Zoe, Barb Wire, Salon Kitty
Filmfestival,  Kritik

Künstliche Intelligenz, fehlende Intelligenz und zum Abschied ein Küsschen (/slash Filmfestival Tag 3)

Am 3. Festivaltag gab es für mich den Sci-Fi-Liebesfilm Zoe, den 90er-Dystopie-Actioner Barb Wire in Anwesenheit von Udo Kier und die Burlesque-Show „Salon Kitty Revue“.

Künstliche Intelligenz

Nach einer zu kurzen Nacht und einem zu einer unchristlichen Uhrzeit klingelnden Wecker saß ich nun vollkommen übermüdet in der Samstag-Nachmittagsvorstellung von Zoe – eine schlechte Kombination.

Zoe spielt in einer nicht näher definierten nahen Zukunft, die sich von unserer Realität nicht groß unterscheidet mit der Ausnahme, dass Androiden als Haushaltshilfen zum alltäglichen Leben gehören. Robotiker Cole (Ewan McGregor) will jedoch mehr als nur eine menschenähnliche Maschine, die ihm seine Hecke stutzt. Er arbeitet daran synthetische Wesen zu erschaffen, die vom Menschen nicht mehr unterscheidbar sind. Mit dem Ziel, dass sie uns als Lebensgefährten dienen und das menschliche Bedürfnis nach Liebe, Geborgenheit und Verstandenwerden befriedigen. Der geschiedene, einsame Cole begibt sich in einen persönlichen Testlauf, der einige Überraschungen bereithält.

Der von Ridley Scott produzierte und von Drake Doremus (Like Crazy) inszenierte Film richtet seinen Fokus stark auf das Liebesdrama und reichert dieses mit Sci-Fi-Elementen rund um künstliche Intelligenz an. Zoe stellt hier auch grundsätzliche Fragen zum Menschsein, aber vielmehr konzentrieren sich Doremus und Drehbuchautor Richard Greenberg auf die Verknüpfung von Liebe und Technologie. Einerseits werden Liebesbeziehungen von einem Computer analysiert und mit einer Erfolgsquote bewertet, andererseits stellt sich Zoe die Frage, inwiefern Technologie Liebe simulieren oder gar aus sich aus erzeugen kann.

Ist die Exposition gut gelungen und bringt uns die komplizierte Beziehung zwischen Cole, seiner Mitarbeiterin Zoe (Léa Seydoux, Blau ist eine warme Farbe, The Lobster) und Android Ash (Theo James, Divergent) näher, so verläuft sich der Film im zweiten Akt, als der Fokus auf die Droge Benysol gerichtet wird, welche den Zustand des Verliebtseins simuliert. Thematisch passt dies zwar hervorragend in den Film dramaturgisch bringt es ihn jedoch arg ins Schleudern. Obwohl die schauspielerischen Leistungen hervorragend sind, ist es auch wenig hilfreich, dass der Funke zwischen den Hauptdarstellern bis auf wenige Szenen nicht so wirklich überspringen mag, da kann man sich auch noch so lange und so oft in die Augen starren.

Zoe ist dabei kein schlechter Film, aber für mich in seiner Erzählweise zu verfahren, sodass ich teilweise meine Schwierigkeiten hatte, meine Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten – der wenige Schlaf machte sich bemerkbar. Wer sich jedoch grundsätzlich für die Thematik interessiert, sollte auf jeden Fall einen Blick wagen.

Fehlende Intelligenz

Etwas verschlafen aus dem Kino raus war es nun erst einmal Zeit das Kino zu wechseln und auf dem Weg dorthin den knurrenden Magen zu besänftigen. Auf dem Wiener Naschmarkt den furchtbarsten Döner meines Lebens zur Hälfte verspeist, ging es weiter zu Barb Wire in Anwesenheit von Udo Kier.

Udo Kier mit Markus Keuschnigg
Udo Kier mit Festivalleiter Markus Keuschnigg © Mercan Sümbültepe

Im wundervollen historischen Saal des Wiener Metro Kinos erzählte Udo Kier von den Dreharbeiten zu Barb Wire, wie er Pamela Anderson kennenlernte und von starken, intelligenten Frauen. So bestand er zu Beginn der Dreharbeiten darauf Frau Anderson zu treffen. Dies stieß zwar auf etwas Verwunderung, aber dennoch wurde er zu einem riesigen Wohnwagen geführt, dessen Eingang von einem Bodyguard bewacht wurde. Es wurde geklopft und Kier eingelassen. Dort stand nun Pamela Anderson in ihrer vollen Pracht. Udo Kier auf sie zu, umfasste ihre perfekte Wespentaille und meinte nur „This is amazing!“. Die Produzenten gingen schon in Deckung in der Befürchtung in Kürze den geballten Zorn von Pamela Anderson zu spüren. Doch diese bedankte sich nur und beide verabschiedeten sich wieder. Während andere Schauspieler am Set Anderson nur belächelten, empfand es Kier als Ehre mit so einer Sexikone zusammenarbeiten zu dürfen.

Die spannenden Ausführungen von Udo Kier wurden zu Gunsten einer Frage aus dem Publikum von Kier selbst unterbrochen. Folgende Aussage verschlug jedoch nicht nur mir die Sprache. Die Person aus dem Publikum fragte kackdreist, ob Kier nicht aufhören könne zu reden, damit er endlich den Film sehen könne. Nach einer kurzen Pause des Entsetzens ertönten Buhrufe aus dem Publikum und Festivalleiter und Moderator Markus Keuschnigg versuchte noch zu retten, was zu retten war. Doch Udo Kier beendete sein Intro zu Barb Wire mit „Was für eine Frechheit!“ und verließ erbost und fluchend den Kinosaal. Ich hab mir lange überlegt, ob und was und wie ich dazu was schreiben will und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich das nicht unkommentiert lassen will. Ich besuche das /slash Filmfestival nun schon seit neun Jahren und es war seit jeher ein Ort, an dem Fans des phantastischen Films zusammenkamen und gemeinsam ihre Leidenschaft feierten. Das /slash war immer schon auch die Heimat für alles Ausgestoßene und auch für all jene, die mit ihrer Vorliebe für Horror belächelt oder für ihr außergewöhnliches Auftreten missmutig angesehen wurden. Es ist auch vollkommen egal, ob man als alter Hase dabei war oder das Festival erst für sich entdeckt hatte. Ob abgebrühter Horrorfan oder neugieriger Neuling. Jeder und jede ist herzlich willkommen hier gemeinsam die Liebe zum phantastischen Film zu feiern.
Wer dies jedoch nicht zu würdigen weiß und anstands- und respektlos, nicht nur den Ehrengast des Festivals beleidigt, sondern auch zig Filmfans um eine vielleicht einmalige Erfahrung beraubt, ist hier nicht willkommen. Und daher möchte ich dir im Namen aller Filmfans auf gut wienerisch ans Herz legen: schleich di!

Nichtsdestotrotz ging es danach weiter mit dem 90er-Actioner Barb Wire mit Pamela Anderson als toughe Nachtclubbesitzerin und Kopfgeldjägerin mit Udo Kier als ihre rechte Hand. Der Film basiert auf einer Comic-Vorlage, welche sich vom Klassiker Casablanca inspirieren ließ. Der Streifen dreht sich allein um Pamela Anderson in Lack- und Leder-Outfits wie sie Männern ordentlich in den Arsch tritt. Das ist zwar nicht sonderlich anspruchsvoll, aber machte dennoch ziemlich viel Spaß. Ich wurde über die Spielzeit durchwegs gut unterhalten und meine Müdigkeit war wie weggeblasen.

Zum Abschied ein Küsschen

Bei schlüpfrigen Zweideutigkeiten sind wir dann auch vollkommen richtig beim letzten Punkt dieses Abends: die Salon Kitty Revue rund um Salonnière Kitty Willenbruch. Dabei handelt es sich, wenn ich das /slash-Programmheft zitieren darf, um „eine verwegene und elegante Mischung aus Burlesque, Boylesque, Travestie und Cabaret, performt vom Who is Who & WTF der heimischen Burlesque-Szene.“ Als Burlesque-Jungfrau hatte ich nur den Hauch einer Ahnung, was hier auf mich zukommt. Dafür aber auch gleich in der ersten Reihe Platz genommen – man will ja nichts verpassen. Katrina Kitschovsky führte charmant durch den Abend und ließ sich so einige bissige gesellschaftspolitische Kommentare nicht nehmen. Auf der Bühne brachten mich dann die Damen und Herren mit so wohlklingenden Namen wie Madeleine de Sade, Jacques Patriaque oder Charly Voodoo ordentlich ins Schwitzen. So wurde gejubelt und gejohlt bis die Hände schmerzten und die Stimmen versagten. In der ersten Reihe kam ich zudem in den Genuss von einer kranken Schwester untersucht zu werden und da es offenbar schlimm um mich stand, wurde kurzerhand mein Kopf im Dekolleté versenkt – wirkt wahre Wunder. Zudem durfte ich einen Handschuh ausziehen, wonach ich als Dankeschön ein Küsschen bekam.

Salon Kitty
© Mercan Sümbültepe

Und so fand dann auch ein sehr langer Festivaltag ein wahrlich wundervolles Ende. Jetzt heißt es aber erst einmal ausschlafen. Morgen geht es mit Büromusicals und Entführungen weiter.

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?