Marrowbone
Kritik

Das Geheimnis von Marrowbone (2017) – Review

Marrowbone – ein abgelegenes Anwesen, bewohnt von vier jungen Menschen. Sie bewahren ein Geheimnis, um sich zu schützen. Doch es gibt Dinge, vor denen sie sich nicht schützen können…

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Marrowbone
Spanien
110 Minuten
Sergio G. Sánchez
Sergio G. Sánchez
George MacKay, Anya Taylor-Joy, Charlie Heaton

Inhalt

Rose flieht im Jahre 1968 mit ihren vier Kindern vor ihrem gewalttätigen Ehemann aus England nach Amerika, um dort das abgelegene und verlassene Anwesen der Marrowbones zu beziehen. Wenig später erkrankt und verstirbt sie. Die vier Kinder Jack (George MacKay, 11.22.63 – Der Anschlag), Billy (Charlie Heaton, Stranger Things), Jane (Mia Goth, A Cure for Wellness) und Sam (Matthew Stagg, Krieg und Frieden) beschließen, den Tod der Mutter geheim zu halten. Dies vor allem deshalb, weil der zwanzigjährige Jack seiner Mutter versprach, sich um seine Geschwister zu sorgen, was ihm vor dem Gesetz erst ab dem 21. Lebensjahr erlaubt ist.

Marrowbone
Die vier Marrowbone-Kinder

Jack ist in die junge Allie (Anya Taylor-Joy, Split) verliebt, die in der örtlichen Bibliothek arbeitet und nicht nur seine Gefühle erwidert, sondern sich auch mit Jacks Geschwistern gut versteht. Allie wird ebenfalls von Porter umworben, dem Makler und Anwalt, der für die anderen Eigentümer des Anwesens tätig ist. Porter erwartet von der Familie nicht nur die Übertragungsgebühr, sondern ebenfalls eine Unterschrift der Mutter. Zu allem Überfluss merken die Kinder schon bald, dass sie in dem Haus nicht alleine sind. Etwas Böses geht dort um…

Kritik

Sergio G. Sánchez schrieb die Drehbücher zu Das Waisenhaus und The Impossible, bevor er für Das Geheimnis von Marrowbone ebenfalls auf dem Regiestuhl Platz nahm und sein Spielfilm-Debut gab. Die beiden ersteren Filme wurden von J.A. Bayona inszeniert, der hier nun seinerseits als Produzent tätig wurde. Das Geheimnis von Marrowbone kann es sowohl visuell als auch atmosphärisch mit Das Waisenhaus aufnehmen.

Das einsam gelegene, alte Haus mit seinen knarrenden Dielen und quietschenden Türen bietet bereits eine schaurige Location, was durch die Umgebung weiter verstärkt wird; das Anwesen liegt auf einem Hügel, inmitten eines dichten Waldes, unweit einer felsigen Küste. Licht und Schatten, darüber hinaus der stimmige Score von Fernando Velázquez (Crimson Peak, Sieben Minuten nach Mitternacht), tragen ihren Teil zur großartigen Atmosphäre bei.

Die Kameraführung ist von gehobener Qualität; verantwortlich zeichnet hier Xavi Giménez, der zuvor u.a. die Bilder von Der Maschinist, zwei Episoden der Serie Penny Dreadful und Der unsichtbare Gast einfing. Auch die ebenso junge wie talentierte Besetzung kann sich sehen lassen: Mit Ausnahme des achtjährigen Matthew Stagg haben sie alle bereits einige Erfahrungen vorzuweisen, was man ihrem Spiel anmerkt. Die jungen Schauspieler wissen zu überzeugen.

Marrowbone
Das abgelegen liegende Marrowbone

Was man vom Drehbuch nur sehr bedingt behaupten kann. Im Gegensatz zu Das Waisenhaus gelingt es Sánchez hier leider nicht, den Charakteren genug Tiefe zu verleihen. Auch wirkt das der Handlung zugrunde liegende Drama nicht vollends ausgereift, um völlig zu überzeugen. Dabei sieht Sánchez selbst Das Geheimnis von Marrowbone auch eher als Drama, denn als Horrorfilm. Einflüsse für ihn waren neben Filmen wie The Other von Robert Mulligan oder Jede Nacht um Neun von Jack Clayton auch die Grusel-Romane von Shirley Jackson, insbesondere „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“. Diesen Einfluss spürt man, und wie es bei Shirley Jacksons Romanen der Fall ist, kommt auch hier der Grusel eher leise daher.

Doch wo in Jacksons Romanen der Horror immer lauter wurde und schließlich eskalierte, bleibt er hier leise und verstummt wirkungslos. Es bleibt bei Andeutungen, bei Szenen, die im Gesamtkonstrukt keine Rolle spielen oder bei intensiveren Überlegungen kaum Sinn ergeben. Immerhin verzichtete Sánchez dankbarerweise auf Jump Scares. Jedoch verschleppt das Drehbuch auch gelegentlich das Tempo und beraubt sich so selbst eines Teils seiner Wirkung. Dabei ist es nur eine Randnotiz, dass der Film aktive Handlungsszenen enthält, die teils in völliger Finsternis spielen, was eigentlich und gerade im Horrorfilm eine Sünde ist, denn auch hier gilt „Show, Don’t Tell“ und eine aktive Handlungsszene zu verdunkeln heißt, etwas nicht zu zeigen. Es ist frustrierend, dass das Drehbuch diese Schwächen besitzt, denn Das Geheimnis von Marrowbone hat im Grunde alles, um ein großartiger Horrorfilm zu sein.

Wie auch in jüngerer Vergangenheit Filme wie Hereditary oder The Witch bewiesen, wirken solche Horrorfilme, die den Menschen mit seinen Ängsten in den Vordergrund rücken, häufig nachhaltiger als solche Filme, die sich nur auf Jump Scares, Schocks und Gore verlassen. Sánchez Konzept könnte als Drama funktionieren, wenn dem Drehbuch ein letzter Feinschliff verpasst worden wäre, was insbesondere das aufgesetzt wirkende Finale betrifft. Der Mensch, die Familie, Schuld, Verlust, Sühne und der Tod in seiner bitteren Konsequenz sind Themen, die nicht nur dem Drama, sondern auch dem dramatischen Teil eines Horrorfilms gut zu Gesicht stehen.

Marrowbone
Jack (George MacKay) und Allie (Anya Taylor-Joy)

Fazit

Das Geheimnis von Marrowbone ist ein Film mit drehbuchtechnischen Schwächen. Der Film verfügt jedoch auch über ein erstklassiges Setting, wunderbare Jungschauspieler, viel Atmosphäre und einen hörenswerten Score. Wer das Drama im Horror sucht, wird hier also durchaus fündig und kann zugreifen. Denn auch, wenn Das Geheimnis von Marrowbone kein Meisterwerk ist, ist er dennoch ein durchaus sehenswerter Film.

 

Bewertung

Spannung
Atmosphäre
Gewalt
Ekel
Story

Bildquelle: Das Geheimnis von Marrowbone © Universum Film

Horrorfilme sind eines der Genres des Films, den ich in seiner Gesamtheit seit meiner frühesten Kindheit und der ersten Begegnung mit den Kreaturen des Ray Harryhausen fast schon abgöttisch liebe. Im Horrorfilm taucht der Zuschauer nicht nur bis zu den Abgründen der menschlichen Seele, sondern häufig weitaus tiefer.

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