Cruel Summer
Kritik

Cruel Summer (2016) – Review

oder: der wahre Horror findet sich in der Realität

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:

Cruel Summer
Großbritannien
80 Minuten
Phillip Escott, Craig Newman
Phillip Escott, Craig Newman

Bestie Mensch

Stephen King sagte einmal wir schauen Horrorfilme, um den wahren Horror unserer Realität zu vergessen. Dies stimmt vor allem für die klassischen Horrorfilme, die vielfach auf Gothic Novels oder zu Deutsch Schauergeschichten des 18. Und 19. Jahrhunderts beruhen. Das sind die alten Gruselklassiker wie Die Mumie, Dracula, Frankenstein oder The Wolfman. Horrorfilme, die noch klar dem phantastischen Film zuzuordnen sind mit übernatürlichen Wesen, die in unsere Welt eindringen. Dies änderte sich vor allem im Zuge der 60er Jahre mit Werken wie Powells Peeping Tom oder Hitchcocks Psycho. Bei diesen geht es nicht mehr um böse Monster aus einer anderen Welt, sondern um die Bestie Mensch.

Dies dürfte auch ein Grund sein wieso King der Shining-Adaption durch Kubrick so wenig abgewinnen kann. Sie verlagert die Bedrohung von außen nach innen. Vom Spukhotel das den guten Jack Torrance in den Wahnsinn treibt zum alkoholkranken Monster, welches seine Familie missbraucht. Damit holt Kubrick in meinen Augen das beste aus dem Buch heraus. Gerade dieser alltägliche Horror ist es, der mir oft am meisten zu schaffen macht. Dieser soll uns auch nicht von der grausamen Realität ablenken, sondern legt noch einem den zuvor in Salz getauchten Finger auf die Wunde.

Besonders fies wird es, wenn die Bedrohung endgültig in die Alltäglichkeit verlagert wird. Wir sprechen dann nicht mehr von irren Kannibalenfamilien wie zum Beispiel bei Texas Chainsaw Massacre, sondern von der Familie von nebenan, wie im quälenden Streifen An American Crime. Dass dieser auf wahren Begebenheiten beruht, heizt die Sache zwar noch einmal etwas an, aber ist am Ende von keiner großen Bedeutung. So ist es auch nebensächlich, dass Cruel Summer in einer ähnlichen Weise wirklich passiert ist, wie der Film zeigt. Er zeigt einen Aspekt der Realität und darauf kommt es an.

Cruel Summer
Reece Douglas und Danny Miller

Die Gruppendynamik des Bösen

In den ersten Minuten von Cruel Summer wird schon fatalistisch angedeutet wohin die Reise führen wird. Wir sehen ein blutiges Gesicht, Beine, die durch einen Wald rennen und eine Handsense. Das Regie- und Autoren-Duo Phillip Escott und Craig Newman lassen keinen Zweifel daran wohin sie uns führen werden. Die Frage ist also nicht wohin, sondern wie wird der Weg und was erwartet uns danach? Nach dem kurzen Intro nehmen sich Escott und Newman sehr viel Zeit für ihre Charaktere. Insgesamt rund zwei Drittel des Films vergehen bis Täter und Opfer zum finalen Showdown aufeinander treffen. Bis dahin folgen wir zwei getrennten Handlungssträngen.

Zum einen dem jungen Autisten Danny, welcher sich auf den Weg macht alleine in den Wäldern zu campen und zum anderen Nicholas, Julia und Calvin. Während Danny zwar gehandicapt, aber behütet aufwächst, sieht es bei den drei Freunden gänzlich anders aus. Eltern geschieden, verarmt und die Perspektiven mau. Auf diese drei richtet sich nun auch der Fokus.

Ihr kleiner Trip auf der Suche nach Danny zeigt uns in erster Linie einen Einblick in ihr Leben und vor allem auch die Träume, Wünsche und Ängste der drei Jugendlichen. Wir folgen ihnen durch die örtliche Spielhalle, beim Ladendiebstahl, beim Besäufnis auf dem Spielplatz – es wirkt wie ein typischer Tag in der walisischen Einöde.

Dies bietet dann eine gute Grundlage für die sich entfaltende Gruppendynamik, wenn die zwei Handlungsstränge aufeinander treffen. Die Jugendlichen haben selbst keine Ahnung worauf dies alles hinauslaufen wird und es ist fraglich, ob ihre fragile Bande der Freundschaft dies aushalten kann. Daraus ergibt sich die wahre Spannung von Cruel Summer. In welche Richtung wird die Situation kippen? Vielleicht schlussendlich doch noch zu Dannys Gunsten. Gezittert wird hier um die Menschlichkeit an sich, um die Ketten der Zivilisation, die unsere Gesellschaft davor bewahrt im blutrünstigen Chaos zu versinken. Doch hier sind wir in den Wäldern. Vier Jugendliche unter sich, weit weg von gesellschaftlichen Zwängen und kontrollierenden Blicken. Willkommen beim Herrn der Fliegen.

Den Walisern Escott und Newman gelingt damit ein eindringliches Porträt menschlicher Abgründe mit einer sehr naturalistischen Inszenierung, was der Geschichte sehr gut tut. Cruel Summer beweist auch, dass es keiner Effekthascherei oder übertriebener Gewaltdarstellungen braucht, damit ein Film so richtig unter die Haut geht.

 

Bewertung

Spannung Rating: 4 von 5
Atmosphäre Rating: 3 von 5
Gewalt  Rating: 2 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 3 von 5

Bildquelle: Cruel Summer © 441 Films

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Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?