperliche Verfall schon so weit fortgeschritten ist, dass man nur noch ungewürzte Speisen ertragen kann, schon das schwächste Licht die Augen quält und das geringste Geräusch die Nerven entsetzt.

House of Usher

Vincent Price gelingt es, diesen krankhaft überempfindlichen und nervösen Aristokraten als durch und durch tragische Figur zu zeigen, die fest von der Unausweichlichkeit ihres grausamen Schicksals überzeugt ist. Gelähmt vor Angst, gebeugt vor Gram und verletzlich wie nie: Kein ironisches Augenzwinkern, kein für Price so typisches Overacting mildern die Ernsthaftigkeit dieser Darstellung. Entscheidend dafür ist auch der kammerspielartige Aufbau des Films, der sich auf gerade einmal vier Schauspieler verlässt und den Verstrickungen der einzelnen Charaktere – zwischen Loyalität, Liebe, Leidenschaft und blankem Hass – genug Raum lässt, um sich glaubwürdig zu entfalten.

Natürlich sorgt Die Verfluchten trotz seiner düsteren Thematik eher für eine wohlige Gänsehaut als für blankes Entsetzen. Der Film ist ein Tribut an klassische Schauergeschichten, was sich neben der dekadenten Innenausstattung des Hauses Usher und den opulenten Kostümen auch im verschwenderischen Einsatz von unheimlichem Nebelschwaden und angestaubten Spinnweben zeigt. Auf rohe Gewalt, spritzendes Blut und selbstzweckhafte Jump Scares verzichtet Corman zugunsten eines subtileren Grauens. Dabei ist der Film weit mehr als nur aufgewärmter Gothic Horror – durch seine expressive Bild- und Farbsprache gelingt es ihm, die Atmosphäre des Originals kraftvoll auf die Leinwand zu bannen und dabei trotz aller inhaltlichen Freiheit ganz dicht bei Poe zu bleiben.

House of Usher

Fazit

Die Verfluchten muss zwar als durchaus freie Verfilmung von Poes „Der Untergang des Hauses Usher“ gelten – tragische Liebeshändel gibt es im Original nicht – doch bleibt mit seiner alptraumhaften Atmosphäre nah am schwarzromantischen Klassiker. Traumhaft ist hingegen die Besetzung: Vincent Price brilliert in der Rolle des morbiden Aristokraten, der beinahe eine größere Angst vor dem Leben, als vor dem Tod zu haben scheint. Geschickt hält Corman die Geschichte zwischen wahnhafter Psychose und übernatürlicher Katastrophe, ohne sich klar zu entscheiden und bewahrt damit die Vieldeutigkeit seiner literarischen Vorlage.

 

Bewertung

Spannung Rating: 3 von 5
Atmosphäre Rating: 5 von 5
Gewalt  Rating: 1 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 3 von 5

Bildquelle: Die Verfluchten © Wicked-Vision Media

Horrorfilme… sind die Suche nach Erfahrungen, die man im echten Leben nicht machen möchte. Sie bilden individuelle wie kollektive Ängste ab, zwingen uns zur Auseinandersetzung mit Verdrängtem und kulturell Unerwünschtem – und werden dennoch zur Quelle eines unheimlichen Vergnügens.

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