Interview Jose Pedro Lopes
Interview

Interview mit José Pedro Lopes (The Forest of Lost Souls)

Lopes über seinen neuen Film, oberflächliche Hipster und gruselige Traditionen.

Nachdem ich von The Forest of Lost Souls absolut begeistert bin, wie ihr in meiner spoilerfreien Review nachlesen könnt, freute ich mich riesig, dass José sich für ein Interview anbot – welches allerdings SPOILER enthält. Also vielleicht zuerst Josés wundervolles Debüt anschauen, bevor ihr hier erfährt was Van Gogh und Gaspar Noé mit einer beängstigenden Hipster-Kultur zu tun haben. Allen anderen wünsche ich viel Spaß mit dem Interview! [eigene Übersetzung aus dem Englischen]

Hi José,
vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast. Ich freu mich riesig, dass ich unserer Leserschaft deine Arbeit und deine Gedanken dazu näher bringen kann. Zu aller erst: wie würdest du dein Spielfilmdebüt The Forest of Lost Souls beschreiben?

The Forest ist wie eine Matroschka-Puppe, du hast eine Geschichte in einer Geschichte, ein Film in einem Film. Es beginnt mit einer Tragödie and folgt dann den Überlebenden. Es beginnt als Drama, aber wird dann immer lustiger und leichter. Dann wandelt es sich in eine Horrorgeschichte und wird düsterer und spannend. Schlussendlich wird es philosophisch und, hoffentlich, zu düster für das Publikum.

Hier in Portugal haben die Leute Probleme herauszufinden worum es im Film wirklich geht: ist die Protagonistin einfach nur böse oder hat das dunkle Paradies von Carolina eine Bedeutung?

Interview mit Jose Pedro LopesWie kamst du auf die ganze Suizid-/Killer-Idee? Und wie war es an einem so heiklen Thema zu arbeiten?

Hinter Irenes Tragödie und ihrer Familie, die versucht damit klar zu kommen, steckt eine wahre Geschichte. Ich wollte immer schon eine Geschichte über jemanden erzählen, der die Traurigkeit anderer Menschen ausnutzt. Daher ergab Carolina als Bösewicht Sinn – in der modernen Zeit von Smartphones können wir sein wer wir wollen und so handeln. Es war jedoch hart für mich auf dieser Ebene der Boshaftigkeit im Zusammenhang mit dieser Traurigkeit zu arbeiten.

Es gibt im Film zwei sehr markante Phrasen. Zeit zerstört alles und Traurigkeit bleibt für immer. Wie kamst du auf diese und was hat dich daran so gereizt?

Beide Zitate verwenden Carolina und Filipa während des Films. Dabei handelt es sich ein bisschen um eine Generationenkritik – es etwas hohles popkulturelles Zeug zu zitieren, wenn du über Gefühle sprichst. Zeit zerstört alles ist ein Zitat aus Irreversible von Gaspar Noé und das andere ein Zitat von Van Gogh. Auf eine Art sind diese jungen Leute sehr darauf bedacht Traurigkeit darzustellen – aber ist es am Ende nur etwas, dass sie gerade online gelesen haben?

Der Film wirkt auf mich wie ein Kommentar über eine sehr oberflächliche Hipster-Kultur, die andere Kulturobjekte absorbiert, aber sich nicht um deren tiefere Bedeutung schert. Les ich das nur rein oder war eine solche Gesellschaftskritik geplant?

Die Interpretation kann ich voll unterschreiben. Mir macht die heutige Gesellschaft Angst. Sie ist seicht und schnelllebig in Bezug auf Kultur, Filme, Literatur, sogar Sterblichkeit und Tod. Menschen sind zu sehr mit dem Jetzt beschäftigt und sehen nicht die wirkliche Bedeutung von irgendwas. Ich fürchte die Gesellschaft der Moderne wird jeden Tag seichter und grausamer.

Auf eine Art macht Carolina genau das. Keine der wunderschönen Zitate und tiefen Gefühle sind echt – sie will einfach irgendwas machen und macht es. Keine Reue.

Ich liebe Daniela in dem Film. Wie war es mit ihr zu arbeiten? Wie habt ihr euch auf diese komplizierte,Interview mit Jose Pedro Lopes vielschichtige Rolle von Carolina vorbereitet?

Wir haben mit Daniela schon in einem Kurzfilm namens “Videostore“ gearbeitet, der 1999 spielt und bei dem zwei Jugendliche obsolete VHS-Kassetten einer Videothek an die Personen verteilen, die sie am meisten ausgeliehen hatten. Sie war darin zum Verlieben. Sie spielte eine verträumte 17-jährige Filmverrückte. Carolina ist ein bisschen die dunkle Seite davon – all diese Zitate und Referenzen sind da, sie ist auch verträumt – aber aus einer düsteren, schrecklichen Welt.

Durch das Schwarzweiß wirken einige Szenen ziemlich surreal. War es beabsichtigt eine solche Atmosphäre zu schaffen? Oder was war der Grund den Film in schwarzweiß zu fotographieren?

Da der Film einige extreme Twists und Veränderungen des Genres liefert, dachten wir schwarzweiß würde helfen die Story und die Charaktere in einer düsteren Welt zu halten. Zudem machte es unseren Wald noch hoffnungsloser. Aus einem künstlerischen Aspekt war es großartig und es half der Story, aber es tut dem Film weh, wenn es um den Verleih geht. SW ist die größte Nische, die man sich denken kann.

Welche Szenen waren am schwersten zu drehen und wie beeinflusste das geringe Budget die Produktion?

Wir haben an vielen verschiedenen Orten gedreht. Der Wald ist ziemlich zentral in Portugal, ein Stückchen nördlich und ein Stück in Spanien. Wir reisten viel, aber immer mit einer winzigen Crew, um Kosten zu sparen. Das heißt es war viel Teamwork nötig – und wir schnitten einige Sachen raus, die in einem kalten, windigen Wald zu schwer waren.

Es gibt nichts was man nicht machen kann auf Grund von Geld – außer CGI und Special Effects, aber du brauchst Leute, die bereit sind für das Projekt weite Strecken zurück zu legen. Hoffentlich müssen wir nie mehr einen Spielfilm mit so wenig Geld machen.

Welche Szene gefällt dir am besten? Welche wurde genau so wie du sie dir vorgestellt hast?

Ich denke der Moment als Carolina Ricardo lähmt und dann erniedrigt und tötet wurde wesentlich düsterer und gruseliger als ich es mir vorgestellt hatte. Sogar die zwei Schauspieler waren etwas angespannt. Es war einfach nur grausam; wir waren bei einem Gletschersee, Sanabria in Spanien, wo vor 50 Jahren eine furchtbare Tragödie geschah und es war verdammt kalt in diesen Bergen. Der Boden auf dem der Papa, Jorge Mota, wartete getötet zu werden, war gefroren. Es war ein düsterer Moment – und ich denke es fühlt sich auf Film auch so an.

Der Film erinnerte mich an andere Arthouse-Horrorfilme der letzten Zeit wie The Eyes of My Mother von Nicolas Pesce oder A Girl Walks Home Alone at Night von Ana Lily Amirpour. Was waren die Haupteinflüsse für deinen Film?

Diese zwei Filme waren natürlich Einflüsse was deren Nutzung von Schwarzweiß-Fotographie und deren künstlerischem Umgang mit dem Genrekino angeht. Die größere Referenz ist jedoch Takashi Miike und hier speziell Audition. Japanisches Kino ist sehr künstlerisch, wenn es um Horror geht; und auch sehr schräg und emotional. Ich liebe es!

Da sind auch ein paar John-Carpenter-Momente in Forest – es gibt ein paar Szenen die Atmen den Geist von Halloween.

Was bringt die Zukunft für dich?

Wir schauen immer noch wie gut The Forest im Verleih funktioniert, um zu sehen wie viel wir riskieren können.

Wir sind in der Postproduktion von zwei Kurzfilmen, wir versuchen Dinge finanziert zu bekommen und wir suchen Projekte bei denen wir mitproduzieren und arbeiten können.

Aber ein zweiter Horror-Spielfilm wird kommen – hoffentlich früher als später. Ich würde gerne etwas machen rund um Saint Johns Night. Das ist ein Feiertag im Sommer in meiner Heimatstadt Oporto bei dem es einige verrückte Traditionen gibt. Aber es würde auf jeden Fall immer ein genreübergreifender Arthouse-Horror sein – aber in FARBE!!!!

Vielen lieben Dank!

Danke auch!

Hier geht’s zum englischen Original.

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?