Nightmare Cinema
Kritik

Nightmare Cinema (2018) – Review

„Masters of Horror“-Schöpfer Mick Garris präsentiert einen bunten, blutigen, spannenden, surrealen und vor allem internationalen Horror-Cocktail. Mit dabei: Joe Dante (Gremlins), Ryūhei Kitamura (The Midnight Meat Train), David Slade (30 Days of Night), Alejandro Brugués (Juan of the Dead), Mickey Rourke (Sin City) und Richard Chamberlain (Shogun).

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Nightmare Cinema
USA
119 Minuten
Joe Dante, Ryūhei Kitamura u.a.
Mick Garris, David Slade u.a.
Mickey Rourke, Richard Chamberlain u.a.

Samantha Smith trennt sich per Handy-Sprachnachricht von ihrem Freund Jason, als ihre Aufmerksamkeit auf das hell schimmernde, die nächtliche Finsternis durchbrechende Neon-Schild des alten „Rialto“-Kinos fällt. „The Thing in the Woods“, darunter leuchtet ihr Name in roten Buchstaben auf. Verwundert bleibt sie stehen, folgt sodann dem Impuls der Neugierde. Auch wenn sie automatisch ein Ticket bekommt, so ist der Ticketschalter doch verlassen; ebenso wie der Flur und dennoch wird sie von ihrer Neugier in den leeren Kinosaal getrieben. Dort wird ihr anhand des Lichts eines Scheinwerfers ein Platz zugewiesen, auf den sie von unsichtbaren Kräften gezwängt wird. Als die Leinwand zurückfährt, schließlich der Film läuft, sieht sie sich selbst an einem schönen Sommertag mitten durch einen Wald fliehen. Sie stolpert, stürzt über einen verstümmelten und verbrannten menschlichen Leichnam. Da taucht weit hinter ihr der Killer auf. Gummistiefel, Schürze, Schweißerhelm, in der Hand eine Spitzhacke, er wird The Welder (Der Schweißer) genannt. Sie versteckt sich hinter einem Baum und der Killer marschiert an ihr vorbei, sie weicht zurück, da stößt sie – auf Jason. Film und Realität sind für sie zu diesem Zeitpunkt bereits miteinander verschmolzen …

Nightmare Cinema
The Thing in the Woods

Die schöne Anna und ihren Freund David führt es zufällig zu dem Kino, sie wollen im Dunkeln eines Kinosaals miteinander intim werden. Dabei werden sie unterbrochen, als der Film beginnt. Anna steht vor dem Spiegel der Toilette eines Restaurants, wo sie bekümmert auf ihre durch einen Unfall leicht entstellte linke Gesichtshälfte blickt. Anna und David möchten heiraten, doch sie hat wegen ihres Gesichts tiefe Komplexe. Sie möchte für David schön sein und deshalb ist sie bereit, sich einer Operation zu unterziehen. So geht sie in die Klinik von Dr. „Mirari“ (Richard Chamberlain, Shogun), um für David makellos schön zu werden. Hier wurde auch schon Davids Mutter Nadia (Belinda Balaski, Das Tier – The Howling) operiert. Bereits während der Operation träumt sie einen seltsamen Traum von Hochzeit und blutigem OP-Werkzeug. Doch das, was nach dem Erwachen folgt, könnte kaum schrecklicher sein … Als an Anna das schockierende Ende ihres Films vorbeigezogen ist, ist David verschwunden. Ihre Suche nach ihrem Freund führt sie in den Projektorraum, wo sie auf den Filmvorführer (Mickey Rourke, Angel Heart) trifft. Er ist der Verwalter von 100 Jahren Albträumen, gefangen auf einer Kinoleinwand, die niemals vergisst. Mehr noch, er ist der Sammler des Todes und dies ist seine Show, durch die er den Zuschauer, den erfundenen auf der Leinwand wie den realen davor, bis zum Ende begleitet.

Nightmare Cinema
Mirari

In „Mashit“ spielt der katholische Priester Benedict Buelo (General-Hospital-Hauptdarsteller Maurice Bernard) die Hauptrolle, und auch er wird durch seinen auf dem Neon-Leuchtschild prangenden Namen ins Kino gelockt. Buelo ist der Leiter einer katholischen Schule, sieht sich auf der Leinwand in eben diese Umgebung transportiert. Auf dem hohen Giebeldach der dazugehörigen Kirche steht ein Junge, scheinbar bereit zum Sprung in den Tod. Eine Nonne bewegt sich langsam über das Dach auf ihn zu, will ihn an der Tat hindern; der Junge knurrt, sabbert und Schaum läuft auf seinem Mund. Er bittet sie verzweifelt um Hilfe. In dem Moment, wo sie ihm die rettende Hand reicht, wird seine Hand brutal von einer unsichtbaren Kraft gebrochen und er stürzt in die Tiefe, wo sein Schädel wie eine überreife Melone zerplatzt. Etwas Böses hat sich in das religiöse Heim eingeschlichen und dies ist erst der Beginn eines düsteren, blutigen Albtraums …
Samantha (Elizabeth Reaser, Ouija: Ursprung des Bösen) sucht nach Hilfe. Das macht sie im verlassenen Kino, ebenso wie auf der Leinwand in einer Arztpraxis, wo sie sich mit ihren beiden Söhnen befindet. Sie ist dort, weil sich seit zwei Tagen alles um sie herum verändert. In der Praxis ist alles sauber und aufgeräumt, zumindest so lange, bis sie mit ihren Kindern und den Personen in der Praxis interagiert. Mit jedem Gespräch, das sie führt, legt sich ein stärkerer Schmutzfilm über die gesamte Umgebung. Schlimmer noch, auch die Menschen verändern sich, Gesichter, Körper, Stimmen verformen sich – und plötzlich verschwinden ihre Kinder spurlos. Samantha sucht nach ihren Kindern, nach einem Ausweg, einem Ausgang aus ihrer Situation in „This Way to Egress“ …
Der junge Riley verirrt sich ins Kino, wo ein Film mit dem Titel „Dead“ gespielt wird. Er setzt sich im Kinosaal an eine Orgel und spielt. Musizieren ist seine größte Leidenschaft, das macht er auch auf der Leinwand im folgenden Film; dort wohnen seine Eltern seiner Klavierspiel-Vorstellung bei. Auf dem Heimweg werden sie überfallen; seine Eltern werden erschossen. Riley wacht schwer verletzt im Krankenhaus auf, er wurde reanimiert. Fortan sieht er im Hospital Tote, darunter seine Mutter (Annabeth Gish, Agent Reyes in Akte X), die mit ihm spricht und ihn mit sich ins Jenseits nehmen will. Und dann ist da auch noch der Killer, der es auf Riley abgesehen hat …

Die Rahmenhandlung von Nightmare Cinema mit Mickey Rourke als Filmvorführer erinnerte mich an Waxwork – Reise zurück in der Zeit. In dem trashigen Kultfilm von 1988 verloren sich die Besucher eines Wachsfigurenkabinetts in Szenen, die Horror-Ikonen wie Dracula, Mumien oder Werwölfe präsentierten. Diese Szenarien erwachten zum Leben, sobald die Besucher die Stellfläche betraten. Hier verhält es sich ähnlich, das Ticket und der Kinositz dienen als Eintrittskarte in den eigenen Albtraum. Und ähnlich wie es in Waxwork der Fall war, huldigen auch hier die Filmemacher dem fantastischen Kino. Wenn Rourke von 100 Jahren auf Zelluloid gebrannten Albträumen redet, ist damit für mich nicht (nur) die Geschichte der Charaktere gemeint, sondern vielmehr die Geschichte des Horror-Films.

„The Thing in the Woods“ von Alejandro Brugués (Juan of the Dead) repräsentiert den Backwood-Slasher, wenn auch mit einem eher ungewöhnlichen, wunderbaren Twist; „Mirari“ von Joe Dante (Gremlins) lehnt sich an Chirurgie- und Krankenhaus-Horrorfilme an. „Mashit“ von Ryūhei Kitamura (The Midnight Meat Train) ist ein blutiger Exorzismus-Horror. „This Way to Egress“ von David Slade (30 Days of Night) schickt den Zuschauer auf einen düsteren, surrealen Psycho-Trip, kreuzt dabei die kryptischen Filme eines David Lynch mit dem Body-Horror eines David Cronenberg. Und in dem abschließenden „Dead“ von Mick Garris (der u.a. auch die ähnlich gelagerte Serie Fear Itself schuf) handelt es sich um einen Geister-Horror irgendwo zwischen The Eye und Sixth Sense. Dabei variiert die Qualität der einzelnen Folgen. „This Way to Egress“ ist hierbei die qualitativ wertvollste, „Mashit“ die blutigste und „The Thing in the Woods“ die unterhaltsamste Episode. Einzelne Episoden wirken auch wie eine Zusammenfassung der Genre-Topoi, wo man auf 20 Minuten die geballte Ladung eines ganzen Filmes erhält, exemplarisch dafür stehen „Mashit“ und „The Thing in the Woods“.

Nightmare Cinema
Hochzeit mit blutigem OP-Werkzeug bei Mirari

Während „Mashit“ leider unter dem Gewicht, viel Stoff innerhalb weniger Zeit erzählen zu wollen, völlig zerdrückt wird, kommt es „The Thing in the Woods“ zugute, dass sehr viel in sehr kurzer Zeit geschieht.
Brugues ist ein Neuling im Slasher-Genre, wobei die Story von „The Thing in the Woods“ bis zu dem Twist alle Genre-Topoi abhakt, inklusive ebenso flacher wie dummer Charaktere. Die Episode gewinnt dadurch, dass sie rasant inszeniert ist und durch das hohe Tempo einige Drehbuch-Schwächen kaschiert werden können. Der Humor trägt seinen Teil zum Gelingen auf immerhin solidem Niveau bei, man könnte beinahe meinen, diese Episode persifliere den Slasher-Film.
Kitamura ist zwar mit „Mashit“ voll in seinem Element, es wird vor allem im Finale gehackt und zerstückelt und eimerweise Blut vergossen. Leider überzeugte mich das Drehbuch bei der Episode nicht so richtig, was auch daran liegt, dass die Episode etwas unentschlossen zwischen ernsthaftem Horror und völlig übertrieben-brutal pendelt. Versus und Azumi beispielsweise, zwei frühere Filme von Kitamura, gefielen mir erheblich besser, beide Filme waren klarer konzipiert und inszeniert. Auch die schauspielerischen Leistungen fand ich insgesamt sehr mäßig. Immerhin ist die Farbgebung interessant und es gibt ein paar stimmungsvolle Bilder.
„Mirai“ lebt vor allem von der sicheren Regie von Joe Dante, dem lebendigen Spiel von Richard Chamberlain und einem gewissen sozialkritischen, untergründig-bösem Humor. In dieser Episode kommt das Thema Angst und Sehnsucht bis zur Obsession sowie das fatale Aufeinandertreffen von Wunsch und Wirklichkeit am besten zum Tragen. Es ist zwar nicht das beste Werk von Dante, allerdings durchaus sehenswert.

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This Way to Egress

„This Way to Egress“ ist der Beitrag, der herausragt. Dies liegt nicht nur daran, dass er völlig in schwarz-weiß gehalten ist und dabei dynamischere Bilder zeigt, als alle anderen Episoden. Die auf den ersten Blick recht simple Handlung von der Frau, die nach Hilfe sucht, weil sie nicht zurechtkommt, offenbart in ihren wenigen Dialogszenen eine abgründige Geschichte; diese wird von der dichten, düsteren Atmosphäre nur noch unterstrichen. David Slade schrieb und inszenierte, ließ dabei seine Erfahrung einfließen, die er aus Filmen wie Hard Candy und 30 Days of Night und Serien wie American Gods und Hannibal sammelte. Zwischendurch gibt es sogar eine deutliche Referenz an David Cronenberg. Ein kleines Meisterwerk, das ich gerne in Spielfilmlänge gesehen hätte.
„Dead“ kann Sympathiepunkte sammeln, weil die Episode ein paar interessante Figurenkonstellationen besitzt. Die Schauspieler sind sympathisch und wissen weitestgehend zu überzeugen. Leider ist die Inszenierung von Mick Garris eher formelhaft und kommt nicht über eine Routine-Arbeit hinaus. Dass der Killer kein Motiv hat, kommt erschwerend hinzu. Solide, aber nicht mehr als Mittelmaß.
Die Rahmenhandlung lebt von Mickey Rourke und Mick Garris sagte über ihn, dass man, wenn ihn anheuert, weiß, was man bekommt: Mickey Rourke, der „scary and intimidating“ (einschüchternd und beängstigend) wirkt. Der Filmvorführer ist auf jeden Fall eine Parade-Rolle für Rourke, in der ich den Mimen gern noch mal sehen würde.

Nightmare Cinema
Mickey Rourke als Filmvorführer

Diese Anthologie war von Mick Garris eigentlich nicht als Film geplant, sondern als internationale TV-Miniserie, so wie Masters of Horror. Leider fand er jedoch nicht die notwendige finanzielle Unterstützung, sodass schließlich dieser Film entstand. Es gibt kaum eine Anthologie, die eine gleichbleibend hohe Qualität besitzt, Nightmare Cinema bildet da keine Ausnahme. Dennoch ist dieser Film trotz aller Schwächen ein guter Beitrag zum Thema Horror-Anthologien, äußerst unterhaltsam und mit ein paar Highlights.

 

Bewertung

Spannung Rating: 3 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt  Rating: 3 von 5
Ekel  Rating: 1 von 5
Story  Rating: 3 von 5

Bildquelle: Nightmare Cinema © Cinelou Releasing

Horrorfilme sind eines der Genres des Films, den ich in seiner Gesamtheit seit meiner frühesten Kindheit und der ersten Begegnung mit den Kreaturen des Ray Harryhausen fast schon abgöttisch liebe. Im Horrorfilm taucht der Zuschauer nicht nur bis zu den Abgründen der menschlichen Seele, sondern häufig weitaus tiefer.

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...und was meinst du?