Raccoon Valley
Kritik

Raccoon Valley (2018) – Review

Indie-Filmer Turner Clay wirft eine einzelne Frau mit Handicap mitten in ein Biohazard-Szenario.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Raccoon Valley
USA
65 Minuten
Turner Clay
Turner Clay
Terri Czapleski, Justin Ray u.a.

Ein Militärflugzeug mit biogefährdenden Gefahrgütern stürzt über einer Kleinstadt ab. Zur selben Zeit bringt eine namenlose Frau (nennen wir sie „Terri“, in Anlehnung an ihre Darstellerin Terri Czapleski) ihren Freund Michael zum Flughafen. Schweigend und mit stoischer Miene sieht sie ihn an, als er ihr sagt, dass sie unbedingt das Handy bei sich tragen solle, da er Angst um sie hätte. Dann verlässt er sie und sie fährt zurück zu ihrem Haus, wo sie ihrem alltäglichen Leben nachgeht. Sie wäscht die Wäsche, besucht die Mutter ihres Freundes, während sie von Gesprächsfetzen aus ihrer Vergangenheit verfolgt wird – all dies mit kaum verändertem Gesichtsausdruck. Terri sieht weder fern, noch hört sie Radio; auch den behördlichen Aufruf zur Evakuierung vernimmt sie nicht. So registriert sie abends vom Fenster aus nur, wie mehrere ihrer Nachbarn wegfahren. Wohin, das weiß sie nicht. Als sie später im Bett liegt, sieht sie sich ein Bild ihrer Eltern an – ein Bild, das sie bis in ihre Träume hinein verfolgen soll. Dort wirft ein Projektor die Bilder einer glücklichen Familie auf die Leinwand: Terri mit ihren Eltern, mit ihrem Bruder, am Klavier, glücklich. Dann ein weiteres Bild, der den Moment zeigt, als ihr Glück förmlich zerfetzt wurde, als  sie bei einem tragischen Autounfall ihre Familie verlor. Am nächsten Tag, wieder begleitet von den stimmlichen Echos ihrer Vergangenheit und mit stoischer Miene, mäht Terri den Rasen vor ihrem Haus. Da bemerkt sie, dass vor einem Nachbarshaus ein Auto mit offenen Türen und steckendem Schlüssel geparkt ist. Als sie dort klingelt, bleibt das unbeantwortet. Vor ihrer eigenen Kellertür findet sie kurz darauf eine Katze, die sie füttert. Dann erhält sie über ihr Handy mehrere Nachrichten von Michael, der sich offenbar große Sorgen macht; ihre Antwort an seine Nummer kann allerdings nicht gesendet werden. Terri ahnt, dass irgendetwas nicht stimmt, aber sie weiß nicht, was. Sie befestigt Aushänge mit dem Foto der gefundenen Katze auf den menschenleeren Straßen ihrer Nachbarschaft. Darunter weist sie daraufhin, dass sie taub ist. Terri weiß immer noch nichts von der Gefahr, die um sie herum allmählich erwacht …

Raccoon Valley ist ein ruhiger Film mit einem zumeist langsamen Erzähltempo. Darin passt er sich dem Charakter seiner Hauptfigur an, die sich stoisch, wenn auch traumatisiert, in ihrem gehörlosen Leben eingerichtet hat. Abgesehen von der Eingangssequenz wird der Film aus ihrer Perspektive erzählt. Ihr Charakter wird durch Stimmenfetzen, Echos ihrer Vergangenheit, und ihr Handeln in der Gegenwart bestimmt. Man begreift, warum „Terri“ so stoisch wirkt, nicht die Ruhe verliert, auch wenn sie keine überlebensgroße Figur ist, was sie jedoch sympathisch macht. Terri Czapleski bringt diese Rolle glaubwürdig rüber. Raccoon Valley ist der dritte Film, den sie mit dem Independent-Filmer Turner Clay (The Blackwell GhostState of Emergency) gedreht hat.

Raccoon Valley

Turner Clay schrieb, drehte, produzierte und editierte den Film; darüber hinaus kreierte er sowohl die Effekte als auch den Score – und das alles für lediglich 175 US-Dollar! Doch Clay hat aus der Budget-„Not“ eine Tugend gemacht und einen kleinen effektiven minimalistischen Infizierten-Film erschaffen, der erheblich teurer aussieht. Wichtig sind auch nicht die (wenigen) Spannungsspitzen in dem sich stetig steigernden Spannungsbogen, die Turner Clay gezielt setzt, sondern die Protagonistin. Action gibt es so gut wie keine, dafür aber atmosphärische Bilder und einen passenden Score. Bei dem Erzähltempo und dem Einsatz seiner Mittel orientiert sich Clay eher an John Hillcoats The Road oder It Stains the Sands Red als an Dawn of the Dead oder The Crazies. Der Film ist logisch aufgebaut, auch wenn dies auf manche Details nicht ganz zutrifft, was sich jedoch verschmerzen lässt und im Kontext nicht weiter negativ auffällt.

Die Soundkulisse mag manchmal mehr als ausgeschöpft wirken, aber auch das ergibt am Schluss durchaus einen Sinn. Schnitt und Ton machen einen vergleichsweise hochwertigen Eindruck, sogar die Beleuchtung wurde in einigen Szenen gekonnt spannungsfördernd eingesetzt. Mit 65 Minuten Laufzeit ist der Film auch nicht zu lang. Ich würde gerne sehen, was Clay aus so einem Stoff mit einem Studio-Budget schaffen würde.

Turner Clay erfindet mit Raccoon Valley das Rad zwar nicht neu, erzählt seine Geschichte jedoch konsequent, weitestgehend glaubwürdig und mit einigem Talent für die Atmosphäre. Und gerade wenn ich bedenke, welche Mittel ihm zur Verfügung standen, muss ich ihm Respekt zollen.

 

Bewertung

Spannung Rating: 3 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt  Rating: 1 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 3 von 5

Bildquelle: Raccoon Valley © Amazon Prime Video

Horrorfilme sind eines der Genres des Films, den ich in seiner Gesamtheit seit meiner frühesten Kindheit und der ersten Begegnung mit den Kreaturen des Ray Harryhausen fast schon abgöttisch liebe. Im Horrorfilm taucht der Zuschauer nicht nur bis zu den Abgründen der menschlichen Seele, sondern häufig weitaus tiefer.

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