Searching
Kritik

Searching (2018) – Review

Geprägt vom Verlust der Ehefrau, scheint das Leben für David Kim (John Cho, Star Trek) dennoch intakt, und auch seine Tochter Margot (Michelle La) kommt in der Schule gut voran. Bis sie eines Tages verschwindet und David sich in den Weiten der Social Media auf die Suche macht. Einer Suche, die bald zu einem Wettlauf mit der Zeit wird …

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Searching
USA
102 Minuten
Aneesh Chaganty
Aneesh Chaganty, Sev Ohanian
John Cho, Debra Messing, Joseph Lee u.a.

Inhaltsangabe

David Kim (John Cho, Star Trek) richtet auf seinem PC ein neues Benutzerkonto mit dem Namen Margot ein. Ordner werden erstellt, die mit Bildern der kleinen Margot gefüllt werden, von der Geburt an. Wir sehen die Bilder und Videos einer glücklichen dreiköpfigen asiatisch-amerikanischen Familie. Die Mutter läuft immer voran, bis sie an Krebs erkrankt. Sie kämpft lange, wird schließlich dauerhaft im Krankenhaus behandelt. Der Tag ihrer Rückkehr wird in einen Terminkalender eingetragen, mehrfach verschoben, letztlich aus dem Terminkalender gelöscht. Zu diesem Zeitpunkt ist die kleine Margot bereits in ihrer Jugend, nimmt teure Klavierstunden und hat auf Facebook beinahe dreihundert Freunde. Das Leben von David und Margot ist ebenso aufgeräumt, wie der Desktop, auf dem lediglich zwei Icons zu finden sind. So aufgeräumt, dass sich David über den Messenger bei seiner Tochter beschwert, dass es aus dem Mülleimer stinkt, den sie schon wieder vergessen hat, zu leeren. Dann verpasst David eines Nachts mehrere Anrufe seiner Tochter. Am nächsten Morgen versucht er, sie über mehrere Stunden hinweg zu erreichen, vergeblich. David macht sich auf die Suche nach seiner Tochter, denn sie nahm zwar das Geld für die Klavierstunden, war aber nicht dort, schon ein halbes Jahr nicht. Und David beginnt, im Computer über ihre persönlichen Ordner und die sozialen Medien nach seiner Tochter zu suchen, die spurlos verschwunden zu sein scheint. Offenbar repräsentiert der Online- und PC-Content nicht ihr Leben außerhalb dieser nur auf den ersten Blick übersichtlichen und geordneten Welt. Und auch die dreihundert Freunde scheinen in der Realität außerhalb des Internets kaum etwas mit ihr zu tun zu haben. David verständigt die Polizei. Zusehends füllt sich der vormals so leere Desktop, während David immer verzweifelter nach seiner Tochter sucht …

Kritik

David Kim wird von John Cho gespielt, dessen bekannteste Rollen die des Sulu in Star Trek und Harold Lee in den Harold & Kumar-Filmen sind. Wir sehen die Teile der Welt, in denen Searching spielt, aus seiner Sicht. Sie begrenzt sich in dem Film auf den Computer (Windows XP!), Internet, Smartphone und Fernsehbilder. Es ist eine Welt, die  PC- und Internetnutzern nur allzu vertraut ist. So wie das Desktop-Wallpaper auf dem Bildschirm, mit dem der Film anfängt: Eine grüne Wiese, dahinter erstreckt sich ein Hügel, darüber schweben Wolken. Das ist bekannt, so wie die Teile der Welt, die in Searching gezeigt werden. Jedoch ist es eher unbekannt, dass das Bild im Napa Valley aufgenommen wurde. So wie die Mittel des Films eher ungewöhnlich sind, selbst die Musikuntermalung beschränkt sich auf David Kims Playlist. Sie unterstreicht die Handlung trotzdem, die erst langsam mit Bildern und Videos der heranwachsenden Margot beginnt, um dann zwischen Textmessages, Internettelefonie und Suchmaschinen ihren eigenen, immer schnelleren Rhythmus zu finden. Die Suche in Windows-Ordnern, Telefon- und Facebook-Freundschaftslisten und Suchmaschinen klingt normalerweise nicht so, als könnte sie dabei helfen, einen Spielfilm zu füllen. Ohne passendes Konzept wäre das vielleicht auch langweilig.

Aneesh Chaganty, der am Drehbuch mitarbeitete und mit Searching sein Spielfilm-Debut lieferte, arbeitete zuvor für Googles Creative Lab, wo er Kurzfilme drehte. Seinen technischen Background und seine Erfahrungen mit der Materie merkt man in jeder Szene. Weder Klicks noch Messages oder gar Anrufe sind überflüssig, ob diese den Protagonisten nun weiterhelfen oder ihn noch tiefer in die Verzweiflung schicken. Es gibt sehr viele Wiedererkennungswerte, einschließlich deutlicher, aber nicht dick aufgetragener Gesellschaftskritik. Ob das nun die Beständigkeit von Facebook-Freundschaften oder öffentliche Kommentare vermeintlicher Freunde wie auch völlig fremder Menschen ist, das wirkt real. Aus diesen Gründen wirkt der Film absolut authentisch und das hat er mit dem Protagonisten gemein. Egal wie technisch perfekt der Film sein mag, wie gut geschrieben oder clever konzipiert er ist, er würde nicht funktionieren, wenn der Hauptcharakter nicht überzeugt. Kim ist weder Übermensch noch Übervater, er ist in seinem Leben gefangen, das macht ihn menschlich; er liebte seine Frau wie nun auch seine Tochter über alles, auch wenn er das nicht immer zeigen kann, das macht ihn sympathisch. John Cho verbindet man nicht zwangsläufig mit dem Thriller-Genre oder gar Charakterrollen. Hier erhält er allerdings die Möglichkeit, sich auch als Charakterdarsteller zu profilieren. Cho überzeugt und er ist der Dreh- und Angelpunkt des Films; David Kim ist seine bislang beste Rolle und Performance.

Searching

Hintergrund – Eine kurze Abhandlung über Timur Bekmambetov und den Social-Media-Film.

„Das Kino ist in der Wahl seiner Mittel eher konservativ“, erklärt Timur Bekmambetov. Der kasachische Filmemacher und Produzent dieses Films wurde durch die Verfilmungen der Sergei-Lukianenko-Romane Wächter des Tages und Wächter der Nacht bekannt; mit Wanted und Abraham Lincoln, Vampirjäger fasste er in den USA Fuß. 2014 produzierte er den Social-Media-Horrorfilm Unknown User, dieses Jahr kam der Nachfolger Unknown User 2: Dark Web in die Kinos. „Vom Schreiben des Drehbuchs über die Finanzierung hin bis zur Veröffentlichung kann es bis zu zehn Jahre dauern, weshalb die Filmindustrie den tatsächlichen Entwicklungen um Jahre hinterherhinkt“, führt er aus. Und tatsächlich sind die sozialen Medien als filmisches Gestaltungsmittel fernab davon erkundet, geschweige denn etabliert, zu sein. In der Nutzung dieser Mittel wirkt Searching ebenso konsequent wie fast schon dogmatisch. Man kann es auch als Dogma werten, wenn Timur Bekmambetov über die gestalterischen Mittel, die Produktion und eigene Projekte spricht. Für diese neue Art des Films musste er „eine neue Filmsprache entwickeln“, von der Kameraführung bis zur Einbindung des Soundtracks. Wobei die Gestaltung dieser Filme an frühere Found-Footage-Filme erinnert, diese Mittel jedoch dem Social-Media-Film beifügt. Bekmambetovs neuestes Regie-Projekt Profile nutzt ebenfalls die Social Media und erhielt dieses Jahr auf der Berlinale den Panorama-Publikums-Preis für den besten Spielfilm. Wenn es nach dem Filmemacher geht, werden sehr viele weitere Filme dieser Art folgen, denen es zugutekommt, dass sie günstig und schnell produziert werden können. Solange das nicht zulasten der Qualität geht, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Unknown User kostete eine Million US-Dollar, erzielte über 60 Millionen weltweit; der zweite Teil konnte daran nicht anschließen, erzielte allein an den Kinokassen aber dennoch fast das neunfache des Budgets von ebenfalls einer Million. Das Budget von Searching wurde nicht bekanntgegeben, aber mit den bisherigen Einspielergebnissen von über sechzig Millionen dürfte der Film dennoch als voller Erfolg gewertet werden. Es wird spannend sein, zu beobachten, welche Entwicklung der Social-Media-Film nehmen wird.

Searching

Fazit

Searching ist der bislang beste Spielfilm-Beitrag seiner Art. Von den Charakteren und dem Schauspiel über den Umgang mit den sozialen Medien bis hin zum Spannungsbogen bietet der Film absolut erstklassige Unterhaltung. Wer Thriller mag und sich neuen Gestaltungsmitteln nicht verweigert, kommt an Searching nicht vorbei.

 

Bewertung

Spannung Rating: 4 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt  Rating: 0 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 3 von 5

Bildquelle: Searching © Sony Pictures Germany

Horrorfilme sind eines der Genres des Films, den ich in seiner Gesamtheit seit meiner frühesten Kindheit und der ersten Begegnung mit den Kreaturen des Ray Harryhausen fast schon abgöttisch liebe. Im Horrorfilm taucht der Zuschauer nicht nur bis zu den Abgründen der menschlichen Seele, sondern häufig weitaus tiefer.

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