Sweet, Sweet Lonely Girl
Kritik

Sweet, Sweet Lonely Girl (2016) – Review

Mit Sweet, Sweet Lonely Girl entführt uns A.D. Calvo zurück zu den Gothic-Horrorfilmen der 70er. Kryptisch und wunderschön.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:

Sweet, Sweet Lonely Girl
USA
76 Minuten
A.D. Calvo
A.D. Calvo

Sweet, Sweet Lonely Girl spielt Anfang der 80er Jahre und handelt von der Teenagerin Adele. Da sie sich zu Hause sehr eingeengt fühlt, ist es für sie ein willkommener Tapetenwechsel, dass sie zu ihrer alleinstehenden Tante Dora in ein altes viktorianisches Haus ziehen soll, um sich um diese zu kümmern. Da ihre Tante jedoch an Agoraphobie leidet, ihr Zimmer nicht verlässt und mit Adele hauptsächlich über kleine Zettel kommuniziert, welche sie unter der Tür durchschiebt, ist das Leben in dem riesigen Haus für Adele sehr einsam und deprimierend.

Daher kommt es für Adele einer Rettung aus ihrem tristen Alltag gleich, als sie die lebensfrohe, risikofreudige Beth trifft. Adele lässt sich von Beths Lebensstil schnell anstecken und ahnt zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass sich bald eine gefährliche Dynamik entwickeln wird…

Dem Film merkt man von der ersten Sekunde an, wo Regisseur und Drehbuchautor A.D. Calvo diesen verwurzelt. Spätestens bei Adeles Ankunft im viktorianischen Anwesen schreit alles Gothic Horror, allerdings weniger nach den klassischen Werken, sondern mehr jenen Filmen aus den 60ern und 70ern wie Landhaus der toten Seelen, Let’s Scare Jessica to Death oder Bavas Drei Gesichter der Furcht. Calvos Werk fühlt sich auch an wie dieser Zeit entrissen. Der Film entwickelt sich nur sehr langsam, actionreiche Szenen sucht man vergebens ebenso wie Blut und Gewalt.

Der Film lebt in erster Linie von der Dynamik der zwei Protagonistinnen und der sich daraus ergebenden unheimlichen Atmosphäre. Nach eigenen Aussagen ließ sich A.D. Calvo hier besonders von charakter-getriebenen Filmen wie Ingmar Bergmans Persona oder Robert Altmans Drei Frauen inspirieren. Um näher am Genre zu bleiben, lassen sich vor allem Verbindungen zum Euro-Horror der 70er ziehen. Zum Beispiel zu Jean Rollins The Living Dead Girl oder Vicente Arandas Carmilla-Verfilmung The Blood Spattered Bride.

Dieser gruseligen Atmosphäre ist es auch sehr zuträglich, dass wir bis zum Schluss nicht genau wissen, ob wir es jetzt mit einer übernatürlichen Komponente zu tun haben oder nicht. Ähnlich wie einige der oben genannten Vorbilder ist Sweet, Sweet Lonely Girl über weite Strecken sehr kryptisch und ich möchte auch nicht verheimlichen, dass ich selbst beim Abspann noch einige Fragezeichen im Gesicht hatte, die bis heute nicht vollständig verschwunden sind. Dies darf durchaus auch als Warnung für alle jene verstanden werden, die ihre Horrorfilme gerne klar, sauber und mit einem eindeutigen Ende serviert bekommen. Liebe Leute, ich sag’s euch gleich, die Wahrscheinlichkeit, dass euch der Film auf den Sack gehen wird, ist verdammt hoch.

Sweet, Sweet Lonely Girl
Quinn Shephard und Erin Wilhelmi als Beth und Adele

Aber auch für jene, die damit weniger Probleme haben, könnte das hier ein eher schwieriges Unterfangen werden. In Sweet, Sweet Lonely Girl geschieht rein auf der Handlungsebene wenig, was passiert ist zudem hin und wieder äußerst schwer nachvollziehbar und eine wirkliche Auflösung bekommen wir auch nicht. Da gibt es also durchaus einiges zu schlucken.

Und dennoch kann ich den Film nur wärmstens empfehlen, denn ich war über die kompakte Laufzeit von knapp 80 Minuten an die Leinwand gefesselt. A.D. Calvo und seinen zwei Hauptdarstellerinnen Erin Wilhelmi und Quinn Shephard gelingt hier ein äußerst einfühlsames und intensives Porträt einer jungen, einsamen Frau auf der Suche nach sich selbst. Gerade Erin Wilhelmi schafft es ausgezeichnet die Unsicherheit und Verletzlichkeit von Adele darzustellen ohne dabei jedoch vor Selbstmitleid zu zerfließen, wodurch sie von Anfang ein Charakter ist mit dem ich gerne mitgelebt habe.

Diese starke Charakterstudie macht dieses Horror-Drama für mich so sehenswert und auch wenn es durchaus Schwächen in der Dramaturgie gibt und das Finale etwas plötzlich kommt, so ist Sweet, Sweet Lonely Girl doch ein Film dem man eine Chance geben sollte – sofern man mit dieser Art von Filmen etwas anfangen kann.

 

Bewertung

Spannung Rating: 3 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt  Rating: 1 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 3 von 5

Bildquelle: Sweet, Sweet Lonely Girl © Bridge Independent

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?