City of the Living Dead
Kritik

Ein Zombie hing am Glockenseil (1980) – Review

In den 80er Jahren galt Ein Zombie hing am Glockenseil als Paradebeispiel für die schädlichen Folgen des gerade entstehenden Videomarktes, diskutiert wurde er meist von Menschen mit dem filmischen Sachverstand eines durchschnittlichen FSK-Prüfers. Danach geriet er größtenteils in Vergessenheit, dabei ist der italienische Zombie-Streifen weit mehr als nur eine filmhistorische Fußnote.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Paura nella città dei morti viventi
Italien
93 Minuten
Lucio Fulci
Lucio Fulci, Dardano Sacchetti
Catriona MacColl, Christopher George, Carlo de Mejo u.a.

Inhalt

Ein Priester erhängt sich auf dem Friedhof der Kleinstadt Dunwich und in der Folge erheben sich auf einmal die Toten aus ihren Gräbern. Die trägen Bewohner bekommen davon zunächst wenig mit und auch die rapide gestiegene Mortalitätsrate scheint niemanden zu wundern. Zeitgleich hat das Medium Mary (Catriona MacColl, Horsehead) andernorts bei einer Séance eine Vision vom Selbstmord des Geistlichen und erleidet aus Schock einen Herzstillstand. Für tot gehalten, soll Mary gerade beerdigt werden, als sie wieder zu Bewusstsein kommt. Der Reporter Peter (Christopher George, Graduation Day – 7 Tage bis zur Ewigkeit) kann sie im letzten Moment befreien, gemeinsam begeben beide sich auf die Suche nach dem Ort, den Mary in ihrer Vision gesehen hat. Dort haben die Zombies inzwischen ordentlich gewütet, angeführt von einem untoten Pfarrer. Wird es Mary und Peter gelingen, dem grausamen Spuk ein Ende zu setzen oder ist Dunwich dem Untergang geweiht …?

Zeitgeschichte: Vom Untergang des bürgerlichen Abendlandes

Ob Ein Zombie hing am Glockenseil der beste italienische Horrorfilm aller Zeiten ist, wäre zumindest diskussionsbedürftig, der bekannteste war er – wenigstens in den 80er Jahren – definitiv. „Horror Videos: Blutrausch im Kinderzimmer“ titelte der Stern im November 1984 und informierte seine Leser eingehend über die traumatisierende Wirkung von Filmen wie Foltercamp der Liebeshexen, Der Exorzist oder eben Ein Zombie hing am Glockenseil. Die angeblichen Folgen der als „Ekel-Schocker“, „roher Video-Ramsch“ und „absonderliche Lustbarkeiten“ titulierten Streifen: minderjährige Zuschauer, die zwischen Fiktion und Realität nicht mehr unterscheiden können (oder wollen), wahlweise sich selbst oder andere für lebende Leichen halten und die in den Filmen „gelernte“ Gewalt selbst anwenden.

Der Artikel war kein Einzelfall, sondern vielmehr Teil einer großangelegten und hitzig geführten politischen sowie kulturellen Diskussion über den Horrorfilm. Die Ängste richteten sich dabei konkret auch auf das neue Medium VHS, das nicht als Kulturträger, sondern als Mittel zur Verbreitung amoralischer Inhalte – vor allem durch Porno-, Action- und Horrorfilm, die zusammengenommen tatsächlich über fünfzig Prozent der Einnahmen aus Verleih und Verkauf generierten – galt. Einen Höhepunkt erreichte die kulturpessimistische Piefigkeit mit der inzwischen legendären ZDF-Dokumentation Mama, Papa, Zombie, die jedem Horrorfan ans Herz zu legen ist, der mal wieder herzhaft lachen möchte. Die Szene, in der eine Gruppe hornbebrillter Pollunderträger sich zum Elternabend trifft, um gemeinsam mit der Klassenlehrerin den sozial verrohenden „Ekel-Schocker“ Ein Zombie hing am Glockenseil zu sichten, machte Lucio Fulcis Streifen endgültig landesweit bekannt.

City of the Living Dead

Kritik

Die Filme von Altmeister Lucio Fulci wirken auf den ersten Blick wie eine Essenz all dessen, was seine Kritiker dem Horrorfilm vorwerfen: wenig Inhalt, viel stumpfe Gewalt – und die Kamera hält ordentlich drauf. Dass einige Schnittfassungen von Ein Zombie hing am Glockenseil die Handlung zusätzlich kürzten, während die Gewaltdarstellungen unangetastet blieben, trug sicher nicht zum Abbau dieses Vorurteils bei.

Mit dramaturgischen Raffinessen hält Fulci sich in der Tat nicht lang auf, stattdessen laufen alle Geschehnisse früher oder später – aber meistens früher – auf einen vollkommen wahnwitzigen Exzess aus Blut, Gedärmen und Hirnmasse hinaus. Dabei spritzt, schmatzt und gluckert es vor sich hin, dass es eine wahre Freude ist. Wenn schon die deutsche Synchronisation eine heillose Katastrophe ist, kann es hier zumindest die akustische Untermalung mit jedem Bud-Spencer-und-Terence-Hill-Film aufnehmen. Und wie dort jede Szene um eine mögliche Schlägerei herum konstruiert zu sein scheint, so steht für Fulci vor allem das Splatterpotential einer Handlung im Vordergrund, ohne, dass er sich dabei zu sehr von logischen Erwägungen einschränken lassen würde.

City of the Living Dead

Hier gibt es keine intellektuelle Meta-Ebene, kein Mitleid, keine Kompromisse: Ein Zombie hing am Glockenseil bietet keinen Rückzugsort an, kennt keine Safe Spaces und nimmt erst recht keine Rücksicht auf Befindlichkeiten. Da erbrechen Menschen mehr Gedärme, als man einem Artgenossen überhaupt zugetraut hätte, da werden erbarmungslos Köpfe aufgebohrt und Körper zerfetzt. Weil das noch nicht ekelhaft genug ist, kommen ganze LKW-Ladungen an Maden und Leichenwürmern zum Einsatz, die sich in fauligen Wunden und modrigen Ecken winden dürfen. Die Tötungen dauern teils minutenlang, wer genau gerade von den Zombies verwurstet wird, verschwimmt immer mehr vor dem Hintergrund dieses grenzenlosen Spektakels. Eine filmische Erfahrung, die unmittelbar zu einer körperlichen wird: Affektkino par excellence.

Dass die Stimmung angesichts dieses geradezu lächerlich übertriebenen Overkills nur selten ins Komische kippt, ist ein deutliches Indiz für Fulcis handwerkliches Geschick. Mit atmosphärischem Oldschool-Horror – untoten Priestern, nebligen Friedhöfen, bösen Omina – erdet er sein Zombie-Massaker und sorgt für eine hypnotische Atmosphäre, die den Zuschauer bis zum Schluss nicht mehr löslässt. Der kongeniale Score von Fabio Frizzi unterstützt diese surreale und gespenstische Grundstimmung markerschütternd gut.

City of the Living Dead

Fazit

Mit Ein Zombie hing am Glockenseil erhitzte Lucio Fulci nicht nur die Gemüter seiner Zeitgenossen in den 80ern; die ungezähmte und kompromisslose Art des Films dürfte auch heute noch für Unbehagen sorgen. Ein wahres Feuerwerk an handgemachten, sorgsam inszenierten Ekel-Effekten prasselt auf den Zuschauer nieder und trug dem Streifen zu Recht den Ruf eines Skandalfilms ein – „roher Video-Ramsch“ für die einen, surreales Körperspektakel für die anderen.

Bewertung

Spannung Rating: 2 von 5
Atmosphäre Rating: 3 von 5
Gewalt  Rating: 5 von 5
Ekel  Rating: 5 von 5
Story  Rating: 3 von 5

Bildquelle: Ein Zombie hing am Glockenseil © Astro Distribution

Horrorfilme… sind die Suche nach Erfahrungen, die man im echten Leben nicht machen möchte. Sie bilden individuelle wie kollektive Ängste ab, zwingen uns zur Auseinandersetzung mit Verdrängtem und kulturell Unerwünschtem – und werden dennoch zur Quelle eines unheimlichen Vergnügens.

...und was meinst du?