Hagazussa
Interview

Interview mit Lukas Feigelfeld (Hagazussa)

Hagazussa ist ein Hexenfilm der ganz besonderen Art, den ihr euch auf jeden Fall vormerken solltet. Was genau dahinter steckt, haben wir Regisseur und Autor Lukas Feigelfeld gefragt.

Ich hatte das Vergnügen Hagazussa bei seiner deutschsprachigen Premiere im Dezember in Wien sehen zu dürfen. Inzwischen feierte der Film auch in Deutschland beim Filmfestival Max-Ophüls-Preis seine Premiere und wird hoffentlich bald auch eine reguläre Auswertung erfahren.

Hagazussa ist weit weg von einem konventionellen Hexenfilm, wie man sie bisher kannte. Viel mehr als an einer mythologisch begründeten Schreckensgestalt, ist Lukas Feigelfeld am historischen Hintergrund des Hexenglaubens irgendwo zwischen der Angst vor dem Fremden und Psychosen interessiert. Ein psychologischer Hexenhorror in den österreichischen Alpen in wundervollen Bildern eingefangen von Kamerafrau Mariel Baqueiro.


Hallo Lukas, erst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst.

Gibt es einen bestimmten Grund warum du dich für das Horrorgenre entschieden hast und was fasziniert dich grundsätzlich am Genre?

Ich habe eher das Gefühl, dass sich das Genre erst aus dem Stoff heraus entwickelt hatte. Natürlich bietet es sich bei einer Geschichte, die sich mit Hexenmythen beschäftigt, an, trotzdem ging es mir nicht in erster Linie darum einen Genrefilm zu machen. Nichtsdestotrotz bin ich durchaus auch ein Horrrofilm-Fan.

Hagazussa ist für einen Hexenfilm sehr außergewöhnlich, da er auf okkulte und übernatürliche Elemente verzichtet. Wie entstand die Idee einen psychologischen Horrorfilm über eine Hexe zu machen?

Nachdem mir klar war, dass ich ein Drehbuch schreiben wollte das das Hexen-Thema behandelt, habe ich viel Recherche betrieben. Umso tiefer ich mich mit dem Thema auseinander gesetzt hatte, umso mehr wurde mir klar, dass es keine übernatürliche Geschichte sein müsse oder sollte. Der viel grausamere und dunklere Horror findet sich in der verzerrten Realität einer Person die an paranoiden Halluzinationen leidet und von der Außenwelt abgegrenzt und misshandelt wird. Auch bot sich hier an ein empathisches Bild dieser Frau zu zeichnen, die, wie so viele andere Frauen in dieser Zeit, als Andersartige und Fremde ausgegrenzt wird. Schlussendlich sind dies jedoch auch die Gründe, die zu ihrer grauenhaften Tat führen.

Interview mit Lukas Feigelfeld

Wie wichtig war es dir, dass Hagazussa möglichst historisch akkurat ist und wie bist du an die Sache ran gegangen?

Wir haben versucht so akkurat wie möglich zu arbeiten, auch wenn das nicht immer komplett aufgeht. Da wir mit einem sehr geringem Budget arbeiten mussten, war es nicht
immer möglich alles haargenau in die damalige Zeit zu setzen. Ich denke jedoch, dass es uns zu einem guten Teil gelungen ist ein realistisches Bild von Albruns Alltag zu zeigen.

Du bist in Österreich auf dem Land aufgewachsen. Wie stark prägte das deinen Film bzw. inwiefern ist das in den Film eingeflossen?

Ich habe als Kind viel Zeit im Salzkammergut bei meinen Verwandten verbracht, bin jedoch in Wien aufgewachsen. Ich denke, dass Kindheitserinnerungen an die dunklen Berge und Wälder, sowie Geschichten über Hexen und Kobolde bestimmt einen großen Einfluss auf die Geschichte genommen haben. Beim Schreiben erinnerte ich mich oft an alte Alpträume über Hexen, die ich als Kind hatte. Ich versuchte dann herauszufinden wie ich dieses Gefühl, dass man hat wenn man nach so einem Traum erwacht, auch für das Publikum zugänglich machen kann.

Der Film beschäftigt sich stark mit der Angst vor dem Fremden. Was bedeutet das Thema für dich persönlich und war dies als gesellschaftspolitischer Kommentar gedacht oder interpretier ich das nur rein?

Es spielt auf jeden Fall eine große Rolle. In Betrachtung von derzeitigen gesellschaftspolitischen Strömungen fühlt man sich geradezu zurückversetzt ins Mittelalter. Schlussendlich lässt sich das Leiden der Hauptfigur, ihre Einsamkeit und ihr Hoffen auf Anschluss an die Gesellschaft, sehr gut auf die derzeitige Zeit projizieren. Nicht nur hat sie damit zu kämpfen sich als alleinstehende Frau und Mutter zu behaupten, auch wird sie mit Fremdenhass und Vorurteilen konfrontiert, was im derzeitigen Österreich meine Meinung nach weiterhin und erneut groß an der Tagesordnung steht.

Lukas Feigelfeld HagazussaHagazussa war für mich eine äußerst erfrischende Erfahrung und ist in seinem Stil sehr einzigartig. Gab es dennoch irgendwelche Künstler oder Werke, die dich besonders inspiriert haben?

Da meine Arbeit meist sehr visuell beginnt und ich mich zuerst mit Stimmungen und Bildern beschäftige, gab es natürlich einige Inspirationen.
Neben klassischer Folklore aus dem Alpenraum, Brauchtümern wie den Perchten-Läufen und dergleichen, haben mich Gemälde wie zum Beispiel „Tod und das Mädchen“ von Hans Baldung fasziniert (siehe rechts).
Natürlich gibt es auch bestimmte Regisseure die mich beeinflusst haben. Darunter Tarkowskij, Zulawski oder Murnau.

Der Film kommt mit sehr wenig Dialog aus was für Schauspieler und Schauspielerinnen eine Herausforderung sein kann. War das Casting und der Dreh eine große Herausforderung?

Casting gab es keines im klassischen Sinne. Ich hatte mit Aleksandra Cwen (Albrun) schon an einem anderen Projekt gearbeitet. Wir haben uns daher eher zusammengesetzt und uns über den Charakter der Albrun unterhalten. Mir war es wichtig, dass eher ein Verständnis für die Figur und ihre psychische Entwicklung entsteht, da mir klar war dass Aleksandra das Talent und den körperlichen Einsatz sowieso mitbringt.
Bei der jungen Albrun handelt es sich um die Tochter meine Cousine. Sie hatte keinerlei Schauspielerfahrung. Celina wächst im Salzkammergut auf und ist dem Ganzen noch am nächsten.
Ich kenne sie seit sie geboren wurde und habe ein nahes Verhältnis zu ihr. Auf dieser Grundlage des Vertrauens war es kein Problem mit ihr zu arbeiten. Den Film darf sie jedoch erst sehen, wenn sie älter ist.

Gibt es eine Szene auf die du besonders stolz bist?

Ich denke es ist schwer Lieblinge zu bezeichnen. Ich bin stolz auf manche Szenen die einfach genau so geworden sind wie ich es mir vorgestellt hatte.
Andere sind durch Zufall oder Glück mit Wetter oder Tieren entstanden. Ich konnte zum Beispiel nicht kontrollieren wo die Schlange hin will, und als sie sich ewig lang um Aleksandras Hals schlängelte, habe ich mich natürlich sehr gefreut. Wir hatten einige Drehblöcke mit längeren Pausen dazwischen. Daher sind die Konditionen beim Dreh oft sehr unterschiedlich gewesen.
Ich bin hier sehr froh, dass es sich so gut zu einem großen Ganzen gefügt hat.

Interview mit Lukas Feigelfeld

Wie leid bist du es, dass Hagazussa mit The VVitch verglichen wird?

Haha. Es wird sehr oft der Vergleich gezogen. Was mich eher stört, ist, dass der Eindruck entsteht, dass ich den Film gesehen hatte und meine Version machen wollte. Was aber nicht der Fall war. Wir hatten bereits einen Drehblock hinter uns, als ich von The Witch erfahren hatte. Ich habe den Film auch erst gesehen, als Hagazussa fertig war. Durchaus kein schlechter Film, aber er zeigt auch eine ganz anderen Herangehensweise an die Hexenthematik.

Wie ist der weitere Weg für Hagazussa? Kommt noch eine reguläre Kinoauswertung und darf ich mir Hagazussa irgendwann als Mediabook oder Steelbook in den Schrank stellen?

Wir hatten eben unsere Deutsche Erstaufführung beim Max Ophüls Preis Film Festival und werden den Film bei der diesjährigen Diagonale in Graz zeigen. Wir sind international und im deutschsprachigen Raum in Verhandlungen mit Verleihern. Ich bin mir recht sicher, dass es die Möglichkeit geben wird den Film in Zukunft zu Gesicht zu bekommen.

Was steht als nächstes für dich an? Wirst du dem Horror-Genre treu bleiben?

Ich bin derzeit dabei mein nächstes Projekt zu schreiben. Es ist nicht unbedingt im Horror-Genre anzusiedeln, bedient sich aber sicherlich Genre-Elementen.
Vielleicht ist es auch besser sich von Labels zu entfernen. Für mich hat Film immer etwas Traumhaftes oder Surreales. Also werde ich dem wie es aussieht auch treu bleiben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Hagazussa © Retina Fabrik

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

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