Kritik

The Witch (2015) – Review

Mit seinem Debütfilm The Witch kreiert Robert Eggers einen der beeindruckendsten Horrorfilme der letzten Jahre. Wir wollten uns das satanische Treiben in Neuengland nicht entgehen lassen und waren bei der Österreich-Premiere.

Originaltitel: The VVitch
Land: USA, Kannada, Großbritannien
Laufzeit: 92 Minuten
Regie: Robert Eggers
Drehbuch: Robert Eggers
Cast: Anya Taylor-Joy, Ralph Ineson, Kate Dickie u.a.

Inhalt

The Witch handelt von einer Puritaner-Familie, die im 17. Jahrhundert aus England in das US-amerikanische Neuengland ausgewandert ist. Da diese aber selbst für ihre puritanische Gemeinde zu fundamentalistisch ist, siedeln sie sich fernab der Gemeinde am Waldesrand an. Doch vermehrt auftretende unerklärliche Ereignisse werden zusehends mit dem Teufel und einer ominösen Waldhexe in Verbindung gebracht und stellen den Glauben der Familie auf eine harte Probe…

Kritik

Man merkt The Witch deutlich an, dass Robert Eggers (Der Leuchtturm) sehr viel Liebe in sein Debütwerk gesteckt hat. Der Film basiert auf einer Hexenhysterie in Neuengland, die über 50 Jahre vor den Hexenprozessen in Salem stattfand. Das Filmteam arbeitete stark mit englischen und amerikanischen Museen zusammen, was für ein historisch authentisches Feeling sorgt. Dies ist aber auch kein Wunder, da ein Großteil der Dialoge im Film 1:1 aus Dokumenten aus dieser Zeit entnommen wurde.

Was mir im Kino jedoch als erstes auffiel, als das Licht ausging und sich der schwere Samtvorhang langsam öffnete, um die Leinwand freizugeben, dass dieser sehr früh schon stoppte. Denn Kameramann Jarin Blaschke und Regisseur Robert Eggers entschieden sich dafür den Film im Seitenverhältnis 1,66:1 (ähnlich dem bekannten 16:9 Format) zu drehen, anstatt in dem heutzutage wesentlich gängigeren Breitbildformat von 2,35 oder 2,39:1. Weniger technisch gesprochen: man kommt sich vor als ob man vor einem riesigen, alten Röhrenbildschirm sitzt. Dies ist jetzt auch nicht nur technisches Gefasel, sondern wirkt sich direkt auf das Erleben des Filmes aus. Durch die geringere Breite wirkt das gesamte Geschehen beengter, was einerseits die Lebenssituation der Familie und deren Weltbild widerspiegelt, aber anderseits auch die aufkeimende Paranoia hervorragend visuell unterstützt. Es ist auch sehr auffällig, dass sich bei Totalaufnahmen das Geschehen häufig allein im unteren Viertel des Bildes abspielt und somit viel Raum lässt um zum Beispiel die alles überschattenden Baumkronen zu zeigen. Allein dadurch werden irrsinnig schöne, aber auch überaus bedrohliche Bilder erzeugt.

The Witch

Diesen beeindruckenden Bildern entzieht Blaschke zusätzlich noch jede Farbe. Alles wirkt trist und grau im Neuengland des 17. Jahrhunderts. Unterstützt wird dies durch lange, ruhige Einstellungen, wie man sie im modernen Genrefilm leider viel zu selten erlebt.
Von der Inszenierung her sticht neben der wunderschönen Photographie vor allem das Sounddesign noch positiv hervor. Nur ganz selten zu aufdringlich wird auch auf dieser Ebene die Bedrohung erfahrbar gemacht.

Und von dieser jetzt schon oft erwähnten Bedrohung handelt der Film. Auf der Handlungsebene wird dabei sogar ein recht konventioneller Okkult-Horror erzählt mit dem Fokus auf die in die Pubertät kommende älteste Tochter Thomasin, wundervoll dargestellt von der Newcomerin Anya Taylor-Joy (Split). Durch die Erzählstruktur wird die Existenz einer übernatürlichen Bedrohung nicht in Frage gestellt. Der Spannungsbogen nährt sich hauptsächlich aus den möglichen Verknüpfungen der einzelnen Familienmitglieder mit der Hexe beziehungsweise dem Teufel. Der Film funktionierte auf dieser Ebene für mich tadellos und zog mich während seiner gesamten Laufzeit in seinen Bann, was aber natürlich auch an der erwähnten herausragenden Inszenierung liegt.

The Witch

Viel interessanter als das Okkult-Whodunnit ist jedoch das Drama um eine religiös-fundamentalistische Familie, die auf sich allein gestellt ist. Mit eindeutigen religiösen Verweisen auf Hiob wird nun das Weltbild und der Zusammenhalt dieser Familie auf die Probe gestellt, indem ihr jüngster Sohn spurlos verschwindet. Auf dieser Ebene gibt es unendlich viel zu entdecken. Robert Eggers arbeitet hier mit unterschiedlichen Symbolen und Metaphern aus Religion, Mythologie und Märchen. Vor allem die Natur ist allgegenwärtiges Symbol für die Bedrohung. Seien es märchenhafte Äpfel, unheilverkündende Raben, diabolische Ziegenböcke oder furchteinflößende Hasen. The Witch bietet hier viele Interpretationsmöglichkeiten an. So drängte sich mir eine Lesart auf bei der die übersinnlichen Erscheinungen allein nur als Visualisierung des aufkeimenden Wahnsinns der Familie, deren Weltbild gerade zerbricht, zu verstehen sind. Dies lässt sich dann auch auf eine höhere soziologische Ebene umlegen und zeigt wie eine aggressiv-paranoide Atmosphäre entstehen kann, die dann auch in Gewalt umschlägt. In ähnlicher Weise wie Michael Haneke in Das weiße Band das gesellschaftliche Fundament für den Nationalsozialismus seziert, so beleuchtet Eggers hier Grundlagen für die hysterischen Hexenprozesse wie zum Beispiel in Salem.

Robert Eggers ist mit The Witch ein unheimlich stimmungsvolles Okkult-Horror-Drama gelungen, in dessen audiovisuelle Gemälde man sich einfach verlieben muss. Absolute Empfehlung für alle, die sich von langsamen, etwas sperrigen Filmen nicht abschrecken lassen!

 

Bewertung

Grauen Rating: 4 von 5
Spannung rating4_5
Härte Rating: 1 von 5
Unterhaltung Rating: 3 von 5
Anspruch rating4_5
Gesamtwertung Rating: 5 von 5

Bildquelle: The Witch © A24, Universal Pictures International

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?