Cube
Kritik

Cube (1997) – Review

oder: der Tod in geometrischen Formen.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:

Cube
Kanada
90 min
Vincenzo Natali
André Bijelic, Graeme Manson

Inhalt

Sechs Personen finden sich in einem riesigen Würfel wieder, der wiederum aus vielen einzelnen würfelförmigen Räumen besteht. Sie haben keine Erinnerung daran wie sie hier her gekommen sind, merken aber bald, dass einige Räume mit tödlichen Fallen versehen sind.

Hintergründe

Math Goes to the MoviesWer Mathe in der Schule immer schon gehasst hat und heilfroh ist, wenn er nie mehr etwas damit zu tun haben muss, sollte die nächsten Absätze besser überspringen, denn wir knöpfen uns die Mathematik von Cube vor. Für alle Mathebegeisterten kann ich „Math Goes to the Movies“ von Burkard Polster und Marty Ross empfehlen, auf welches ich mich für die folgenden Ausführungen stützen werde.

Der Cube wurde vom Mathematik-Professor David W. Pravica entworfen, der dem Team auch während der Dreharbeiten mit Rat und Tat zur Seite stand. Ich werde jetzt nicht komplett ins Detail gehen, wie die Mathematik in Cube funktioniert, sondern nur soweit, damit das Prinzip dahinter verstanden werden kann. Ich werde mir Mühe geben[1]. Selbstverständlich enthalten folgende Ausführungen Spoiler darüber wie der Cube funktioniert.

Spoiler

Wie beim Inhalt beschrieben besteht der gigantische Würfel aus mehreren würfelförmigen Räumen. Die Seitenlänge des Würfels beträgt 26 Räume, das ergibt somit 17.576 einzelne Räume (=26*26*26). Jeder einzelne Raum ist mit drei Nummern mit jeweils drei Ziffern gekennzeichnet, z.B. 645, 372 und 649. Damit lässt sich mathematisch schon einiges machen.

Einerseits sind Fallen durch diese Nummern gekennzeichnet. Jeder Raum dessen Kennung eine Primzahl enthält, also eine Zahl, die nur durch sich selbst und 1 ohne Rest teilbar ist, enthält eine Falle bzw. wie wir später erfahren die Potenz einer Primzahl. Also 54 oder 7³. Im Film wird 567 genannt und Kazan antwortet mit „2“. Die Zahl lässt sich also in zwei Prim(potenz?)faktoren zerlegen: 34 und 7 (3*3*3*3*7=567).

Andererseits geben sie an, wo sich der Raum im Würfel befindet. Die drei Nummern stehen für die x-, y- und z-Koordinate in einem dreidimensionalen Raum. Die Quersumme der Nummer gibt die Position an, also bei 645 372 649 wäre dies x=15 (=6+4+5), y=12, z=19. Allerdings ist es auch hier nicht so einfach, denn die Räume im Würfel bewegen sich – und jetzt wird es erst so richtig spannend. Um die Bewegungen auszurechnen müssen wir jede Nummer in ihre einzelnen Ziffern aufteilen (1.=a, 2.=b, 3.=c). Dann rechnen wir für jede Koordinate a-b, b-c und c-a:

  • x-Koordinate 645: 6-4=2; 4-5=-1; 5-6=-1
  • y-Koordinate 372: 3-7=-4; 7-2=5; 2-3=-1
  • z-Koordinate 649: 6-4=2; 4-9=-5; 9-6=3;

Wir sagten unsere Startposition ist 15, 12, 19. Hier fügen wir nun die erste Position unserer x-Koordinate (+2) hinzu.

  • 17, 12, 19

Wir folgen mit der ersten y-Koordinate (-4)

  • 17, 8, 19

Die erste z-Koordinate (+2)

  • 17, 8, 21

Damit hätten wir die erste Bewegungsrunde abgeschlossen. Zweite Runde ergibt

  • 16, 13, 16

Und die dritte Runde

  • 15, 12, 19

Nach neun Bewegungen sind wir wieder an der Startposition angekommen und es geht wieder von vorne los.

Und das, meine Damen und Herren, sind die mathematischen Grundprinzipien von Cube.

Das Team vom zweiten Teil hat sich übrigens auch an Professor Pravica gewendet. Diese wollten allerdings nur ein paar Formeln haben, die sie an die Wand schreiben können. Tja, so viel dazu.

[1] Sollte ich irgendwelche Fehler machen, freue ich mich über Korrekturen.

Kritik

Nachdem Ausflug in die Mathematik, der für manche vielleicht ohnehin schon Horror genug war, kommen wir nun zum cineastischen Horror und auch hier hat Cube einiges zu bieten.

Es ist kein Zufall, dass die Mathematik hier eine große Rolle spielt und es mir am Herzen lag darauf einen Fokus zu legen. Denn die Welt von Cube ist komplett durchdesignt. Hier herrschen weder die runden, gewachsenen Formen der Natur, noch vom Menschen funktionalisierte Strukturen. Diese Welt ist rein logisch-mathematisch.

Cube

Regisseur Vincenzo Natali und sein Team haben versucht dies auch im Setting und in der Inszenierung spürbar zu machen. So wie ein Würfel sechs Seiten hat, haben wir auch sechs Charaktere und geplante, sechs Farben (das Budget ließ leider nur fünf zu). Leavens Brillengläser brechen im selben Muster, wie dem an der Wand der Räume. Nichts hier soll zufällig oder willkürlich sein und das ist einfach sehr gut gelungen.

Diese Welt hat etwas unfassbar Kaltes, Bedrohliches an sich. Worth sagt im Film:

Nobody is in charge. It, it’s a headless blunder operating under the illusion of a master plan. Can you grasp that? Big Brother is not watching you.

Spoiler
Es gibt keine Weltverschwörung, niemanden der die Versuchskaninchen beobachtet. Es ist einfach nur da und läuft strikt nach den eigenen Regeln ab. Ich rechne Natali und den Drehbuchautoren Bijelic und Manson auch hoch an, dass sie Pro- und Epilog weggelassen haben. Dieses in sich geschlossene, unerklärliche Gebilde und die Story in ihrer Einfachheit machen viel der zum Zerreißen gespannten Atmosphäre aus.

Cube

Dazu kommt dann noch eine unheimliche Ästhetik der Fallen, insbesondere des Sounddesigns und wo wir gerade schon bei Klängen sind: der Soundtrack ist göttlich. Dieser ist im Gegensatz zum sehr melodiösen Klang der Fallen, absolut disharmonisch und erzeugt dadurch einen Kontrast, der sehr gut das Verhältnis zwischen Würfel und den Protagonistinnen widerspiegelt.

Abgesehen von den originellen Fallen und der bedrohlichen Atmosphäre sind die Charaktere in so einem Kammerspiel natürlich das um und auf. Hier folgt man ziemlich stark den üblichen Konventionen. Die Charaktere, die alle nach Gefängnissen benannt wurden, sind eindeutig so entworfen, um eine angespannte Gruppendynamik erzeugen zu können. Ihre Charakterentwicklung ist absehbar und die Sympathieträger schnell ausgemacht. Die schauspielerischen Leistungen sind dabei Großteils solide bis auf das Overacting von Maurice Dean Wint, das insbesondere zum Ende hin nur schwer zu ertragen ist. Schwächen des Filmes findet man dementsprechend in erster Linie hier. Nichtsdestotrotz, und das ist sehr wichtig für einen Horrorfilm, sind die Charaktere sympathisch genug, dass man mit ihnen mitfiebert. Dies liegt vor allem auch an den teilweise grandiosen Dialogen.

Unterm Strich ist dem Kanadier Vincenzo Natali hier mit minimalstem Budget ein großartiger Debütfilm gelungen. Eine geniale Idee, ein wunderschönes Setdesign und eine spannende Inszenierung mit ganz viel Mathe machen Cube zu einem der besten Horrorfilme aller Zeiten.

 

Bewertung

Spannung Rating: 4 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt Rating: 3 von 5
Ekel Rating: 1 von 5
Story Rating: 4 von 5

Bildquelle: Cube © Constantin Film

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?