The Blood Spattered Bride
Kritik

The Blood Spattered Bride (1972) – Review

The Blood Spattered Bride nimmt sich der Vampir-Novelle Carmilla an und schafft damit einen der interessantesten Vampirfilme aller Zeiten.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Vorlage:

La novia ensangrentada
Spanien
100 Minuten
Vicente Aranda
Vicente Aranda
Carmilla von Sheridan La Fanu (Novelle)

Exploitationkino und Schauerliteratur

The Blood Spattered Bride oder La novia ensangrentada, wie der Film im Original heißt, ist ein eher unbekannter Vertreter des europäischen Horrorfilms der 70er und 80er. Eine Zeit in der vor allem das italienische, französische und spanische Horrorkino aufblühten, wobei die länderspezifische Zuteilung oft gar nicht so leicht fällt, da hier auch viel grenzübergreifend gearbeitet wurde. Es war die Blütezeit des europäischen Exploitationkinos. Eine Gratwanderung zwischen auf Krawall gebürsteten Schund und künstlerisch-subversivem Gegenentwurf zum Mainstream.

Die bekanntesten Vertreter diese Ära sind sicher die sogenannten Italo- oder Spaghetti-Western, aber insbesondere im Horror- und Thrillergenre hat sich hier einiges getan. Besonders aktiv war hier natürlich das italienische Horrorkino mit Mario Bava, Dario Argento, Lucio Fulci, Ruggero Deodato, Joe D’Amato und vielen anderen, aber auch Spanien und Frankreich hatten mit Jess Franco und Jean Rollin zwei Regisseure, die in dem Bereich vorne mitspielten. Ich will an dieser Stelle aber auch gar nicht zu sehr ins Detail gehen, da ich einerseits zu dem Thema später noch einen eigenen Beitrag schreiben werde und andererseits The Blood Spattered Bride noch ein weiteres hochspannendes Thema in sich birgt.

Der spanische Film basiert auf der 1872 erschienen Novelle „Carmilla“ des irischen Autors Sheridan Le Fanu und ist damit 25 Jahre älter als Bram Stokers „Dracula“. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass Stoker sich stark von „Carmilla“ hat beeinflussen lassen. Dennoch konnte „Carmilla“ nie auch nur annähernd die Bedeutung von Stokers Werk erreichen, auch wenn es diesem literarisch überlegen ist. Dracula hat Dutzende von Filmemachern inspiriert und ist heutzutage wohl fast allen ein Begriff, aber Carmilla? Das Erbe ist überschaubar und die Bekanntheit begrenzt sich mehrheitlich auf Genre-Kenner. Hatte es Dracula bis Anfang der 70er in über 20 Filme geschafft, so ist Vicente Arandas The Blood Spattered Bride gerade einmal der fünfte Vampirfilm, der auf Le Fanus Novelle Bezug nimmt. Dementsprechend muss man froh sein über jeden Regisseur, der sich des Themas annimmt – denn die Vorlage hätte die gleiche Beachtung wie Dracula durchaus verdient.

Der Gegenentwurf zum Vampir-Lesben-Porno

Wie schon erwähnt wurde „Carmilla“ schon vor The Blood Spattered Bride verfilmt und das erste Mal im Jahr 1932 sogar vom talentierten dänischen Regisseur Carl Theodor Dreyer in Vampyr, welcher sich allerdings nur sehr lose an der Vorlage orientierte. Die bekannteste Verfilmung bis zu diesem Zeitpunkt stammt zweifelsfrei aus dem Hause Hammer aus dem Jahre 1970: Gruft der Vampire. Mit für diese Zeit sehr ausladenden Sex- und Gewaltszenen schuf Hammer quasi die Blaupause für den lesbischen Vampirhorror, der noch viele weitere nach ihm inspirieren sollte.

Und gerade hier bietet der zwei Jahre später erschienene The Blood Spattered Bride einen sehr angenehmen Gegenentwurf. Denn wer sich hiervon einen mit Gewalt angereicherten Vampir-Lesben-Softporno erwartet, darf seine Taschentücher sogleich wieder einpacken. Regisseur Vicente Aranda geht es nicht um die Befriedigung heterosexueller, männlicher Gelüste.

Arandas Adaption von „Carmilla“ ist sehr ruhig und langsam erzählt. Was überaus wichtig ist, um der psychologischen Tiefe der Charaktere auch genügend Raum zur Entfaltung geben zu können. So sind die Charaktere schlussendlich nuanciert und komplex genug, damit ihre Interaktionen die nötige Schwere für die dramaturgische Entwicklung der Geschichte bekommen, welche sich immer weiter zuspitzt bis hin zum grausamen, fatalistischen Finale. Der Cast macht glücklicherweise einen hervorragenden Job. Die Chemie zwischen Simón Andreu und Maribel Martín (Das Versteck) stimmt und Alexandra Bastedos Ausstrahlung als Carmilla ist verführerisch, mysteriös und unheimlich zugleich.

Simón Andreu, Maribel Martín und Alexandra Bastedo

Dazu kommt eine hochwertige Produktion, die nicht mit den vielen Billigproduktionen aus dem Exploitationbereich vergleichbar ist. The Blood Spattered Bride hat oft diese wunderschöne, traumhaft-surreale, gruselige Stimmung, die einigen europäischen Filmen dieser Zeit zu eigen ist. Insbesondere Parallelen zu Jean Rollin (The Shiver of the Vampires, The Living Dead Girl) sind für mich unverkennbar.

Das bezieht sich jedoch nicht nur auf die Form, sondern auch auf den Inhalt. Gerade Personen, die ein sehr konventionelles Erzählkino gewohnt sind, könnte der Film durchaus vor ein paar Herausforderungen stellen. Wir sprechen hier allerdings nicht von kafkaesken Verhältnissen à la Lynch, aber es wirkt alles immer etwas neben der Spur. Was ich persönlich an Horrorfilmen sehr schätze. Die besten Horrorfilme rütteln meist etwas an den festen Bezugspunkten des Publikums und erschweren die Orientierung. Denn die Unsicherheit der ProtagonistInnen soll sich auf das Publikum übertragen.

Dieser Unsicherheit kommt auch zu Gute, dass hier, wie auch in vielen anderen europäischen Produktionen der Zeit, niemand sicher ist. Hier gibt es keine strahlenden Helden und kein Final Girl. Hier darf bis zur letzten Minute mitgezittert werden, wer stirbt und wer überlebt, was die Spannungskurve noch einmal ordentlich in die Höhe steigen lässt.

Aus diesen Gründen liebe ich The Blood Spattered Bride und möchte euch diese unbekannte Perle wirklich ans Herz legen. Ich bin mir zwar sicher, dass er vielen von euch nicht gefallen wird, aber zumindest eine Chance hat der Film verdient, bringt er doch einen schönen frischen Ansatz ins Vampirgenre, den ich sonst so oft vermisse. Das sollte man sich nicht entgehen lassen.

 

Bewertung

Spannung Rating: 3 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt  Rating: 2 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 4 von 5

Bildquelle: The Blood Spattered Bride © Morgana Films

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?