Kritik

Tokyo Gore Police (2008) – Review

Tokyo Gore Police zählt mit Sicherheit zu den bekanntesten japanischen Splatter-Filmen. Doch was verbirgt sich hinter dem ganzen Blut und Gedärm? Wir haben für euch ein Blutbad genommen.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Tôkyô zankoku keisatsu
Japan/USA
110 Minuten
Yoshihiro Nishimura
Kengo Kaji, Maki Mizui, Yoshihiro Nishimura
Eihi Shiina, Itsuji Itao u.a.

Der Story

Tokyo Gore Police macht von Anbeginn keine Gefangenen. Während wir noch in den ersten Sekunden fröhlicher Musik lauschend Blumen beobachten und den euphorischen Erzählungen eines kleinen Mädchens über ihren Vater folgen, explodiert innerhalb der ersten Minute auch schon der erste Kopf und taucht die Kameralinse in blutrot. In der nächsten Szene, wir befinden uns im Tokio einer nicht näher bestimmten Zukunft, lernen wir das kleine Mädchen als erwachsene Frau Ruka (Eihi Shiina, Audition) kennen, die dem Mörder ihres Vaters Rache geschworen hat.
Die Polizei von Tokio wurde inzwischen privatisiert und herrscht gnadenlos über die Stadt, in der zudem sogenannte „Engineers“ ihr Unwesen treiben. Diese wurden von einem verrückten Wissenschaftler mit dem Namen „Key Man“ erschaffen. Sobald die Engineers ein Körperteil verlieren, wächst ihnen an dessen Stelle eine Waffe nach. Ein Spezialeinheit der Polizei, die Engineer Hunters, ist ausschließlich dafür ausgebildet, diese Bedrohung unschädlich zu machen. Ruka wurde nach dem Tod ihres Vaters vom Polizeichef von Tokio adoptiert und gilt als die beste aller Engineer Hunters.
Nach nicht einmal fünf Minuten bekommen wir dann auch schon den ersten Kampf zwischen Ruka und einem Engineer geboten, auf den sich der Engineer mit dem Verspeisen seiner Geisel und Ruka mit dem Ritzen ihres Armes mittels Stanley-Messer vorbereitet hat. Nachdem die Vorhut der Eliteeinheit dem Engineer einen Arm abgeschossen hat, wächst diesem auch zugleich eine Kettensäge nach und so rollen schon die ersten Köpfe bis zum Eintreffen von Ruka.

Das Gemetzel

Wie man es von anderen Nippon-Splattern kennt, sind die Splatter-Effekte vollkommen überdreht und meterhohe Blutfontänen wechseln sich ab mit allerlei Gedärm – Blut und Beuschel für Fortgeschrittene. Dass hier Effekte auf sehr hohem Niveau präsentiert werden, liegt zu einem Großteil an Regisseur Yoshihiro Nishimura, einer Legende unter den Make-Up- und Special-Effects-Artists, der auch gerne mal mit Tom Savini verglichen wird. So war Nishimura zum Beispiel für die Spezialeffekte in Sion Sonos Suicide Club, Yūdai Yamaguchis Meatball Machine oder Noboru Iguchis The Machine Girl verantwortlich. Der Japaner ist dabei ein Meister aus geringen Mitteln das Optimum herauszuholen. Auch für Tokyo Gore Police, der auf einem alten Film von Nishimura selbst basiert, war das Geld äußerst knapp, sodass der Film innerhalb von zwei Wochen gedreht und fertiggestellt wurde, was man dem Film, trotz eines gewissen trashigen Charmes, nicht wirklich anmerkt. Dies liegt nicht nur an Nishimuras Erfahrung bei Spezialeffekten, sondern budgetäre Mängel werden zudem geschickt mittels kreativer Kameraeinstellungen und einem starken Schnitt kaschiert. Freunde von komplett überzogenen Splatter-Orgien kommen hier jedenfalls voll auf ihre Kosten – sofern ihr mit der für Nippon-Splatter typischen Mischung aus hervorragenden handgemachten Effekten und zweckdienlichem CGI leben könnt.

Tokyo Gore Police

Die Satire

Nachdem ersten großen Gemetzel wird uns die neue, privatisierte Polizei in einem kleinen Werbevideo vorgestellt. Ein gut aussehender, junger Polizist in einer Mischung aus Samurai-Kostüm und Polizei-Uniform erzählt uns, dass sie nichts davon abhalten wird die Stadt sicher zu halten und dass sie keine Gnade mit Kriminellen haben. Dies sieht man auch sogleich, denn der Polizist greift mit seinen Kameraden zu deren Maschinengewehren und zusammen richten sie einen Mann hin: „für eine bessere Gesellschaft“.
Der Film ist durchzogen von derartigen satirischen Einschüben, die von ihrem Stil sehr an Starship Troopers erinnern. Auch hier wird ein faschistisches System durch eine starke Überzeichnung, die teilweise ins Groteske abdriftet, seziert und offen gelegt. Allgemein ist Tokyo Gore Police wesentlich näher an Paul Verhoevens äußerst brutaler Sci-Fi-Satire als an Nippon-Fun-Splattern wie Vampire Girl vs Frankenstein Girl, Mutant Girls Squad oder Dead Sushi. Immer wieder wird die Handlung von TV-Spots unterbrochen, die sich unterschiedlichen Themen annehmen; wie zum Beispiel eine Anti-Suizid-Werbung, in der sich eine Person aufgrund des Drucks im Job das Leben nimmt oder eine Werbung für Stanley-Messer in allen möglichen modischen Styles, damit Teenagerinnen auch beim Ritzen mit der Mode gehen können. Die Werbespots wurden alle von den bereits erwähnten Kollaborateuren Yishimuras, Noboru Iguchi (RoboGeisha) und Yūdai Yamaguchi (Helldriver), inszeniert, die zu den führenden Filmemachern des Nippon Splatters zählen.

Tokyo Gore Police

Das Groteske

Auf der Suche nach dem Key Man und dem Mörder ihres Vaters treibt es Ruka immer tiefer in den Tokyoer Untergrund, welcher nicht nur von Gewalt, sondern auch allerlei Absonderlichkeiten geprägt ist. Allgemein spielt Nishimura gern mit dem Grotesken und fühlt sich offenbar im japanischen Ero Guro Genre sichtlich zuhause. Höhepunkt ist hier jedenfalls ein auf Körpermodifikationen spezialisierter Fetischclub, der in Schnecken oder Stühle verwandelte Frauen dem geneigten Verehrer anbietet. Dies findet dann auch seinen Höhepunkt in einem abgebissenen Penis und der berühmt-berüchtigten Alligator-Vulva – sollte man zumindest einmal im Leben gesehen haben.

Tokyo Gore Police

Die Geschichte

Das klingt jetzt erst einmal nach einem äußerst bizarren Kuriositäten-Kabinett – und ja, Tokyo Gore Police ist definitiv in erster Linie ein aberwitziges Potpourri des Wahnsinns. Doch das Schöne an Nishimuras erstem kommerziellen Spielfilm ist, dass er durchaus eine interessante Geschichte zu erzählen und mit Ruka zudem eine sympathische Protagonistin an der Hand hat. Selbstverständlich werden die meisten die Auflösung schon meilenweit gegen den Wind riechen, aber das tut dem Spaß keinen Abbruch, denn Nishimura versteht es die Dramaturgie geschickt aufzubauen, damit das Publikum am Ball bleibt.

Das Fazit

So ist für mich Tokyo Gore Police ein ganz besonderer Vertreter unter den abstrusen japanischen Splatter-Filmen. Abgesehen davon, dass die Effekte mit zu den Besten gehören, kann Nishimura zudem noch mit einer bissigen Satire überzeugen und erzählt nebenbei sogar noch eine spannende Geschichte. Aus diesem Grund würde ich den Film auch jenen ans Herz legen, die ansonsten lieber einen weiten Bogen um jeden Nippon Splatter machen. Denn Tokyo Gore Police ist etwas ganz Besonderes, das man zumindest einmal gesehen haben sollte.

 

Bewertung

Spannung Rating: 3 von 5
Atmosphäre Rating: 3 von 5
Gewalt  Rating: 5 von 5
Ekel  rating3_5
Story  Rating: 3 von 5

Bildquelle: Tokyo Gore Police © I-On New Media

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?