Elizabeth Harvest
Kritik

Elizabeth Harvest (2018) – Review

Elizabeth Harvest ist ein Sci-Fi-Mystery-Thriller über eine frisch verheiratete, junge Frau (Abbey Lee), die sich die Frage stellen muss, auf was sie sich hier eingelassen hat.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Elizabeth Harvest
USA
105 Minuten
Sebastian Gutierrez
Sebastian Gutierrez
Abbey Lee, Ciarán Hinds, Carla Gugino u.a.

Elizabeth ist überglücklich. Sie ist über beide Ohren verliebt, frisch verheiratet und auf dem Weg in ihr neues Zuhause. Ihr Prinz, der sie aus ihrem bisherigen hässlichen Leben entführt, ist der ebenso brillante wie vermögende Wissenschaftler Henry. Aufgeregt und neugierig erkundet sie die Villa, in der sie von nun an daheim ist. Henry erläutert ihr, dass dies von nun an alles ihr gehöre. Die Kleidung, der Schmuck, die kostspieligen Weine im Keller – allein ein Raum ist tabu: Henrys Labor im Keller. Elizabeth will sich daran halten, bis die Neugierde eines Tages zu groß wird…

Die Geschichte von Elizabeth Harvest ist von dem Märchen Blaubart inspiriert. Es entstammt der französischen Märchensammlung von Charles Perrault Ende des 17. Jahrhunderts und handelt von einem überaus reichen Mann mit rauschendem, blauem Bart und seiner neuen Ehefrau. Als er sich zu einer Geschäftsreise aufmacht, übergibt er ihr einen Schlüsselbund und erklärt, dass sie sich auf dem Anwesen frei bewegen könne und sich ruhig amüsieren solle. Allein ein Zimmer dürfe sie nicht betreten, denn sein Zorn würde ansonsten schrecklich sein. Die junge Ehefrau kann sich jedoch nicht zurückhalten und gibt ihrer Neugierde nach. Schockiert findet sie dort die Leichen der Ex-Frauen von Blaubart. Bevor es der jungen Frau gleich ergeht wie ihren Vorgängerinnen, können glücklicherweise ihre Brüder einschreiten und Blaubart töten.

Perrault kritisiert in seiner dem Märchen angefügten reaktionären Moral die Neugierde der Frauen und die Pantoffelhelden seiner Zeit. Sebastian Gutierrez, Autor und Regisseur von Elizabeth Harvest, sagte in einem Interview, dass ihn das Märchen und vor allem dessen Moral keinen Frieden gelassen hätten. Es schien so, als ob die Moral wäre: „Wenn Frauen Wissen erlangen, werden Männer wahnsinnig.“ Im Gegensatz zum Märchen, welches aus der Sicht von Blaubart erzählt ist, setzt Gutierrez den Fokus auf die Perspektive der Ehefrau und verlegt die Geschichte in die Gegenwart.
Ich finde das ist ein überaus interessanter Ansatz und Gutierrez ist die Adaption des Märchens überaus gut gelungen. Falls ihr jetzt glaubt, durch das Märchen schon zu wissen, wie Elizabeth ausgeht, kann ich euch versichern, dass der Film so einige Überraschungen für euch bereithält. Daher werde ich mich im weiteren Text auch hüten, euch zu viel zu verraten.

Elizabeth Harvest
Der moderne Blaubart mit seiner neuen Ehefrau

Herausgekommen ist ein Sci-Fi-Mystery-Thriller, wobei die Stärken von Elizabeth Harvest mehr in seiner geschickt konstruierten Sci-Fi-Story liegen, als in den Thriller-Elementen. So war ich zwar durchaus neugierig worauf die Geschichte hinauslaufen wird, aber dennoch hatte ich so meine Probleme konzentriert bei der Sache zu bleiben, denn Elizabeth Harvest ist einfach nicht sonderlich spannend. Dies liegt vor allem auch daran, dass der Film ein paar Volten zu viel schlägt und im Nachhinein wieder Tempo rausnimmt, um das angerichtete Chaos dem Publikum zu erklären.

Vor lauter Abzweigungen und Finten in der Geschichte scheint das Drehbuch leider seine Charaktere vergessen zu haben. Im Film beobachten wir die Charaktere oft dabei wie sie davon sprechen, ob sie jemanden lieben oder hassen, aber wir bekommen diese starken Gefühle nicht zu Gesicht. Es wird gesprochen, erklärt, angedeutet – aber die Beziehungen zwischen den Charakteren bleiben äußerst oberflächlich. Dabei würden die involvierten Charaktere und deren durchaus komplexes Beziehungsnetz so einiges hergeben. Leider wird die Motivation der handelnden Personen oft auf Begierde und Eifersucht runtergebrochen und in den seltensten Fällen differenziert dargestellt und veranschaulicht. Dies macht es schlussendlich auch schwer mit den Personen mitzufiebern. Elizabeth Harvest ähnelt hier mehr einer Versuchsanordnung, bei der ich mich nur frage, welche Ratte das Labyrinth wohl am schnellsten meistern wird.

Trotz dieser teils schwachen Charaktervorlagen, macht das Schauspieler-Ensemble einen durchgehend guten Job. Abbey Lee (The Neon Demon) spielt die titelgebende Elizabeth facettenreich und betörend. Ihr stehen mit Ciarán Hinds (Die Frau in Schwarz), Carla Gugino (Das Spiel) und Matthew Beard (The Imitation Game) tolle Schauspielkolleginnen zur Seite, denen es gelingt viel aus ihren Rollen rauszuholen. Von Hinds und Gugino hätte ich mir jedoch mehr Screentime gewünscht, denn diese glänzen vielfach nur durch Abwesenheit.

Elizabeth Harvest
Ciarán Hinds, Matthew Beard und Carla Gugino

Pluspunkte gibt es zudem für die Inszenierung, denn Elizabeth Harvest sieht fantastisch aus. Allein die große Villa macht einiges her und hat mit ihren verwinkelten Gängen und dem düsteren Keller trotz hochmoderner Architektur ein gewisses Gothic-Horror-Flair. Dies wird auch durch die Mad-Scientist-/Frankenstein-Thematik unterstützt sowie durch Abbey Lee, wenn sie als Jungfrau in Nöten im spitzenbesetzten Nachtgewand durch das Gemäuer irrt. Darüber hinaus setzt Regisseur Gutierrez auf starke Farbakzente, die zweifelsfrei an das italienische Horrorkino im Stile von Bava oder Argento anknüpfen. Das erzeugt in Summe eine hypnotisierende Atmosphäre, der man sich kaum entziehen kann.

Unterm Strich ist Elizabeth Harvest durchaus ein Film, dem man eine Chance geben sollte. Obwohl er vor allem im Mittelteil einiges an Leerlauf aufweist und es an Spannung fehlt, ist die Grundidee faszinierend und die Story geistreich konstruiert. Zudem bietet der Film eine umwerfende Location, welche beeindruckend in Szene gesetzt wurde, und eine starke Besetzung, was den Film schlussendlich doch über den Durchschnitt heben.

 

Bewertung

Spannung Rating: 3 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt  Rating: 1 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 4 von 5

Bildquelle: Elizabeth Harvest © Capelight

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?