We Are the Flesh
Kritik

We Are the Flesh (2016) – Review

Ein künstlerisch angehauchter Fiebertraum, der die Zuschauer visuell in einen Bann ziehen wird, dem man sich einfach nicht mehr entreißen kann.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:

Tenemos la carne
Mexiko, Frankreich
79 Minuten
Emiliano Rocha Minter
Emiliano Rocha Minter

Die beiden Geschwister Fauna und Lucio ziehen seit Jahren durch die verwüstete Stadt, ständig auf der Suche nach einer sicheren Unterkunft um zu überleben. Als sie schließlich ein sicher zu scheinendes Gebäude finden, treffen sie auf den dort lebenden Mariano, der den beiden ein äußerst verstörendes Angebot unterbreitet…

Fantasy? Horror? Drama? Von allem ein wenig.

Lange habe ich mir überlegt, ob ich mir das viel diskutierte Werk von Emiliano Rocha Minter zu Gemüte führen möchte. Letztlich schien mir der Film optisch aber so interessant, dass ich ihm einfach eine Chance geben musste. Nach diesem knapp 80-minütigen Fiebertraum stand ich also da – etwas ratlos, aber durchaus angetan. Das war er also, der mit intensiven Sexszenen gespickte, surreale Wahnsinn, dessen Zuschauermeinungen im Vorfeld sich abstießen, wie zwei unterschiedlich gepolte Magnete. Noch nie fiel es mir so schwer einen Film in eine gewisse Sparte einzuordnen, wie es bei We Are the Flesh der Fall war. Fantasy, Horror, Drama, Erotik, der Film hatte Eigenschaften all dieser Genres und genau das war es letztlich auch, was mich keine Sekunde während des Zuschauens in Langeweile versetzt hatte. Eines ist dem Film zudem ganz sicher nicht abzusprechen: der künstlerische Aspekt!

Das nichtssagende Kunstwerk

Man stelle sich vor, man stünde in einem Museum und starre auf ein Gemälde, welches einem offensiv nichts erzählt, in dem man aber trotzdem irgendetwas zu erkennen versucht. So in etwa könnte man den Film am besten beschreiben. Es gibt keine klare Erzählstruktur und auch keinen roten Faden, der den Zuschauer durch eine Geschichte führt. Vielmehr sind es unstrukturierte Szenarien, die sich wirr aneinanderreihen und durch experimentelle Kameraeinstellungen und diverse abstruse Farbfilter auf sich aufmerksam machen. Der Film knallt dem Zuschauer eine Kontroverse nach der anderen vor den Latz, die visuell aber so faszinierend in Szene gesetzt sind, dass man die eigentlich doch recht unangenehmen Situationen, mit denen man immer wieder konfrontiert wird, gar nicht als solche wahrzunehmen vermag. Der Film ordnet sich über seine Dauer irgendwo zwischen Kunstwerk und Avantgarde-Theater ein und wirkt vor allem durch die Interaktionen der Charaktere untereinander äußerst künstlerisch und zu keinem Zeitpunkt sinnlos provozierend, was die Beschreibung der Themenwahl im Vorfeld vermuten lassen könnte. So wirken auch die intensiven Sexszenen, auf die wohl jeder Zuschauer vor der Erstsichtung aufmerksam gemacht wurde, in keinster Weise billig, plump oder geschmacklos inszeniert.

We Are the Flesh

Theateratmosphäre

So sind es neben der experimentellen Bildsprache vor allem die schauspielerischen (Debüt-)Leistungen von Noé Hernández (Wir sind was wir sind, Sin Nombre), María Evoli und Diego Gamliel, die den Film so interessant gestalten. Nur all zu gerne würde ich die drei mal in einem Improvisationstheater zu Gesicht bekommen, denn es wirkt gerade zu, als würden sie förmlich spontan in ihre Rollen abtauchen und völlig künstlerisch frei von der Leber agieren. Das wirkt zwar an der ein oder anderen Stelle etwas unauthentisch, ist dafür aber nonverbal in seiner Körpersprache äußerst ausdrucksstark.

Hat mir der Film gefallen? Hat mir der Film nicht gefallen? Eine Frage, die ich ehrlicher Weise nicht zu beantworten vermag. Eines war der Streifen auf jeden Fall nicht – langweilig! Zu keiner Sekunde hatte ich das Gefühl, dieses surreale Traumtheater würde auch nur ansatzweise meine Aufmerksamkeit verlieren. Und genau deshalb finde ich es nahezu unverständlich, dass der Film aufgrund seiner expliziten Erotikszenen förmlich einer pornografischen Herabwürdigung unterzogen wurde. Das ist weder richtig, noch wird das dem Film in irgendeiner Weise auch nur ansatzweise gerecht.

We Are the Flesh wird mit absoluter Sicherheit nur einen kleinen Teil seiner Zuschauer für sich gewinnen, denn dieses Werk ist eigen, sehr eigen. Der Streifen agiert radikal, experimentell und zugleich ambivalent. So stellt sich hinter den Film ein imaginäres Fragezeichen. Gerade Arthaus-Fans kann ich diesen Streifen reinen Gewissens ans Herz legen, denn auch wenn der Film keiner spannenden und klar strukturierten Story folgt, so ist er aber vor allem in seiner visuellen Darstellung äußerst ansprechend und wird diejenigen, die sich von einer surrealen und experimentellen Bildsprache leiten lassen können und wollen, sofort in seinen unverwechselbaren Bann ziehen. We Are the Flesh wird definitiv seinen Platz in meiner Sammlung behalten und auch sicherlich noch der ein oder anderen Nachsichtung unterzogen, denn ich bin nach wie vor absolut fasziniert.

 

Bewertung

Spannung Rating: 2 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt  Rating: 1 von 5
Ekel  Rating: 2 von 5
Story  Rating: 1 von 5

Bildquelle: We Are the Flesh © Donau-Film

 

Als großer Fan des Horror-Kinos, insbesondere der alten Schule, diskutiere ich immer gerne mit meinen Mitmenschen über das, was mir ein Film mitgibt. Ich freue mich darauf, mich mit euch über die unendlichen Weiten des Horror-Genres auszutauschen! :)

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