Ghost Stories
Kritik

Ghost Stories (2017) – Review

Mit huldigendem Blick auf die großen, britischen Episodenfilme von Amicus schafft es Ghost Stories seinen ganz eigenen Reiz zu entwickeln. Auf jeden Fall sehenswert!

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Vorlage:

Ghost Stories
Großbritannien
98 Minuten
Jeremy Dyson, Andy Nyman
Jeremy Dyson, Andy Nyman
Theaterstück „Ghost Stories“ von Jeremy Dyson und Andy Nyman

Von Ghost Stories habe ich mir gar nichts erwartet. Ein Episodenfilm über übersinnliche Phänomene mit einer Rahmengeschichte über einen Skeptiker, der bestimmt zum Schluss einsieht, dass es mehr gibt als das bloße Auge sieht. Dazu noch ein Trailer, der mich nicht sonderlich begeistern konnte und mein Interesse war schon dabei sich in alle Winde zu zerstreuen. Schlussendlich lag es an zwei Schauspielern und meiner Liebe für Anthologien, die mich doch zur Österreich-Premiere von Ghost Stories bewegten. Im Nachhinein bin ich verdammt froh darüber, dass ich meinem ersten Impuls nicht nachgegeben habe, denn in dem Film steckt so viel mehr, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

Der auf einem Theaterstück basierende Ghost Stories beginnt dabei relativ harmlos. Wir lernen Professor Goodman kennen, der in einem erzkonservativen, jüdischen Haushalt aufwuchs. Insbesondere, dass sein Vater die eigene Tochter aus dem Haus warf, weil sie eine Beziehung mit einem asiatischen Mann hatte, verstörte den kleinen Phillip zutiefst. Dies dürfte dann auch einer der ausschlaggebenden Punkte gewesen sein, warum er es sich zum Lebensziel machte Irrglauben aufzudecken und Scharlatane zu entlarven, damit niemand mehr unter solch Wahnvorstellungen leiden muss. Eines Tages wird er jedoch durch einen anonymen Brief auf die Probe gestellt. Drei Fälle. Drei übernatürliche Phänomene, die es zu lösen gilt.

Ausgehend von diesem nicht übermäßig originellen Grundgerüst entwickeln Andy Nyman und Jeremy Dyson nun ihr perfides Spiel. Ähnlich unserem Protagonisten Professor Goodman fühlen wir uns auf sicherem Boden. Genau so wie er seine Betrugsfälle, die er in einer eigenen TV-Show aufdeckt, in und auswendig kennt, geht es uns erfahrenen Horrorfans mit dem Genre. Damit wiegen uns Nyman und Dyson in trügerischer Sicherheit, spielen gekonnt mit den Konventionen des Genres und führen uns immer weiter in den Irrgarten. Dabei dauert es auch relativ lange bis aus dem schön gepflegten Park mit seinen possierlichen Hecken, plötzlich unüberwindbare dornige, grüne Mauern werden. So verirren wir uns mit jeder Folge immer mehr, verlieren immer mehr den Boden unter den Füßen und beginnen so langsam zu taumeln.

Genau so geht es auch Phillip Goodman. Hat er für den ersten Fall nur ein müdes Lächeln übrig, so beginnt spätestens ab Fall Nummer zwei Goodmans Weltbild leicht zu wanken. Hinter der bröckelnden Fassade darf man natürlich auf so manche Überraschung gefasst sein. Denn Professor Goodman ist viel mehr als nur eine nötige Rahmenhandlung, um die einzelnen Gruselgeschichten beisammen zu halten. Und genau hier liegt dann auch eine große Stärke von Ghost Stories im Gegensatz zu anderen Anthologien. Die Rahmenhandlung ist meist bloßes Beiwerk, wenn nicht gleich sofort darauf verzichtet wird. Natürlich kann diese wunderschön in Szene gesetzt sein wie in XX oder die einzelnen Episoden werden dadurch perfekt ineinander verwoben wie in Trick ’r Treat. Doch sie ist eben selten mehr als nur ein Zwischenspiel. Nyman und Dyson erheben hier das Zwischenspiel zur Hauptstory. Dies ist nicht nur Rahmenhandlung in der die Episoden eingebettet sind, ganz im Gegenteil, hier bilden die Episoden das Fundament für die übergeordnete Geschichte, die sich darauf entfalten kann.

Ghost Stories
Bei Professor Goodman fängt es an zu bröckeln

Dramaturgisch ergibt sich dadurch leider etwas die Problematik, dass der Film anfänglich schwer in die Gänge kommt. Zudem wirkt der Streifen zu Beginn auch reichlich fragmentarisch. Dies fügt sich später zwar sehr gut in die Erzählweise ein, hilft einem beim ersten Mal schauen nicht wirklich weiter. Aber Ghost Stories ist ohnehin ein Film den man unbedingt öfters schauen sollte, da es doch so einiges zu entdecken gibt, was einem zuerst vielleicht entgangen sein könnte. Gerade für Horrorfans bietet der Streifen jedoch über die gesamte Spielzeit einige sehr feine Momente. Hier werden sich wohl die wenigsten zu Tode gruseln, aber die Jumpscares sind gezielt gesetzt und schaffen es hervorragend die Bedrohlichkeit einer Episode hoch zu halten. Auch der sehr kalten, tristen Atmosphäre ist dies nur zuträglich. Diese versprüht einen zynischen, nihilistischen, aber gleichzeitig gelassenen Charme wie es wohl nur ein Film von einer verregneten Insel tun kann. Die Inszenierung ist grundsätzlich absolut hochwertig. Sei es die souveräne, zurückhaltende Kameraführung, der wundervolle Einsatz von Licht und Schatten oder die Wahl und Ausstattung der Locations.

Ein Hauptgrund warum dies alles so wunderbar funktioniert, und nun kommen wir endlich zu meinem Beweggrund ihn überhaupt angeschaut zu haben, ist aber natürlich der toll aufgelegte Cast. Andy Nyman, Alex Lawther (The End of the F***ing World) und ganz besonders Martin Freeman (The Hobbit, Cargo) liefern eine grandiose Performance ab. Nyman spielt den Professor wundervoll arrogant-verbissen und an der Kippe zum Wahnsinn, Lawther schafft es mit nur wenigen Bewegungen seiner Figur Leben, Humor und ganz viel liebenswürdige Exzentrik einzuhauchen und Freeman darf sich ganz der mysteriösen Souveränität seiner Rolle hingeben. Es liegt auch an Freeman die wichtige dritte Episode zu tragen und dies tut er wahrlich meisterhaft. Ich hatte auf jeden Fall meine helle Freude daran dem Ensemble zuzusehen.

Unterm Strich ergibt sich daraus für mich ein ganz besonderer Episodenfilm, der das Rad zwar auch nicht neu erfindet, aber bekannte Ideen geschickt ineinander verwebt und damit einen wirklich wundervollen Genrebeitrag beisteuert. Mit wundervoll eingefangenen Kulissen und einem tollen Cast für mich definitiv einer der besseren Horror-Episodenfilme und ein durchaus würdiger Nachfolger für Totentanz der Vampire, Asylum und Co.

Bewertung

Spannung Rating: 3 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt  Rating: 1 von 5
Ekel  Rating: 0 von 5
Story  Rating: 4 von 5

Bildquelle: Ghost Stories © Concorde Filmverleih GmbH

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Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?