XX
Kritik

XX (2017) – Review

oder: Horror aus weiblicher Perspektive

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:

XX
USA, Kanada
80 Minuten
Jovanka Vuckovic, Annie Clark, Roxanne Benjamin, Karyn Kusama
Jovanka Vuckovic, Annie Clark, Roxanne Benjamin, Karyn Kusama

Whorror

XX wurde groß als die erste Horror-Anthologie nur von Frauen beworben. Dazu fiel den Marketing-Verantwortlichen offenbar kein besseres Filmposter ein als ein roter Kussmund in dem man einen Totenkopf erkennen kann.

Also nicht unbedingt der beste Start und dennoch hatte die Idee sofort mein Interesse geweckt. Einerseits bin ich ein großer Fan von Episodenfilmen und andererseits begrüße ich mehr Frauenpower hinter der Kamera durchaus. Es ist bezeichnend, dass dies bei der Filmvermarktung in den Vordergrund gerückt wird. Niemand käme auf die Idee einen Film deswegen zu bewerben, weil er von Männern gemacht wurde.

Im Film selbst spielen solche Gedanken übrigens keine Rolle. Die fünf horrorverliebten Damen geben sich einfach ihrer Leidenschaft für die dunkle Seite hin und hätten den Film laut eigenen Aussagen sowieso unter „Whorror“ vermarktet.

Monster und Familie

Präsentiert kriegen wir vier Storys und kurze animierte Sequenzen davor, danach und dazwischen. Natürlich schwankt auch hier wie bei Anthologien üblich die Qualität zwischen den einzelnen Episoden, weshalb ich einen kurzen Blick auf jede einzelne werfen will.

The Box

Die erste Episode basiert auf einer Kurzgeschichte von Jack Ketchum, dem wir Werke wie Evil oder The Woman verdanken. Als Drehbuchautorin und Regisseurin macht sich Jovanka Vuckovic froh an die Adaption der Vorlage.

Meine Laune wurde aber schon schnell gedrückt, als die Story mit Voice Over begann, was für mich in den meisten Filmen einfach nichts zu suchen hat, sondern nur von fehlender Kreativität beim visuellen Storytelling zeugt. Glücklicherweise war dies nur eine Einleitung zu einem Flashback in der die eigentliche Geschichte spielt. In diese Geschichte schauen wir durch die Augen einer Mutter, deren Sohn plötzlich aufhört zu essen.

Klingt banal und nicht besonders spannend. Vuckovic gelingt es allerdings geschickt an der Spannungsschraube zu drehen und den Bedrohungsgrad schrittweise zu erhöhen, was an der wiederholten, immer ähnlichen Einstellung des Esstisches gut ersichtlich wird. Das aufgegriffene Thema der Entfremdung erinnerte mich etwas an den wundervollen Ich seh Ich seh und ist durchaus ansprechend umgesetzt.

Das Ende wird vermutlich viele vor den Kopf stoßen, aber ich mochte den scheinbar ausweglosen Kampf einer Mutter um ihr Kind. Also schon einmal ein solider Start.

The Birthday Party

Geschrieben von Roxanne Benjamin und St. Vincent alias Annie Clark und inszeniert als Debüt von der Indie-Musikerin St. Vincent erreichen wir hier den unbestreitbaren Höhepunkt von XX. Die Geschichte rund um eine Mutter zwischen Todesfall und Kindergeburtstag ist wundervoll grotesk. Mehr eine bitterböse, morbide und makabere Komödie als ein Horrorfilm, aber schlichtweg zum Verlieben. Gerade auch auf Grund der begnadeten Performance von Melanie Lynskey, die ihr Schauspieldebüt in Peter Jacksons Heavenly Creatures als Pauline Parker feiern durfte.

Ich hab mich auf jeden Fall köstlich amüsiert.

XX
Melanie Lynskey in The Birthday Party

Don’t Fall

Nach der Schreibarbeit darf Roxanne Benjamin nun auch alle Fäden selbst in die Hand nehmen. Benjamin ist quasi schon ein alter Hase was Horror-Anthologien angeht. Hat sie doch die gesamte VHS-Reihe mitproduziert, wie auch Southbound und dort auch bei einem Segment Regie geführt. Die Frau muss also wissen was sie tut, umso enttäuschender, dass mich Don’t Fall so gar nicht erreichen konnte. Viel zu klischeehaft werden bekannte Bausteine aneinandergereiht ohne viel Eigenständigkeit zu gewinnen. Da hilft dann auch der durchaus charmante Retro-Style wenig – aber die Titelsequenz war äußerst gelungen.

Her Only Living Son

Das letzte Segment stammt von der wohl bekanntesten Frau in der Runde: Karyn Kusama. Hat sie doch schon Æon Flux und Jennifer’s Body auf die Leinwand gebracht und zuletzt mit The Invitation durchaus für Aufsehen gesorgt.

Ich glaube ich verrate nicht zu viel wenn ich sage, dass Kusama sich an ihrer eigenen Version von Rosemarys Baby versucht. Die Inszenierung ist zweifelsfrei gut gelungen. Insbesondere das Sounddesign sorgt für die eine oder andere Gänsehaut. Dennoch schaffte mich auch der Abschluss nicht so wirklich zu packen. Da gefiel mir die komplett abgedrehte Episode aus Holidays, die sich desselben Themas annahm dann doch wesentlich besser.

Animation als verbindendes Element

Als Zwischensequenzen dienen Stop-Motion-Animationen von Sofia Carrillo, die mich sehr an die Werke des tschechischen Surrealisten und Animateurs Jan Švankmajer erinnern. Carrillo versucht in ihren kleinen Clips die kommenden Segmente ohne Dialog anzukündigen und macht hier einen wirklich großartigen Job. Zum Verlieben und creepy as fuck!

Unterm Strich ist XX sicher nicht wesentlich besser als andere Horror-Anthologien, aber durchaus überdurchschnittlich und auf jeden Fall gute Unterhaltung. Schade, dass Jennifer Lynch (Chained) und Mary Harron (American Psycho), die zuerst im Gespräch waren sich schlussendlich nicht beteiligten.

Aber es gäbe allgemein noch sehr viele Frauen, die hier eine Bühne verdient hätten. Dementsprechend wünsche ich dem Film viel Erfolg, damit ich möglichst bald ein Sequel genießen darf.

 

Bewertung

Spannung Rating: 2 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt Rating: 1 von 5
Ekel Rating: 1 von 5
Story Rating: 3 von 5

Bildquelle: XX © XYZ Films

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Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

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