The Forest of Lost Souls
Kritik

The Forest of Lost Souls (2017) – Review

The Forest of Lost Souls ist Arthouse-Horror von der schönsten Art. Poetisch, bedeutungsvoll und richtig schön fies.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:

A Floresta das Almas Perdidas
Portugal
71 Minuten
José Pedro Lopes
José Pedro Lopes

Die Traurigkeit bleibt für immer. Das sagte Van Gogh zu seinem Bruder, Theo, bevor er starb. Für Nietzsche, der Gedanke an Suizid hatte etwas sehr Tröstliches, ein Hort in dem man böse Nächte überleben kann. [eigene Übersetzung]

Mit diesem Prolog aus dem Off startet der portugiesische The Forest of Lost Souls in seine triste schwarzweiße Welt. Nach einer kurzen wunderschönen Montage beobachten wir, passend zu den einführenden Worten, eine junge Frau in weiß bei ihrem Suizid mittels Gift. Die Traurigkeit bleibt für immer.

Es folgt ein atemberaubend schönes Intro durch einen Pappmaché-Wald, welches schon erahnen lässt, welch wunderschöne Bilder uns noch erwarten werden. Danach finden wir uns wieder im Wald wieder, welcher ein sehr beliebter Platz für Suizid ist. Dort beobachten wir wie Ricardo, ein Mann mittleren Alters, und Carolina, etwa im Alter der jungen Frau aus dem Vorspann, sich zufällig im Suizidwald begegnen.

Dies ist die Ausgangsposition für The Forest of Lost Souls. Die nächste Zeit lernen wir Ricardo und Carolina besser kennen und Regisseur und Drehbuchautor José Pedro Lopes gelingt es sehr gut in mir Empathie für beide zu wecken. Die leichtfüßigen Dialoge zwischen beiden lassen mich an deren Lippen hängen und ich harre gespannt der Dinge, die da noch kommen mögen. Was vielleicht etwas seltsam erscheinen mag, da sich beide im Suizidwald befinden und das Endergebnis eindeutig sein sollte.

Ob es das ist und wie die Geschichte weiter verläuft wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten und ich würde auch allen empfehlen möglichst jungfräulich an den Film heran zu gehen. Denn diese Einführung mag sich vielleicht wie ein schwerdepressives Drama lesen, aber ich kann euch versichern, dass Lopes noch ein paar Asse im Ärmel hat. Aber selbstverständlich bleibt der Film in seinem Kern ein Arthouse-Horror und ist vor allem auch optisch in erster Linie mit Filmen wie The Eyes of My Mother oder A Girl Walks Home Alone at Night verglichen werden. Wir haben es also wieder einmal mit meiner Leibspeise zu tun: künstlerisch angehauchtem Horrordramen. Also flüchte wer mag, ich mach es mir gemütlich.

Das Debüt von José Pedro Lopes gelingt es hervorragend die verschiedenen Genres, die es anspricht auszubalancieren. Wodurch der Film auch nicht so sperrig wirkt, wie manch andere Genrekollegen. Vor allem war es nicht nur die Mischung, sondern auch die dramaturgische Dosierung der jeweiligen Bestandteile, die mir sehr viel Spaß machte.

The Forest of Lost Souls
Carolina und Ricardo am Suizid-See

Wie schon angesprochen wurde der Film in schwarzweiß gedreht und sieht absolut phantastisch aus. Nicht nur ist der Entzug jeglicher Farbe passend zu dem tristen Inhalt, sondern verleiht dies dem Film auch eine leicht surreale Stimmung, was den Sprüngen zwischen den Genres sehr zuträglich. Dies wird insbesondere vom satten Sounddesign, welches für mich immer einen Ticken zu laut wirkt (im positiven Sinne), perfekt unterstützt. Der Score der zweiten Hälfte hingegen ist mit seinen Synthie-Klängen schon irgendwie retro und wirft mich zurück in die 70er und 80er. Dazwischen wummert immer mal wieder Unheil verkündend der tiefe Bass. Audiovisuell ergibt das ein wundervoll rundes Bild, dass man kaum glauben mag, dass es sich hierbei um ein Debüt handelt.

Auch schauspielerisch gibt es wenig zu bemängeln. Gerade Daniela Love und Jorge Mota, die das Eingangs erwähnte Duo mimen, machen einen großartigen Job und es ist eine Freude ihnen bei der Arbeit zuschauen zu dürfen.

Schlussendlich ist The Forest of Lost Souls jedoch nicht nur wunderschön anzuschauen, sondern auch eine spannende Auseinandersetzung mit Trauer und Suizid, aber vor allem auch eine Abrechnung mit einer oberflächlichen Hipster-Kultur, die sich ekklektisch allen möglichen Quellen bedient und diese, von deren ursprünglichen Bedeutung beraubt, für sich benutzt. Diese Kritik an kultureller Aneignung finden wir interessanterweise auch bei einem anderen großen Genre-Hit dieses Jahres: Get Out. Diese oberflächliche Verwertung von Kultur scheint verstärkt in den Fokus zu rücken. Vielleicht gibt es ja doch noch Rettung für uns verlorene Seelen – oder wann hast du das letzte Mal bedeutungsschwanger ein Zitat in den Raum geworfen?

Die Traurigkeit bleibt für immer. Je mehr wir eine lustige Geschichte analysieren desto trauriger wird sie. Zeit zerstört alles. Wenn die Idee von Suizid etwas sehr Tröstliches ist, eine Möglichkeit böse Nächte zu überleben, weg von allem und jedem, werde ich hier sein um deine Traurigkeit zu beenden. Willkommen im Wald der verlorenen Seelen! [eigene Übersetzung]

 

Bewertung

Spannung Rating: 3 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt  Rating: 1 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 4 von 5

Bildquelle: The Forest of Lost Souls © Anexo 82

Erhältlich bei Blacklava Entertainment

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

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