Scott Schirmer
Interview

Interview mit Scott Schirmer (Found, The Bad Man) (Teil 2 von 2)

Wir hatten das Vergnügen mit Scott Schirmer, dem Regisseur von The Bad Man, ein Interview zu führen. Wir sprachen über Sex und Gewalt in Filmen, Low-Budget-Dreharbeiten und natürlich über seine Filme.

Den ersten Teil unseres Interviews mit Scott findet ihr hier und hier geht es zum englischen Original.


Welche Szenen in The Bad Man waren für dich die größte Herausforderung?

In der Villa hatte der Cast einige schwierige Szenen zu überstehen, aber für mich war dort nichts besonders schwer. Das Schwierigste für mich waren die restlichen Szenen im Juni letzten Jahres – alles nach den Dreharbeiten in der Villa, wie die Menschenhandel-Auktion und die Flucht. Dieser letzte Akt des Films wurde in nur drei Tagen gedreht und es waren die heißesten drei Tage des ganzen Jahres. Wir hatten ernsthaft fast 100° Fahrenheit (~38° Celsius), als wir diese Szenen rund um das Zelt von Mantis drehten. Wir gingen vor lauter Hitze ein. Besonders ich. Im Ernst: Das war der schlimmste Drehtag in meinem ganzen Leben! Die Dreharbeiten an dem ganzen Wochenende waren aufgrund der Terminplanung und finanziellen Einschränkungen gedrängt und gehetzt. Ich hatte nicht die Möglichkeit, viele Szenen zu wiederholen oder Feinabstimmungen vorzunehmen, wie ich es sonst gewohnt bin. Das Wetter hätte uns beinahe für zwei der drei Tage stillgelegt; es war Krieg. Aber dank der Filmgötter haben wir es geschafft und ich denke, niemand hat den Mut verloren, trotz aller Schwierigkeiten.

Gibt es Szenen, auf die du besonders stolz bist?

Besonders stolz bin ich auf die Weihnachts-Schlafzimmer-Szene zwischen Mary und dem Clown, Ellie Church und Arthur Cullipher. Ich denke, das ist schauspielerisch die beste Szene von den beiden im ganzen Film. Ich liebe auch die Szene, als der Clown PJ dazu zwingt, wie ein Schlosshund zu heulen, nachdem er Mary vergewaltigt hatte. Ich denke, Jason Crowe begab sich an einen düsteren, vorzeitlichen Ort, um dies hinzubekommen und es besitzt eine düstere Schönheit, wenn er gleichzeitig aufheult und weint. Ich bin wirklich sehr stolz auf die Besetzung des Films.

Hast du einen Lieblingscharakter im Film?

Mein Liebling wäre wahrscheinlich PJ, da mich der Zusammenbruch von zivilisierten Menschen fasziniert. Seine Transformation finde ich sehr interessant. Mary verändert sich nicht wirklich, sie täuscht es nur vor. Aber PJ verändert sich wirklich. Und ich finde auch Dave Parkers Charakter Charlie spannend. Immer wenn ein Charakter still oder stumm ist, will ich mehr über ihn erfahren. Die Beziehung zwischen ihm und PJ finde ich auch interessant, da sie in der schlimmsten, denkbaren Art feindlich ist. Sobald PJ gebrochen wird, sucht er bei Charlie Trost und Bestätigung. Das hat so ein bisschen was von Stockholm-Syndrom.

The Bad Man wurde in Deutschland über 20 Minuten geschnitten, um eine FSK-18-Freigabe zu bekommen. Somit können nicht einmal Erwachsene deinen Film in voller Länge sehen, wenn sie ihn nicht importieren wollen. Ist das für dich nachvollziehbar? In welchem Alter sollten Menschen deinen Film sehen dürfen?

Ich denke, 18 ist eine gute Grenze. Alle ab 18 sollten ihre eigenen Entscheidungen treffen dürfen, was sie sich zu sehen trauen. Ich weiß nicht, welche 20 Minuten entfernt wurden – der Film ist für mich wirklich schwer vorstellbar, wenn so viel davon fehlt.

Deine Filme sind eher für eine kleine Zielgruppe gemacht. Ist das eine bewusste Entscheidung oder würdest du gerne mehr Leute erreichen?

Ich würde es lieben, mehr Leute zu erreichen. Wenn das Publikum groß genug wäre, könnte ich meinen Brotjob kündigen und mehr Filme drehen.

Du konzentrierst dich oft auf die dunklen Seiten deiner Charaktere. Ist es dir wichtig, dass die Charaktere psychologisch akkurat ausgearbeitet sind und wie bereitest du dich darauf vor?

Ich bin mir nicht sicher, wie ich mich überhaupt darauf vorbereiten könnte. Wenn es für mich psychologisch und emotional Sinn ergibt, dann mache ich es. Ich weiß einige Leute hätten gerne mehr Informationen, damit sie leichter von A nach B kommen. Wie zum Beispiel in Plank Face, bei dem kritisiert wurde, dass Max‘ Transformation zu abrupt ist. Aber ich denke nicht, dass das stimmt. Ich glaube, wenn du dir den Film alleine anschaust und all die leisen, nachdenklichen Momente des Films auf dich einwirken lässt, wie ich hoffe, dass die Zuschauer es tun, wirst du dich in Max einfühlen können. Vielleicht fällt es dir dann leichter, dich mit ihm zu identifizieren. Aber wenn du den Film gemeinsam mit anderen schaust, und nur halb dabei bist, oder die stillen Momente schnell übergehst, kann ich verstehen, dass du die Wandlung zu abrupt findest.
Ich mag Filme mit ausgedehnter Stille; wie beispielsweise wenn Luke Skywalker den Anblick der Zwillings-Sonnen in Star Wars auf sich einwirken lässt. Kein Dialog, aber ein sehnsüchtiger Blick und der Score von John Williams erzählen dir alles, was du wissen musst, um zu verstehen wie sehr dieser Farm-Junge von diesem Planeten weg will. Wir sollen in die Augen der Charaktere sehen und uns selbst fragen: „Was würde ich an deren Stelle machen?“ Das ist reine Kino-Magie! Du musst gewillt sein, mit dem Film zu interagieren, anstatt alles auf einem Silbertablett serviert zu bekommen.

Scott Schirmer
Max in Plank Face

Welche Horrorfilme der letzten fünf Jahre würdest du unseren LeserInnen empfehlen?

The VVitch ist ein verdammtes Meisterwerk. Zweifellos der beste Horrorfilm der letzten 20 Jahre, würde ich sagen. Ich habe auch The Loved Ones, Midnight Meat Train und Eden Lake genossen. Einige von denen sind wahrscheinlich älter als fünf Jahre. Ehrlich gesagt liebe ich nicht viele Horrorfilme. Die meisten der Indie-Horrorfilme sind ganz ordentlich – zumindest besser als die Studio-Produktionen. Oft mag ich sie, aber nur selten liebe ich sie. Aber The VVitch hat mich einfach nur umgehauen.

Was kannst du uns über deine kommenden Projekte erzählen? Planst du einen weiteren Horrorfilm?

Ich habe mich noch nicht entschieden, was als nächstes kommt. Im Moment kommt eine große Bandbreite an Ideen in Frage, vieles davon Horrorfilme, aber nicht alles. Ich würde wirklich gern einen weiteren drehen, aber das Geld aufzutreiben ist jedes Mal eine große Herausforderung. Man braucht mindestens 6.000 bis 10.000 für einen Film. Ich konnte in der Vergangenheit 20.000 auftreiben, aber nach der Herstellung der Disks, Versandkosten und Gebühren, kommst du kaum ins Plus. Daher muss ich Spender finden, die die anfänglichen 6.000 bis 10.000 bereitstellen. Falls jemand da draußen einen Film finanzieren will, lasst es mich wissen!

Gibt es noch etwas, was du unseren LeserInnen sagen willst?

Indie-Filmmacher haben es derzeit richtig schwer, mehr als je zuvor. Während es die Technik für jeden einfacher gemacht hat, Filme zu drehen, wurde es wesentlich schwieriger, damit Geld zu verdienen. Amazon eliminiert wie wild Indie-Filme, besonders Horrortitel. Wenn du genau herausfindest, was die Distributoren suchen, kannst du internationale Deals machen. Dafür musst du aber genau den Punkt treffen, bei dem der Film drastisch und blutig genug ist, aber auch nicht zu sehr, damit er nicht in manchen Ländern zensiert wird. Raubkopien sind natürlich auch ein großes Problem für alle.
An digitalen Kopien verdient man als Filmemacher nicht viel, aber selbst veröffentlichte DVDs und Blurays laufen nach wie vor. Also: Wenn ihr Indie-Filme oder Indie-Filmemacher liebt, bitte versucht, uns immer mal wieder mit ein paar Euros zu unterstützen. Kauft direkt bei den Filmemachern, wenn möglich, denn Amazon nimmt 50-60% und Händler immer noch mindestens 25-30%. Vertriebe finden auch alle möglichen Gründe, die Filmemacher nicht zu bezahlen. Ihr wärt entsetzt. Also unterstützt uns bei Conventions oder über unsere Webseiten (scottschirmer.com), wenn ihr könnt. Wir wollen weiterhin Filme drehen!

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Wir wünschen dir alles Gute für die Zukunft!

Interview von Thomas Ortlepp und Florian Halbeisen.

Seid gegrüßt, Ich habe unzählige Namen und erscheine in vielen Gestalten. Hier kennt man mich als Dark Forest und ich bin euer Gastgeber. Ich führe euch durch die verwinkelten Bauten, düsteren Wälder und verfallenen Ruinen. Immer mir nach!

...und was meinst du?