Apostle
Kritik

Apostle (2018) – Review

The Raid-Regisseur Gareth Evans knüpft mit seinem neuen Film Apostle an die reiche Tradition des britischen Folk Horrors an.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Apostle
Großbritannien/USA
130 Minuten
Gareth Evans
Gareth Evans
Dan Stevens, Richard Elfyn, Paul Higgins u.a.

Inhalt & Hintergrund

Der walisische Regisseur und Drehbuchautor Gareth Evans ließ in den letzten Jahren mit The Raid und The Raid 2 vor allem die Herzen von Martial-Arts-Fans höher schlagen. In der Netflix-Produktion Apostle spürt er nun den düsteren Aspekten heimischer Folklore nach. Im Jahr 1905 reist der junge Thomas Richardson für eine ungewöhnliche Rettungsmission auf die abgelegene Insel Erisden. Eine religiöse Sekte um den selbsternannten Propheten Malcolm hat seine Schwester dorthin entführt, um Lösegeld zu erpressen, denn seit einiger Zeit bleiben die Ernten aus und das Nutzvieh geht ein. Ein Fluch scheint auf der Insel zu lasten, die Lage ist dramatisch. Thomas schleicht sich bei der kleinen Gemeinschaft ein und stößt bald auf merkwürdige Bräuche, so müssen die Mitglieder etwa allabendlich eine Flasche frisch abgezapften Blutes vor ihre Tür stellen. Nachfragen wiederum sind nicht gern gesehen und allzu neugierige Bewohner verschwinden auch schon mal spurlos. Während Thomas auf der Suche nach seiner Schwester dem blutigen Geheimnis der Insel gefährlich nahe kommt, droht der Kult seine Tarnung zu durchschauen …

Das Timing für Apostle ist denkbar gut, feiert das Folk-Horror-Genre doch schon seit einigen Jahren mit Filmen wie A Field in England, The Witch oder zuletzt The Ritual ein Revival. Dazu kommt der hochkarätige Cast aus bekannten britischen Darstellern, so konnten u.a. Dan Stevens (Downton Abbey) als Thomas, Michael Sheen (Masters of Sex) als Sektenoberhaupt Malcolm sowie Lucy Boynton (Mord im Orient Express) als dessen Tochter Andrea für die Netflix-Produktion gewonnen werden.

Stärken

Die Insel Erisden dient der kleinen Gemeinschaft als Heimat, als neuer Garten Eden. Ein bukolisches Idyll ist sie allerdings nicht gerade, vielmehr haftet der rauen walisischen Landschaft mit ihren dunklen Wäldern, den schroffen Felsen und der stürmischen See etwas Unheimliches an. Beklemmende Isolation statt beschaulicher Abgeschiedenheit. Apostle weiß um die Wirkmacht seiner Kulisse und setzt darum auf ruhige, atmosphärische Bilder, die das namenlose Grauen langsam aber stetig anwachsen lassen. Visuell kann der Film dabei von der ersten Einstellung an überzeugen, handwerklich gekonnt fängt er auch die puritanische Ästhetik des Sektendomizils ein, das sich nahtlos in die karge Umgebung einfügt.

Diese unheilvolle Grundstimmung garniert Evans mit einigen überaus handfesten Gewaltdarstellungen, denn in Apostle ist der Horror, trotz übernatürlicher Elemente, nur allzu menschlich. Delikate Grausamkeiten wie das Ritual der Läuterung dienen dann schon mal dazu, unter dem Deckmantel der Frömmigkeit sadistische Triebe und Allmachtsphantasien kultivieren zu können. Klar, dass Nächstenliebe und aufgebohrte Schädel sich in den Augen dieser Sekte hervorragend ergänzen.

Apostle

Schwächen

Den Vergleich mit The Wicker Man muss sich Apostle wohl oder übel gefallen lassen, denn Evans hat sich überaus großzügig vom britischen Folk-Horror-Klassiker aus dem Jahr 1973 inspirieren lassen. Allerdings verlässt er sich im Gegensatz zu Robin Hardy und Anthony Shaffer nicht auf seinen Grundplot: Die Handlung weicht immer wieder von der eigentlichen Mission, der Suche nach Thomas‘ Schwester, ab und verliert sich in zahlreichen Nebenschauplätzen. Ein ehemaliger Missionar, der im Boxeraufstand gefoltert wurde und seinen Glauben verloren hat – ein charismatischer Sektenführer, der das Scheitern der eigenen Vision nicht wahrhaben will – eine verdorrte Fruchtbarkeitsgöttin, die den Tod fordert um Leben zu schenken – ein heimliches Liebespaar, das die Sekte verlassen und auf dem Festland ein neues Leben beginnen will. Im Bestreben, all diese kleinen Geschichten zu erzählen, wird Apostle keiner davon wirklich gerecht.

Die konkurrierenden Handlungsstränge, von denen keiner wirklich durchdacht zu sein scheint und nur wenige zu einem zufriedenstellenden Ende gelangen, nehmen dem Film viel von seinem Drive. Das geht nicht nur zulasten der Atmosphäre, sondern auch der Figuren, die größtenteils blass und eindimensional bleiben. Ob eine von ihnen lebt oder stirbt, wird zunehmend gleichgültiger. Das scheint auch am Set nicht unbemerkt geblieben zu sein, nicht anders lassen sich die zum Finale hin immer wahlloser eingestreuten Gewalt- und Actionsequenzen erklären.

Fazit

Apostle fängt stark an, kann das eigene Niveau aber nicht halten. Unentschlossen reißt Evans die unterschiedlichsten Geschichten an, ohne ihnen jedoch die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Das ist aufgrund der schäbig-schönen Optik zwar nett anzusehen, reicht aber nicht, um die Spannung über mehr als zwei Stunden aufrecht zu erhalten.

Bewertung

Spannung Rating: 2 von 5
Atmosphäre Rating: 3 von 5
Gewalt  Rating: 3 von 5
Ekel  Rating: 2 von 5
Story  Rating: 2 von 5

Bildquelle: Apostle © Netflix

Horrorfilme… sind die Suche nach Erfahrungen, die man im echten Leben nicht machen möchte. Sie bilden individuelle wie kollektive Ängste ab, zwingen uns zur Auseinandersetzung mit Verdrängtem und kulturell Unerwünschtem – und werden dennoch zur Quelle eines unheimlichen Vergnügens.

...und was meinst du?