Stephen Kings Es
Kritik

Stephen Kings Es (1990) – Review

He thrusts his fists against the posts and still insists he sees the ghosts.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Vorlage:

Stephen Kings It
USA
192 Minuten
Tommy Lee Wallace
Tommy Lee Wallace, Lawrence D. Cohen
„Es“ von Stephen King (Roman)

Stephen Kings Es: Der erste Versuch

Schon zu Beginn diesen Jahres war klar: 2017 wird ein wahres Fest für „Stephen King„-Fans. Und das nicht etwa nur, weil der Kultautor vergangene Woche seinen 70. Geburtstag beging.

Sagenhafte 16 größere und kleinere Produktionen, die auf Kings Werken basieren, gingen dieses Jahr an den Start, darunter eine ganze Reihe von Kurzfilmen, aber auch Serien und Blockbuster.
Aber während sich die Begeisterung und Vorfreude bei der Netflix- Serienadaption The Mist bislang spürbar in Grenzen hält und diesen Sommer bei der jahrelang heißersehnten Umsetzung von Der dunkle Turm sogar bereits in bittere Enttäuschung umschlug, erlebte die Neuverfilmung von Es einen nie dagewesenen Hype. Die Trailer verwiesen mit Klickzahl-Rekorden selbst die großen Blockbuster-Franchises Star Wars und Fast and Furious auf die hinteren Plätze und mit jedem Vorabclip und Produktionsschnipsel schien die weltweite Erwartungshaltung ins Unermessliche zu steigen.

Doch ist Andy Muschiettis Adaption bekanntlich nicht der erste Versuch, den legendären „Club der Verlierer“ und seinen Kampf gegen das personifizierte Böse in Gestalt des Clowns Pennywise auf Film zu bannen. Im Gegensatz zu heute mussten die Zuschauer damals jedoch noch mit Bildschirm statt Leinwand vorlieb nehmen. Damals wie heute entschied man sich für eine zweiteilige Adaption, um Kings gerade erdrückend umfangreichem, detailverliebten 1500-Seiten Wälzer beizukommen. Zusätzlich musste bei der Fernsehproduktion, die der US-Sender ABC seinerzeit in Auftrag gab, ein gewisses Maß an Kompromissen eingegangen werden, sei es nun das logischerweise gegenüber einem Kinofilm deutlich bescheidenere Budget oder aber der Umstand, dass die heikelsten Szenen des schon bei Erscheinen heftig umstrittenen Romans dem Rotstift zum Opfer fallen mussten.

Dennoch ist es für sich genommen beachtenswert, dass Drehbuchautor Lawrence D. Cohen und Tommy Lee Wallace, der sein Debüt mit dem dritten Aufguss der Halloween-Reihe gab und hier auf dem Regiestuhl Platz nahm, nicht davor zurückschreckten, die komplexe Erzählweise des Romans ins Fernsehen zu übertragen. Anders als in der Neuauflage, welche die Ereignisse von den 50er in die 80er Jahre verlegt und sich dabei ausschließlich auf die erste Hälfte des Buches beschränkt, bleibt die TV-Variante der eigenwilligen Struktur des Romans treu. So setzt die Rahmenhandlung um die gealterte Loser-Clique genau 30 Jahre später mit dem erneuten Erwachen von Es ein und lässt die Erlebnisse aus der Kindheit mittels Rückblenden Revue passieren. Das hat einerseits den Vorteil, dass der Zuschauer zwischen den erwachsenen Darstellern und den Nachwuchsschauspielern in den meisten Fällen spielend eine Verbindung herstellen kann und obendrein noch durch das Teilhaben an deren verdrängten Erinnerungen emotional stark involviert ist. Auf der anderen Seite wirkt diese Flashback-Struktur aus heutiger Sicht dramaturgisch reichlich träge und schlichtweg nicht mehr zeitgemäß. Fast die gesamte erste Hälfte verbringt man größtenteils mit der Einführung aller (gar mal mehr so) „Glücklichen Sieben“ und geht dabei so konsequent und stur nach dem immergleichen Schema vor, dass sich manches doch etwas abgehandelt anfühlt.

Der Club der Verlierer

Die klaren Stärken und den Kultfaktor, den dieser Zweiteiler bis heute innehat und dessen popkulturelle Wurzeln sich bis zum Erfolg der Netflix-Serie Stranger Things ziehen, bezieht Es somit weniger aus der Gegenwartshandlung, welche trotz um sich greifender Aufbruchsstimmung nur schwer in die Gänge kommt, sondern wohl eher aus den Begebenheiten in der Vergangenheit.
Hier stimmt Regisseur Tommy Lee Wallace mit dem komplett auf analogen Material gedrehten Film nicht nur eine nostalgische Ode an die 50er Jahre an, sondern zugleich auch auf die Freundschaft zwischen den beinahe allesamt aus prekären Familenverhältnissen stammenden Außenseiterkindern. Filmfreunden dürfte das ein oder andere Gesicht bekannt vorkommen, wenn sich die Truppe um unter anderem Jonathan Brandis als Bill (bekannt aus Die unendliche Geschichte II) oder Seth Green (Austin Powers, Robot Chicken) nach und nach zusammenfindet und schließlich beschließt, dem Grauen, das in der Kleinstadt Derry umgeht, heimzuleuchten. Dabei gerät das Zusammenspiel und der Umgang der Kinder miteinander durchaus überzeugend und gegenüber der mit Schimpfwörtern alles andere als zimperlichen Vorlage erstaunlich stimmig und unverkrampft, dennoch schleicht sich auch wieder der Eindruck ein, dass die jeweiligen Flashbacksequenzen der einzelnen Charaktere in erster Linie auf die Konfrontation mit Es bzw. dem Clown Pennywise forciert sind. Das führt dazu, dass man die Urängste, Sorgen und Nöte der Kinder versteht, gleichzeitig lässt es die Figuren aber nur schwer aus dem Schatten der ihnen strikt zugeteilten Klischees hervortreten. Zusätzlich verbannt der Film bis auf Eddie Kaspbraks besitzergreifende Mutter oder Beverly Marshs herrischen Vater die Eltern weitestgehend an den Rand der Erzählung. Diese Einschnitte sind insofern bezeichnend, als dass King durch die Schilderung der teils zerrütteten Elternhäuser gesellschaftliche Tabuthemen wie Homosexualität, Alkoholismus oder Rassismus in die erwachsene Geschichte aus Kinderaugen trug.

Stephen Kings Es

Nichtsdestotrotz gelingt es Es wohldosierte Schauermomente zutage zu fördern, die auch abseits der Begegnungen mit Pennywise ein jähes Ende der kindlichen Unschuld und Unbeschwertheit symbolisieren. Besonders intensiv gestaltet sich die berühmte (und wohl blutigste) Badezimmerszene, die auch über die klare Menstruationssymbolik hinaus intensiv nachhallt.

Tim Curry als freundlich-fieser Spaßmacher

Als Trumpf auf der Habenseite kann Tommy Lee Wallace natürlich noch Tim Curry ausspielen. Der „Rocky Horror Picture Show„-Star reizt seine begrenzte Screentime genüsslich aus und mimt Pennywise als freundlich-fiesen Spaßmacher bzw. Spielverderber. Fast an einen Pädophilen erinnert er, wenn er zu Beginn den kleinen Georgie in jenem ikonischen Moment aus dem Gulli heraus anlockt und für den Zuschauer, jedoch nicht für das Kind ersichtlich ist, dass hinter diesem unscheinbar geschminkten Pausenclown eine Bestie, ein Monster im Clownspelz lauert.

Mit dem Verlagern auf die Perspektive der Erwachsenen ändert sich auch Pennywise‘ Verhalten, das teils in handfesten Psychoterror umschlägt. Spätestens hier wirkt Currys Figur allmächtig und allgegenwärtig, auch wenn er bedauerlicherweise immer seltener selbst seine Schminkvisage in die Kamera halten darf. Den Großteil der Laufzeit müssen hier Richard Thomas (alias „John Boy Walton“), John Ritter, Harry Anderson und Annette O’Toole tragen. Die für damalige Verhältnisse gar nicht mal so wenig namenhafte Besetzung um Bill-Darsteller Richard Thomas schafft zwar durch die wieder auflebenden Ticks und Traumata aus der Kindheit eine Brücke zu der 50er-Jahre-Handlung zu schlagen und agiert auf ähnlich solidem Niveau, wirklich sonderlich schauspielerisch herausragen kann jedoch niemand.

Aber obwohl Es in der zweiten Hälfte durchaus mit wirklich clever eingefädelten Horrorelementen überzeugen kann, stößt der Film  zu guter Letzt geradezu schmerzhaft bodenlos an die Grenzen des damals Machbaren. Denn wieder gerinnt das Wiedersehen des eingeschworenen Verlierer-Clubs zum ausgiebigen Vorgeplänkel, was zum Einen das seltsam hölzerne Schauspiel mancher Beteiligter offenbart, zum Anderen fleißig Erwartungen schürt, die nicht im Ansatz von der finalen Konfrontation mit Es eingelöst werden können. Spätestens hier hat der Zahn der Zeit spürbar am nötigen Kleingeld der TV-Produktion genagt und präsentiert einen in Windeseile hastig abgewickelten Showdown, der auch abseits immerhin handgemachter Stop-Motion Effekte aufgrund seiner Plumpheit eher zum Lachen als zum Mitfiebern einlädt. Besonders hier kann man nur hoffen, dass der bereits für 2019 angekündigte zweite Teil der Neuverfilmung dabei deutlich bessere, selbstbewusstere Akzente setzen wird.

Fazit: Ist „Es“ also heute noch sehenswert? Diese Frage ist gar nicht mal so leicht zu beantworten. Denn auch wenn der Film abgesehen von der ikonischen Tim Curry-Performance durchaus seine Vorzüge hat, die auch ohne nostalgische Verklärung erhalten geblieben sind, so ist der TV-Zweiteiler doch gerade zum Ende hin sehr in die Jahre gekommen. Zuschauer mit modernen Sehgewohnheiten und Ansprüchen dürfte das eher ab – als erschrecken oder wahlweise sogar belustigen, was bekanntlich der Tod jeden Horrors ist. Zumindest einen Blick riskieren sollte man aber eventuell doch. Und sei es nur, um sich davon zu überzeugen, dass selbst Make-Up und Maske machtlos waren gegen Tim Currys Clownsgrinsen.

 

Bewertung

Spannung Rating: 3 von 5
Atmosphäre Rating: 3 von 5
Gewalt  Rating: 2 von 5
Ekel  Rating: 2 von 5
Story  Rating: 3 von 5

Bildquelle: Stephen Kings Es © Warner Home Video

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