A Serbian Film
Zur Verteidigung

A Serbian Film (2010) – Review

oder: Darf der das?

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:

Srprski Film
Serbien
104 Minuten
Srdjan Spasojevic
Srdjan Spasojevic, Aleksandar Radivojevic

Einleitung

Dieser Beitrag erscheint gleichzeitig auf Film und Feder als Pro-Seite zu einem Pro/Contra über A Serbian Film. Dementsprechend werde ich mich hier auf die positiven Seiten, die ich dem Serben abgewinnen kann konzentrieren. Ich hätte allerdings genau so gut die Contra-Seite übernehmen können, denn schlussendlich halte ich den Serben weder für besonders grandios, noch für abgrundtief schlecht.

Nun will ich euch, aber nicht länger auf die Folter spannen und erläutern, warum ihr euch den Serben anschauen solltet.

Zur Verteidigung von A Serbian Film

Diese Verteidigung müsste mir eigentlich relativ leicht fallen, denn als ich den Film zum ersten Mal sah, war ich durchaus angetan. Dies war 2010 beim allerersten /slash Filmfestival. Als ohne Vorwissen meine Partnerin und ich dann im Festivalkino saßen, hatte ich bei der berühmt-berüchtigten Szene auch das erste Mal in meinem Leben das Bedürfnis ein Kino zu verlassen (aus Langeweile mal abgesehen). Die Szene traf mich hart und unvermittelt. Im Gegensatz zu vielen anderen blieb ich jedoch sitzen. Hier erlebte ich es auch zum ersten und einzigen Mal, dass ein Teil des abgebrühten Horrorfestival-Publikums den Saal verließ. Nach dem Film gab es für alle Überlebenden ein Schnapsglas mit Wodka, um das Gesehene hinunterzuspülen und/oder sich selbst zu desinfizieren. Ich hatte gerade einen Film erlebt, der mich schwer mitgenommen hatte, wie dies schon lange keinen Film mehr gelungen war.

Genau dies ist vermutlich auch der Grund warum der Serbe so hart und unerbittlich diskutiert wird – er trifft einen emotional. Interessanterweise trifft dies sogar auf Personen zu, die den Film noch nicht einmal gesehen haben. Der Film hat einen so starken Einfluss auf Menschen, dass dieser sogar indirekt wirkt und seine Kraft entfaltet. Ob man den Film nun liebt oder hasst, man muss Regisseur Srdjan Spasojevic zugestehen, dass er einen unglaublich kraftvollen und einflussreichen Film geschaffen hat.

Der Film ist natürlich auch von vorne bis hinten auf Krawall gebürstet und die historische Anbindung an den Jugoslawienkrieg, die Nachkriegsgesellschaft und der westliche Umgang damit ist für mich reichlich überkonstruiert. Lässt sich der Serbe damit als interessantes filmhistorisches Phänomen abhaken, das etwas Staub aufgewirbelt hat, aber eigentlich keines Blickes wert ist?

A Serbian Film

Ich behaupte, nein. Denn es gibt immer wieder Filme, die auf einer Ebene die Grenzen des Zeigbaren ausloten wollen und bestenfalls auf einer zweiten Ebene thematisieren, was gezeigt werden darf. Natürlich ist im ersteren Bereich vor allem der Pseudo-Snuff-Bereich fröhlich am Werken mit Filmen wie Guinea Pig oder August Underground. Besonders spannend wird es wenn noch die zweite Ebene hinzukommt, wie zum Beispiel bei Videodrome oder beim berüchtigten Cannibal Holocaust. A Serbian Film schlägt in eine ähnliche Kerbe, wenn auch nicht in der Qualität wie dies Regisseur Ruggero Deodato vermochte. Aber auch bezüglich Cannibal Holocaust gehen die Meinungen weit auseinander.

Durch den (Porno-)Film im Film ist es Spasojevic möglich selbst über Gewalt in Filmen zu sinnieren. Wie schon bei den Kannibalen halte ich es auch hier für die richtige Entscheidung die Gewalt im vollen Ausmaß zu zeigen, denn nur so können die Zuschauer und Zuschauerinnen voll emotional in den Diskurs eingebunden werden. Und genau dies hat der Film erreicht. Einen Diskurs darüber was ein Film zeigen darf. Darüber wie weit Kunst gehen darf. Auch wenn dies möglicherweise nichts mit der Intention der Macher zu tun hat, so ist es für mich doch die sympathischste Lesart.

Aus diesem Grund halte ich A Serbian Film, abgesehen von seiner starken, zum Teil surreal-überspitzten Inszenierung, für einen sehenswerten Film – sofern ihr die Nerven dafür habt.

 

Bewertung

Spannung Rating: 2 von 5
Atmosphäre Rating: 3 von 5
Gewalt rating4_5
Ekel Rating: 4 von 5
Story Rating: 2 von 5

Bildquelle: A Serbian Film © Contrafilm

 

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

2 Comments

  • Sabrina

    Als ich das erste Mal die Handlung zu A serbian Film gelesen habe dachte ich, dass ich diesen faszinierend verstörenden Film niemals gucken möchte wegen einiger, bestimmter Szenen (wäre vielleicht anders wenn ich keinen kleinen Sohn hätte). Mich interessiert umso mehr, welchen Film du persönlich als wirklich abgrundtief schlimm bezeichnen würdest, bei dem du dir selbst die Frage stellst, ob du ihn auch dann geguckt hättest wenn du vorher gewusst hättest, was dich erwartet. Ich habe deine Seite heute erst entdeckt und finde sie super! Vielleicht habe ich ja Glück und bekomme eine Antwort:)

    • Florian Halbeisen

      Hi Sabrina,

      erst einmal schön, dass du hergefunden hast und vielen Dank für die Blumen!

      Zu deiner Frage: bisher gab es keinen Film, den ich so schlimm fand, dass ich mich gerne dieser Erfahrung berauben würde. Aber es gibt sehr wohl einige Filme, die mich so hart trafen, dass ich sie lange, lange nicht mehr sehen wollte. Dies wären zum Beispiel Pasolinis Salo und ganz besonders Noés Irreversible.
      Es gibt aber auch Filmreihen, die ich einfach nicht weiter verfolgt habe. Von Valentines Vomit-Gore-Trilogie habe ich nur die ersten zwei Teile gesehen. Das erreicht einfach einen Ekelfaktor, der mir zu viel ist und aus dem ich für mich auch keinen Mehrwert ziehen kann. Ähnlich geht es mir mit Fred Vogels August-Underground-Reihe. Hier hat mir auch der erste Teil gereicht, um die Filme erst einmal ad acta zu legen.
      Ich hoffe damit konnte ich deine Frage so halbwegs beantworten 🙂

...und was meinst du?