The Rocky Horror Picture Show
Kritik

The Rocky Horror Picture Show (1975) – Review

The Rocky Horror Picture Show ist eine wundervolle Hommage an die alten Sci-Fi- und Horror-B-Movies. Grund genug mal ordentlich ins Schwärmen zu geraten.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

The Rocky Horror Picture Show
Großbritannien, USA
100 Minuten
Jim Sharman
Jim Sharman, Richard O’Brien
Tim Curry, Richard O’Brien, Susan Sarandon u.a.

At the Late Night Double Feature Picture Show

Die Rocky Horror Picture Show basiert auf dem Musical „The Rocky Horror Show“ von Richard O’Brien und Jim Sharman, welches 1973 seine Uraufführung feierte. Schon damals mit Tim Curry und Richard O’Brien in den Rollen von Frank-N-Furter und Riff Raff. 1975 adaptierten Sharman und O’Brien die Show dann für’s Kino und konnten dafür neben Tim Curry (Stephen Kings Es) unter anderem Susan Surandon (Thelma & Louise), Patricia Quinn (The Lords of Salem), Charles Gray (James Bond 007 – Diamentenfieber) und Meat Loaf als DarstellerInnen gewinnen.

Der Kinofilm mauserte sich schnell zu einem Hit in den Mitternachtsvorstellungen und gehört neben Alejandro Jodorowskys El Topo und John Waters Pink Flamingo zu den wohl bekanntesten Midnight Movies. Schnell bildete sich eine treue Fangemeinde, die den Film immer und immer wieder sah und mit dem Film zu interagieren begann. Die Fans verkleideten sich als Charaktere aus dem Film, brachten Gegenstände wie Reis, Toast oder Klopapier mit, um sie an den entsprechenden Stellen Richtung Leinwand zu werfen, schrien etablierte Phrasen und tanzten und sangen natürlich fleißig mit. So wurde Rocky Horror zu einem interaktiven Kinoerlebnis, was dem Film die längste Kinolaufzeit aller Zeiten bescherte: von 1975 bis heute.

At a Deadly Pace It Came from Outer Space

Die Rocky Horror Picture Show ist eine Hommage an Sci-Fi- und Horror-B-Movies und eine wahre Fundgrube an Referenzen für Fans dieser Filme. Das geht von den recht eindeutigen Nennungen im Titellied über das Grundthema von Frankenstein und Magenta als Frankensteins Braut bis hin zu einzelnen Einstellungen und Entlehnungen von Die Nacht des Jägers und Cocktail für eine Leiche oder der gesamten Schloß-Kulisse, die davor schon so manchem Hammer-Horror gedient hat.

Kannte ich bei meiner ersten Sichtung kaum einen Film aus dem Titellied, so machte es mir irre Spaß hier von Sichtung zu Sichtung wieder einige Filme aufzuholen. Diese wundervolle Liebeserklärung an das Genre-Kino der 30er- bis 60er-Jahre ist es dann auch, die für mich einen großen Charme der Produktion ausmacht.

Inhaltlich ist die Show auch in erster Linie an Mary Shelleys „Frankenstein“ angelehnt. Sie folgt dem frisch verlobten Paar Brad Majors und Janet Weiss auf ihrem Weg zu ihrem Ex-Tutor Professor Everett Scott. Natürlich verläuft ihre Reise nicht ganz so einfach und aufgrund einer Reifenpanne müssen sie bei einem alten Schloss um Hilfe bitten. Dies ist der Sitz des verrückten Wissenschaftlers Frank N. Furter, der gerade dabei ist ein Wesen zu erschaffen: Rocky Horror.

Really Love That Rock and Roll

Die Geschichte rund um Träume, Leidenschaft, Wahnsinn, Mord und Kannibalismus wird einem Musical entsprechend hauptsächlich in Form der rund 20 Songs erzählt, die bei einer Laufzeit von 100 Minuten nicht viel Platz für anderes lassen. Umso wichtiger ist es, dass die Songs den Film auch über die Spielfilmlänge tragen können. Es dürfte an dieser Stelle keine Überraschung sein, dass ihm das in meinen Augen voll und ganz gelingt. So oft ich den Film auch schon gesehen habe, es kommt nicht annähernd an die unzähligen Male heran, die ich mir den Soundtrack schon angehört habe. Seit etlichen Jahren landet dieser immer wieder in meinem Player und wird von mir lauthals und schief mitgesungen.

Es fällt mir hier auch schwer einen Favoriten zu bestimmen, da das Niveau der dargebrachten Nummern durchgehend erstaunlich hoch ist. Sei es der Beginn mit den ikonischen, roten Lippen von Patricia Quinn, die ihre Lippen zum Gesang von O’Brien bewegt, über die vielleicht bekannteste Nummer „Time Warp“ bis hin zum Drei-Akt-Finale mit „Rose Tint My World“, „Don’t Dream It“ und „Wild and Untamed Thing“. Die Nummern atmen durchgehend die befreiende, Grenzen berstende Kraft des Rock’n’Roll.

Don’t Dream It – Be It

Grenzen sprengen ist bei Rocky Horror allgemein ein gutes Stichwort, hat die fließende Darstellung von Geschlechterrollen und sexuellen Orientierungen gerade in den 70ern eine sehr fortschrittliche Beschäftigung mit dem Thema gefördert. Doch selbst heute, wo zumindest die Ehe für alle schon in weiten Teilen der Welt etabliert wurde, sind Transsexualität und nicht-binäre Geschlechteridentitäten nach wie vor das Ziel von Anfeindungen. Die Rocky Horror Picture Show ist dementsprechend auch heute noch ein wichtiges Plädoyer für eine offene, bunte und vielseitige Gesellschaft in der es keine Rolle spielt, welches Geschlecht man hat, wie man dieses Geschlecht lebt oder wen man liebt.

We’re a Wild and an Untamed Thing

Auch wenn dieser Aspekt sicher einen sehr großen Teil der subversiven Kraft des Musicals einnimmt, so ist der Kultfilm auch ganz allgemein ein Protest gegen einengende soziale Konventionen, Prüderie und religiöse Normen. Es ist daher kein Wunder, dass nach dem lasziven Intro mit Quinns roten Lippen das Kreuz einer Kirche folgt und danach Magenta und Riff Raff, die das Bild „American Gothic“ nachstellen, welches die puritanische Ethik der USA verkörpert. Wir beginnen unsere Reise in einem prüden, von religiösen Normen bestimmten Amerika, einem Amerika der unterdrückten Sexualität. Die anarchistische Reise lässt all dies zurück und hat eine befreiende Wirkung – für ProtagonistInnen und Publikum zugleich. Mit jeder Minute, die der Film beziehungsweise die Reise fortschreitet, bröckelt das puritanische Weltbild bis zum Schluss nichts mehr übrig bleibt. Nicht einmal mehr Frank N. Furter und seine Kreaturen. Am Ende sind wir wieder auf Brad und Janet zurückgeworfen, die befreit von ihren Ketten vor den Trümmern ihrer ehemaligen Werte und Weltbilder stehen.

Richard O’Brien sagte einmal in einem Interview mit Pink News, dass wenn uns die Gesellschaft erlauben würde uns normal zu fühlen so wie wir sind, gäbe es kein Problem. Dann würden die Begriffe wie Transvestit oder transsexuell gar nicht existieren. Du wärst einfach ein weiterer Mensch.

Dieser wundervollen Message will ich auch gar nicht viel mehr hinzufügen. Ganz egal, ob aufgrund seiner tollen Hommage an Sci-Fi- und Horror-B-Movies, seiner grandiosen Musik oder der anarchischen, grenzensprengenden Grundstimmung, der Film ist etwas ganz besonderes und wird wohl auf ewig den Thron in meinem Filmherzen besetzen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Film&Feder in der Lieblingsfilmreihe.

 

Bewertung

Spannung Rating: 2 von 5
Atmosphäre Rating: 5 von 5
Gewalt  Rating: 1 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 4 von 5

Bildquelle: The Rocky Horror Picture Show © 20th Century Fox Home Entertainment

 

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

2 Comments

...und was meinst du?